Pressemitteilung | (vzbv) Verbraucherzentrale Bundesverband e.V.

Vorsorgender Verbraucherschutz als Beitrag zur Nachhaltigkeit und Wirtschaftsstandortpolitik

(Berlin) - Verbraucherverbände, Politiker, Wissenschaftler und UN-Vertreter haben einen besseren Schutz von Verbraucherrechten in der internationalen Politik gefordert. Bereits auf der nationalen und europäischen Ebene könnten sich Verbraucherinteressen nur schwer gegen Wirtschaftsinteressen durchsetzen. Dieses Problem potenziere sich auf der globalen Ebene - so das gemeinsame Fazit bei dem heute vom Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. (vzbv) veranstalteten Kongress zu "Verbraucherschutz im globalen Markt".

"Obwohl Warenströme inzwischen grenzenlos sind, gibt es international keine wirksamen Mechanismen zum Schutz der Verbraucherrechte", so vzbv-Vorstand Prof. Dr. Edda Müller. Sie kritisierte, dass die von den Vereinten Nationen verabschiedeten Richtlinien zum Schutz der Verbraucher von den meisten Regierungen nicht einmal zur Kenntnis genommen würden. "Die meisten Regierungen haben einfach noch nicht begriffen, dass der Weg zu mehr Wohlstand über besser informierte Verbraucher führt, die ihre Rechte gegenüber den Unternehmen kennen und wahrnehmen können", so Edda Müller. Die Kräfteverhältnisse zwischen Wirtschaft und Verbrauchern seien extrem ungleich verteilt - allein Coca-Cola gebe pro Jahr mehr Geld für Werbung aus als das Gesamtbudget sämtlicher europäischer Verbraucherorganisationen. "Hier müssen wir Verbraucherverbände uns national und international noch stärker zu Netzwerken zusammenschließen". Im Einsatz für eine nachhaltige Konsumweise müsse Wettbewerb immer auch durch Qualitätskriterien gestaltet werden. So verstanden ist Verbraucherpolitik aktive Wirtschaftsstandortpolitik.

Auf die Bedeutung der unabhängigen Verbraucherberatung im Hinblick auf die Herausbildung eines nachhaltigen Konsumverhaltens wies der Vorstand der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen, Dr. Karl-Heinz Schaffartzik, hin. Er betonte die hohe Glaubwürdigkeit und Kompetenz der Verbraucherzentralen. Aufgrund der Einbindung der Verbraucherzentralen in lokale Netze - wie zum Beispiel den Agenda 21-Prozess - warb er auf der Veranstaltung um die verstärkte Berücksichtigung der Verbraucherzentralen bei den Bemühungen um eine nachhaltige Entwicklung.

"Wir brauchen einen Paradigmenwechsel in der Politik auch auf internationaler Ebene. Es muss allen klar sein: Verbraucherschutz ist ein Wirtschaftsfaktor. Deshalb muss er einen höheren Stellenwert im globalen Maßstab erhalten. Deshalb hat er bei uns ein eigenes Politikfeld erhalten, das wir systematisch ausbauen", erklärte Bundesverbraucherministerin Renate Künast in ihrer Rede. Die Verbraucherinnen und Verbraucher selbst sollten sich ihrer Macht über das internationale Warenangebot bewusst sein: "Wenn sie mehr Produkte kaufen, die unter menschenwürdigen und umweltgerechten Bedingungen hergestellt wurden, und diese Importe zunehmen, ist das der beste Beitrag zu einer global nachhaltigen Entwicklung."

Franz-Georg Rips, Vorsitzender des Verwaltungsrates des vzbv bemerkte, Eckpunkte einer modernen Verbraucherpolitik seien eine konsequente Durchsetzung des Vorsorge- und Verursacherprinzips, die Herbeiführung eines Höchstmaßes an Transparenz und Informationszugänglichkeit sowie die gleichberechtigte Berücksichtigung der Verbraucherinteressen im politischen Prozess und im Marktgeschehen. Zudem müsse der organisierte Verbraucherschutz den Realitäten auf den globalen Märkten folgen und sie mitgestalten. Bei der zunehmenden Öffnung der Märkte und Globalisierung der Weltwirtschaft sei der Staat zunehmend überfordert. Politik wird zunehmend an runden Tischen veranstaltet. "Dabei gilt es, im Sinne einer neuen Zivilgesellschaft auch neue Allianzen mit anderen gesellschaftlichen Gruppen, wie NGO oder Gewerkschaften, zu schließen und neue Bündnisse mit der Wirtschaft einzugehen".

"Um in einer Verhandlungsdemokratie überhaupt Einfluss auf Entscheidungen zu haben, müssen die Verbraucherverbände als Mitspieler mit am Tisch sitzen", so Prof. Dr. Fritz Scharpf, Direktor des Max-Planck-Instituts für Gesellschaftsforschung. Und auch dann könne nur derjenige erfolgreich verhandeln, der die nötige Verhandlungsmacht habe: "Verhandlungsmacht hat, wer über etwas verfügt, das die andere Seite haben möchte oder wer glaubwürdig mit Nachteilen drohen kann, welche die andere Seite vermeiden will". Im Prinzip könnte die Politik im Vorfeld gesetzlicher Regelungen die Verbraucherverbände mit künstlicher Verhandlungsmacht ausstatten und sie als notwendige Verhandlungspartner der Wirtschaftsverbände installieren. Dies könne so weit gehen, dass die Regierung Regelungen, die im Konsens zwischen Industrie und Verbrauchern vorgeschlagen werden, mit Rechtskraft versieht und nur im Falle der Nichteinigung selbst die Verhandlungsführung übernehme.

Der Exekutivdirektor des Umweltprogramms der Vereinten Nationen, Prof. Dr. Klaus Töpfer, betonte die Bedeutung der unabhängigen Verbraucherverbände. "Sie spielen eine Schlüsselrolle, indem sie die Verbraucher auf Konsumverhalten hinweisen, das sozial und ökologisch nicht tragfähig ist." Töpfer rief die deutschen Verbraucher auf, "fair" gehandelte Produkte zu kaufen und damit einen Beitrag zur Armutsbekämpfung zu leisten. "Es ist an der Zeit, dass auch die Armen zu Verbrauchern werden." Unternehmen und Regierungen seien auf die Kritik der Verbraucherorganisationen angewiesen, um ihre Politik an den Bedürfnissen der Menschen auszurichten. Vor allem die Umweltaussagen von Firmen gehörten auf den Prüfstand: "Es geht darum, ob die Unternehmen wirklich etwas für die Umwelt tun oder nur PR betreiben - hier brauchen wir die Verbraucherorganisationen."

Quelle und Kontaktadresse:
Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. Markgrafenstr. 66 10969 Berlin Telefon: 030/258000 Telefax: 030/25800218

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