Vor der Bundestagswahl: Schöne Ziele reichen nicht – es muss gehandelt werden
(Berlin) - Das nächste Jahr der kalten Strukturveränderungen in der Krankenhausversorgung. Bisher ist kein Ende in Sicht. Die Bundespolitik konnte sich – und kann sich offenbar nach wie vor – nicht dazu durchringen, ein Stoppzeichen zu setzen. Die Insolvenz- und Schließungswelle rollt weiter. Wird die demnächst neue Bundesregierung sich eines Besseren besinnen?
Unabhängig davon, welche Parteien demnächst in einer Koalition regieren, es wird, was die Krankenhausversorgung betrifft, wohl keinen so großen Unterschied machen. In den Wahlprogrammen wird zum Thema Gesundheitsversorgung unisono das Ziel einer flächendeckenden Grund- und Regelversorgung beteuert. Das klingt gut, doch wie das gesichert werden soll, bleibt unkonkret. Dabei ist eines doch klar: Nur die wirtschaftliche Stabilität der Kliniken sichert diese natürlich auch von den Bürgern gewollte flächendeckende Krankenhausversorgung. Dafür aber gibt es, zumindest in den Wahlprogrammen, keinen Plan.
Dabei drängt die Zeit. Aus Sicht des VKD muss die Bundespolitik eine sehr schnelle Entscheidung für die wirtschaftliche Stabilisierung der bedarfsnotwendigen Kliniken treffen. Dabei geht es vor allem um die Kompensation der in den Jahren 2022 und 2023 entstandenen Finanzierungsdefizite. Hinzu kommen aktuelle Herausforderungen durch Energiepreissteigerungen, Inflation, Tariferhöhungen und ständig weiter zunehmende Bürokratie.
Dafür ist eine Brückenfinanzierung notwendig. Die derzeit geltenden Fallpauschalen müssen zudem angepasst werden, um die systematische Unterfinanzierung der Leistungen zu beenden. Dass die bisherige Politik hier keine Entscheidung getroffen hat, wird die Strukturen der stationären Versorgung weiter beschädigen. Daran besteht für uns als Praktiker in der Krankenhausführung keinerlei Zweifel. Diese kalte Strukturveränderung zeigt sich ja schon längst und unübersehbar in der Schließung von Kliniken, Standorten, Abteilungen, der Reduzierung von Leistungen. Das konterkariert die Wahlversprechungen nach gleichwertiger Gesundheitsversorgung überall im Land. Nicht vergessen werden darf dabei, dass die Krankenhäuser vor allem auch angesichts der großen Lücken im Bereich der niedergelassenen Ärzte die Anker der Versorgung sind.
Der VKD hat seine Positionen vor der Bundestagswahl angesichts der aktuellen Situation noch einmal weiter konkretisiert und nachgeschärft.
Nur wirtschaftliche Stabilität der Krankenhäuser sichert die flächendeckende Versorgung
Neben der Notwendigkeit einer wirtschaftlichen Stabilisierung der Kliniken als aus unserer Sicht erste „Amtshandlung“ der neuen Bundesregierung für den Gesundheitsbereich, geht es um wichtige Regelungen in der Krankenhausreform. Wenn sie so, wie derzeit vorgesehen, umgesetzt wird, führt das aus Sicht der Praxis zu Verwerfungen, die nur noch schwer rückgängig zu machen wären. So sieht der VKD die Aussetzung der vorgesehenen Vorhaltefinanzierung als zwingend notwendig an, bis eine neue, fallzahlunabhängige Regelung gefunden wurde. Folgen muss auch eine systematische Anpassung der Landesbasisfallwerte und Psychiatrieentgelte pro Jahr an die tatsächlichen Kostensteigerungen bei den Betriebskosten und eine bedarfsgerechte Finanzierung der Investitionskosten.
Angesichts der bevorstehenden komplexen Veränderungen fordert der VKD erneut Gesetzestreue der Bundesländer bei der Investitionsfinanzierung.
Weitere Forderungen sind in aller Kürze ein koordinierter, am veränderten Versorgungsbedarf angepasster und für die Einrichtungen finanziell abgesicherter Strukturwandel, für den auch zusätzliche Investitionsmittel bereitgestellt werden müssen.
Die künftig bundeseinheitlichen Vorgaben für die Krankenhausplanung der Bundesländer in Form von Leistungsgruppen sollten das in NRW praktizierte Modell als Blaupause nutzen und die im KHVVG vorgesehenen Personal- und Strukturvorgaben nicht umgesetzt werden, bis es aussagefähige Auswirkungsanalysen gibt.
Wesentlich ist zudem, dass eine flächendeckende, qualitativ hochwertige Patientenversorgung auch während der Phase der Strukturveränderungen für alle Bürger gewährleistet sein muss. Dabei ist der Primat der Bundesländer für die Krankenhaus- und Leistungsplanung zu berücksichtigen.
Überfällig ist ein Bürokratie-Entlastungsgesetz, denn Deregulierung und Bürokratieabbau sind maßgeblich zur Lösung der Fachkräftesicherung, für schlanke Prozesse, Transparenz und die Reduzierung von Kosten. Erste Voraussetzung dafür ist deutlich mehr Vertrauen in die Arbeit und die Entscheidungen vor Ort in den Krankenhäusern.
Weitere wichtige Forderungen betreffen die Themen Fachkräftesicherung, die psychiatrische und psychosomatische Versorgung, Notfallversorgung und Digitalisierung, die vollständige Öffnung der Krankenhäuser für ambulante Behandlungen und deren Finanzierung, eine Stärkung der sektorenübergreifenden Versorgungsformen, sowie die Stärkung des Stellenwerts der Ergebnisqualität und der Krisenprävention.
Das Positionspapier im vollen Wortlaut steht unter www.positionen-des-vkd.de zur Verfügung.
Wie positionieren sich dagegen die Parteien in ihren Wahlprogrammen vor allem mit Blick auf die umstrittene Krankenhausreform? Die Kritik an wesentlichen Regelungen darin ebbt natürlich nicht ab, nur weil sie nun beschlossen ist. Die Umsetzung muss ja vor Ort, in den Kliniken, passieren. Zudem fehlen bisher noch immer die notwendigen Rechtsverordnungen. Wahlversprechen nützen nichts, wenn es kaum noch oder nur mit allergrößter Anstrengung gelingt angesichts fehlender Planungssicherheit und unverschuldeter Defizite ein Krankenhaus auf Kurs zu halten.
Darauf wird nicht wirklich in den Wahlprogrammen reagiert. Während die SPD den „erfolgreichen Kurs“ der Krankenhausreform weitergehen will, erklärt die CDU/CSU, die flächendeckenden Grund- und Regelversorgung im stationären Bereich müsse der Grundgedanke einer Krankenhausreform sein. Ein kalter Strukturwandel soll verhindert werden. Fehlsteuerungen in Folge der Krankenhausreform will man korrigieren. Konkreter wird es leider weder hier noch bei den anderen Parteien.
Bündnis 90/Die Grünen will als ehemalige Ampelpartei ebenfalls die Krankenhausreform nachbessern und zusammen mit den Ländern umsetzen.
Fokus der FDP liegt eher nicht primär auf den Krankenhäusern, die aber spezialisierte und damit bessere Angebote vorhalten sollen. Die Kostenentwicklung soll gebremst, Ärzte und Pflegende entlastet werden.
Da der VKD bei allen aus Sicht der Praxis notwendigen Korrekturen eine Krankenhausreform grundsätzlich als notwendig erachtet und seit Jahren auch fordert, sind für uns die eher radikalen Vorstellungen des BSW, dass die Krankenhausreform rückgängig machen will, und der AfD, die zurück zu individuellen Budgetvereinbarungen möchte, absolut keine diskutablen Optionen.
Das Fazit: Die Parteien springen in Bezug auf die Krankenhausversorgung erneut nicht über ihren Schatten. Wesentliche Themen werden meist nur pauschal „angerissen“. Man kann nur hoffen, dass nach der Wahl die Betrachtung der Wirklichkeit zu neuen Erkenntnissen und sinnvollen Entscheidungen auch für die Gesundheitspolitik führt – und zu einem systematischen Dialog mit den Praktikern in den Kliniken, der in den vergangenen Jahren komplett fehlte – mit der Folge erheblicher Nachbesserungsnotwendigkeiten an der Krankenhausreform. Ein Weiter so darf es auch hier nicht geben, denn das Vertrauen der Bürger in eine funktionierende, gute Gesundheits- und Krankenhausversorgung erodiert, wie im November vergangenen Jahres auch eine Befragung im Auftrag der Deutschen Krankenhausgesellschaft ergeben hat.
Wahlversprechen haben ja bekanntlich eine kurze Halbwertzeit. Sie endet meist schon am Abend des Wahltags. Das kann ja vielleicht sogar Hoffnung machen.
Quelle und Kontaktadresse:
Verband der Krankenhausdirektoren Deutschlands e.V. (VKD), Andreas Tyzak, Pressesprecher(in), Oranienburger Str. 17, 10178 Berlin, Telefon: 030 28885911