Pressemitteilung | VAUNET - Verband Privater Medien e.V.

VPRT sieht duales Rundfunksystem immer mehr in tiefgreifender Strukturkrise

(Berlin) - Der Verband fordert Abschaffung der Werbefinanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und kritisiert scharf die aktuelle Steuerdebatte der ARD!

"Für seit langem überfällig und aktuell zwingend geboten" hält der Präsident des Verbandes Privater Rundfunk und Telekommunikation (VPRT), Jürgen Doetz, eine Diskussion zwischen Bund, Ländern, ARD, ZDF und VPRT über eine "Bestands- und Entwicklungsgarantie für das duale Rundfunksystem", die absehbar zu konkreten Maßnahmen führe. Angesichts der drastisch gesunkenen Werbeerlöse für die privaten Rundfunkanbieter und des gleichbleibend bzw. wachsenden hohen konjunkturunabhängigen Gebührensockels der öffentlich-rechtlichen Anstalten stünde das duale System vor einer tiefgreifenden Strukturkrise. Diese führe absehbar zu erheblichen Wettbewerbsnachteilen zu Lasten des privaten Rundfunks zum Beispiel beim Rechteerwerb im Sport und bei Spielfilmen oder bei der Vergabe von Auftragsproduktionen.

Die ARD ihrerseits mache ganz aktuell eine "Notsituation" geltend, weil ihr Steuernachforderungen über mehr als 450 Mio. Euro ins Haus stehen, deren Begleichung laut ARD-Vorsitzendem Fritz Pleitgen zu erheblichen Einschnitten in das Programm oder höheren Rundfunkgebühren führen würden. Es sei leider nicht überraschend, so Doetz, dass die Steuerprobleme der ARD zu einer hektischen Betriebsamkeit der Rundfunkkommission der Länder führe, während die konjunkturbedingten Existenzprobleme privater Rundfunkanbieter ganz offenkundig als zu vernachlässigende Randerscheinung wahr genommen würden. Es gelte nunmehr entscheidende Weichenstellungen für die Zukunft des dualen Systems in Deutschland vorzunehmen, betonte der VPRT-Präsident, der als Mitglied des Vorstandes der ProSiebenSat.1 Media AG auch wenig Verständnis dafür zeigte, dass die Rundfunkkommission der Länder gerade jetzt Gefahren für das "gut austarierte" duale Rundfunksystem mit ARD und ZDF einerseits und Bertelsmann und der Kirch Gruppe andererseits durch Veränderungen bei der Kirch Gruppe ausmachte und das Kartellamt und die KEK zum Hüter dieses dualen Systems aufrief.

"Es sind wirtschaftliche Rahmenbedingungen, die das angeblich so austarierte Nebeneinander im dualen Rundfunksystem bedrohen, und es mutet schon befremdend an, wenn nicht diese, sondern die aufgrund der Insolvenz der KirchMedia "jetzt einsetzenden Veräußerungsgeschäfte" neben den Steuerproblemen der ARD allein zum Anlass genommen würden, ein austariertes duales Rundfunksystem einzufordern." Um eine Strukturkrise des dualen Systems abzuwenden ist es nach Auffassung von Doetz zwingend geboten, Werbung im öffentlich-rechtlichen Fernsehen, Hörfunk und in seinen Online-Angeboten endlich zu untersagen. Im Jahr 2001 verfügte der öffentlich-rechtliche Rundfunk über Gebühreneinnahmen in Höhe von 6.454,4 Mio. Euro sowie zusätzliche Werbeerlöse von 359 Mio Euro, dem standen im gleichen Jahr 4.750 Mio Euro Werbeerlöse der privaten Hörfunk- und Fernsehunternehmen gegenüber. Wer ein "gut austariertes" duales System einfordere, könne guten Gewissens jetzt dafür sorgen, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk nicht auch noch auf dem Werbemarkt wildere. Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für die privaten Rundfunkunternehmen müssten darüber hinaus durch eine weitreichende Deregulierung werberechtlicher Vorschriften aus der europäischen Fernsehrichtlinie verbessert werden. Hier sei die Bundesregierung gefordert, in Brüssel aktiv zu werden.

In Deutschland wiederum zwingend notwendig sei eine klare Definition des Programmauftrages, den die öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten mit ihren Gebühren zu erfüllen hätten. Dazu gehöre auch eine klare Transparenz öffentlich-rechtlicher Geschäftstätigkeiten, wie sie in den entsprechenden Richtlinien der EU eigentlich auch für öffentlich-rechtliche Anstalten vorgeschrieben seien. Doetz bekräftigte in diesem Zusammenhang die Auffassung seines Verbandes, dass eine von der Allgemeinheit zu entrichtende Rundfunkgebühr in Deutschland als Garant von Meinungs- und Programmvielfalt grundsätzlich ihre Berechtigung habe; der VPRT habe die Rundfunkgebühr aus übergeordneten Gründen deshalb auch nie in Frage gestellt, könne es allerdings gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten nicht akzeptieren, dass sie auch zur Finanzierung von Wettbewerbsnachteilen für den privaten Rundfunk missbraucht würde.

"Es hat sich eine Menge an Problemen angestaut", so Doetz, "aber wir wollen noch einmal einen Anlauf zu einem Konsens versuchen." Gebührensicherheit, Bestandsgarantie und eine klar zu definierende Entwicklungsgarantie für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk einerseits, faire wirtschafts- und ordnungspolitische Rahmenbedingungen für den privaten Rundfunk andererseits sollten das Ziel eines Konsenses über die Zukunft des dualen Systems in Deutschland sein. "Wird dieser Konsens jetzt nicht gesucht und gefunden, wären wir Private gezwungen zu versuchen, unsere Rahmenbedingungen durch Verfahren in Brüssel oder vor deutschen Gerichten zu verbessern."

Zu nennen seien hier zum Beispiel Rechtsaufsichtsbeschwerden im Blick auf die Online-Angebote öffentlich-rechtlicher Anstalten oder auf die Kooperationsvereinbarung zwischen ZDF und T-Online. Eine andere "Baustelle" sei eine mögliche Beschwerde in Brüssel, die zur Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens der EU-Kommission gegen die Bundesrepublik Deutschland wegen der für die öffentlich-rechtlichen Anstalten nicht durchgesetzten Transparenzrichlinie führen würde.

Die aktuelle Steuerdebatte der ARD sei ebenfalls ein 'spannendes Thema', nach dem es eine nicht unbegründete Rechtsauffassung gebe, dass auch der derzeit noch gültige begünstigende Steuersatz für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk als unberechtigte Beihilfe interpretiert werden könnte. Zu führen sei auch eine Diskussion darüber, wie viele Steuereinnahmen der Bundesrepublik Deutschland dadurch in der Vergangenheit entgangen seien, dass die Werbetöchter der ARD ihren Mutterhäusern von 1995 bis 2000 "Kostenerstattungen" von jeweils über 500 Mio DM für die Finanzierung der Werberahmenprogramme überwiesen hätten, obwohl den Anstalten aus deren Produktion überhaupt keine Kosten entstanden seien, da diese von den Werbetöchtern vollständig getragen würden. Von den Nachzahlungsforderungen abgesehen, bedeute auch das derzeit gültige Sondersteuerrecht zu Gunsten der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten eine Wettbewerbsverzerrung zu Lasten der privaten Rundfunkanbieter - auch unter diesem Gesichtspunkt sei die Abschaffung der Werbung im öffentlich-rechtlichen Rundfunk die einfachste Möglichkeit, ARD und ZDF vor Steuerproblemen zu bewahren.

Doetz abschließend: "Ich bitte um Verständnis dafür, dass wir Klartext reden, aber wir wollen eben Klarheit. Wir präferieren eindeutig eine politische Diskussion, aber nicht irgendwann, sondern jetzt. Wir appellieren an die verantwortlichen Medienpolitiker und an die Intendanten von ARD und ZDF, sich Gesprächen nicht zu entziehen, die die Sicherung des dualen Systems in Deutschland zum Ziel haben sollen. Wir appellieren an den Vorsitzenden der Rundfunkkommission der Länder, Ministerpräsidenten Kurt Beck, die Initiative zu einer derartigen Konsensrunde zu ergreifen!"

Quelle und Kontaktadresse:
Stefan Kühler Pressesprecher Verband Privater Rundfunk und Telekommunikation e.V. (VPRT) Stromstr. 1 10555 Berlin Telefon: 030/39880-0 Telefax: 030/39880-148

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