Pressemitteilung | ZAW e.V. - Zentralverband der Deutschen Werbewirtschaft

Vor einem Jahrhundert der Konsumenten

(Bonn) – Die Werbewirtschaft in Deutschland geht "mit hochgekrempelten Ärmeln" über die Jahrtausendlinie. Nach Ansicht des Zentralverbands der deutschen Werbewirtschaft (ZAW) stehen Gesellschaften und Märkte vor wesentlichen Veränderungen, die sich entscheidend auch auf Werbekreativität und Medienplanung auswirken werden.



Der Konsument rücke im nächsten Jahrhundert endgültig in das Zentrum betriebswirtschaftlicher Planung. Sein Profil, seine Wünsche, Bedürfnisse und Einstellungen prägen bereits heute immer stärker die Gestaltung und Schaltung von Werbung. "Das Jahrhundert der Konsumenten bricht an", prognostiziert der ZAW.



Eine bedeutende Rolle spiele dabei das Internet. Der Konsument hole sich in Zukunft immer mehr rationale Produktinformationen, Preise und Testberichte aus dem World Wide Web, um seine individuellen Kaufentscheidungen effizient zu gestalten. "Ganz freiwillig verändert der Bürger sein Kaufverhalten nicht", analysiert der ZAW. Der Rückzug des Staates aus vielen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens zwinge den Konsumenten zu einer aktiveren Teilnahme am Wirtschaftsprozess, dessen Produktion und Marktkommunikationspolitik er damit immer stärker lenke. Mit rasch ansteigendem Bildungsgrad und den damit zusammenhängenden Erfahrungen individueller Lebensführung entwickele sich eine allmählich gleichrangige Marktkompetenz: Der Bürger weiß, was er will und was nicht.



Neben dem Wunsch und der Forderung nach rationalen Produktinformationen über das Internet - zum Beispiel im Zusammenhang mit Preis und Produktausstattung - wachse parallel das Bedürfnis nach Befriedigung von Emotionen. Der Kunde wolle Phantasien, die über das Nutzenerlebnis hinaus gehen. Deshalb brauchten Marken zum Verkaufserfolg emotionale Identität, die nur mit Hilfe der Werbung gestaltet werden könne.





"Medieninvasion" oder "Werbeträger-Paradies“

Der Klage auch von Werbungtreibenden über die "Medieninvasion" setzt der ZAW die Zustandsbeschreibung "Werbeträger-Paradies" entgegen. Zwar sei die Quantität seit 1960 sprunghaft gestiegen: TV-Programme von 9 auf 94, Hörfunk von 8 auf 227, Publikumszeitschriften von rund 260 auf heute fast 800, Plakatanschlagstellen von 81.000 auf 400.000 und Anzeigenblätter von einigen wenigen Titeln auf heute 1.300.



Die vielbejammerte Medienflut komme aber der stark demokratisierten Gesellschaft mit ihren hochentwickelten individuellen Lebensstilen gerade recht: Medienvielfalt biete den Akteuren im Werbemarkt eine immer feinere Segmentierung der zu Umwerbenden an. Bei professioneller Planung könnten Betriebskosten durch Vermeiden von Fehlstreuung in Grenzen gehalten werden.



Erfolgreich werde in Zukunft vor allem derjenige im Markt sein, der sich in den Empfänger und seine Mediennutzung hineinzudenken vermag und die Selbstherrlichkeit des Absenders aufgibt. Die Dynamik in der Medienstruktur und damit im Werbemitteleinsatz werde daher zu einem der wesentlichen Erfolgsfaktoren für betriebswirtschaftlich ausgerichtete Werbung.



Das Internet verdränge in Zukunft nicht die anderen Medien, gebe aber ihrem Zusammenwachsen Impulse: "Medien-Konvergenz" beschleunigt "Werbeträger-Konvergenz". Die zentralen Leistungen der verschiedenen Werbeträger in den Sektoren Print und Elektronik blieben aber erhalten, weil die klassische Werbung für die massenmediale Ansprache möglicher Kunden unentbehrlich auch jenseits der Jahrtausendgrenze blieben.





Strenges Kostenmanagement drückt auf Renditen

Der ZAW empfiehlt, das Werbewachstum der Zukunft realistisch zu bewerten. Das erreichte hohe Ausgabenniveau für Werbung und die in der Wirtschaft immer stärkere Tendenz zum rigorosen Kostenmanagement auch in der Marktkommunikationspolitik wirkten belastend auf die Renditen von Werbeagenturen und Medien. Zwar sei der Werbemarkt mit einem Anteil am Bruttosozialprodukt von jährlich im Schnitt 1,6 Prozent höchst stabil, was sich gleichzeitig günstig auf die Arbeitsplätze von gegenwärtig rund 360.000 auswirke. Die Unternehmen müssten aber angesichts des Hyperwettbewerbs im attraktivsten europäischen Absatzmarkt, Deutschland, jede Werbemark auf Effizienz und Effektivität prüfen, was auf die Konditionen von Werbeträgern und Agenturen drücke.



Insbesondere die Medien hätten in Zukunft noch stärker mit einem zusätzlichen Problem zu kämpfen. Sie profitieren zwar mit voraussichtlich rund 43 Milliarden Mark im Jahr 1999 am stärksten von den gesamten Werbeinvestitionen in Deutschland (62 Mrd. Mark). Von diesen Einnahmen müssten sie aber wieder einen Teil reinvestieren, um Werbeaufträge aus der Wirtschaft zu bekommen sowie Leser, Hörer und Zuschauer zu halten oder neue hinzuzugewinnen. Dies habe dazu geführt, dass derzeit die Medien selbst in der Rangfolge der stärksten Investoren in Werbung nach der Automobilindustrie und vor dem Handel an zweiter Stelle stehen.





Wehrhaft gegen ideologische Züge in der europäischen Politik

In Zusammenhang mit Werbefreiheit bewertet der ZAW die deutsche Politik "im Großen und Ganzen" positiv. Auf den meisten Entscheidungsebenen werde der Wert der Werbung für Wirtschaft, Staat und Gesellschaft nicht nur erkannt, sondern auch in den europäischen Gremien für einen angemessenen Spielraum der Branche gefochten. Sichtbar geworden sei dies insbesondere am Totalverbot der Tabakwerbung durch die EU. Deutschland klage als einziges Mitgliedsland der EU dagegen vor dem Europäischen Gerichtshof, auch nach dem Machtwechsel in Bonn. Eine Entscheidung erwartet der ZAW etwa Ende 2000.



Harte Auseinandersetzungen kündigt dagegen der Branchenverband auch nach der Jahrtausendgrenze mit jenen Kräften insbesondere in der europäischen Politik an, die immer noch "mit Werbeverboten Menschen in ihrem Verhalten steuern wollen". Es sei längst wissenschaftliche Erkenntnis, dass die Ökonomie keinen Ansatz zur Erklärung menschlichen Verhaltens liefert. Psychologische Verhaltenswissenschaften seien sich der fortgeschrittenen Lebenskompetenz der Bürger bewusst.



Fehlverhalten Weniger dürfe nicht zu schwerwiegenden Eingriffen in die betriebswirtschaftlich lebensnotwendige Marktkommunikationspolitik der Unternehmen führen, die in ihrer Ausstrahlung Konsequenzen auf Medienvielfalt und Konsumentensouveränität hätten. "Werbeverbote sind ein Relikt aus dem 20. Jahrhundert. Wer sie mitnimmt, disqualifiziert sich entsprechend." Der ZAW werde deshalb wehrhaft gegen ideologische Züge in der europäischen Politik bleiben und die Kräfte der jeweils betroffenen Wirtschaftskreise in Europa zusammen ziehen.

Quelle und Kontaktadresse:
ZAW

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