Vor Agrarministerkonferenz: foodwatch kritisiert Empfehlungen der Borchert-Kommission zur Tierhaltung als Irreführung der Öffentlichkeit
(Berlin) - Förderung von Stallneubauten löst nicht Probleme in der Nutztierhaltung / Export-Fixierung der deutschen Agrarindustrie schadet Tieren, Umwelt und Landwirten / foodwatch fordert gesetzliche Vorgaben für bessere Tiergesundheit
Vor der Sonder-Agrarministerkonferenz hat foodwatch die Empfehlungen der sogenannten Borchert-Kommission zur Tierhaltung deutlich kritisiert. Die Landwirtschaftsministerinnen und -minister der Länder wollen am Donnerstag über den Vorschlag der Expertenkommission beraten, durch Steuergelder und Preisaufschläge bei tierischen Lebensmitteln den Neubau von Ställen zu finanzieren. foodwatch kritisierte, dass die Kommission den durch die starke Exportausrichtung der Agrarindustrie ausgelösten Preisdruck nicht problematisiere. Zudem seien neue Ställe allein kein Garant dafür, dass die Tiere auch tierschutzgerecht leben würden und gesund seien. Dazu brauche es vielmehr klare gesetzliche Vorgaben zur Tiergesundheit, so die Verbraucherorganisation.
"Billig-Agrarexporte für den Weltmarkt und eine tiergerechte Nutztierhaltung sind ein unauflösbarer Widerspruch. Diese Tatsache ignoriert die Borchert-Kommission völlig. Die Förderung von Stallneubauten ändert nichts an der Export-Fixierung der deutschen Agrarindustrie und dem daraus resultierenden brutalen Unterbietungswettbewerb beim Tier-, Umwelt- und Arbeitsschutz", erklärte Matthias Wolfschmidt, Tiermediziner und internationaler Strategiedirektor bei foodwatch. Die Landwirtinnen und Landwirte seien im globalen Preiswettbewerb gezwungen, ihren Aufwand und ihre Kosten immer weiter zu minimieren. Leidtragende seien Tiere und Umwelt, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie die Tierhalterinnen und Tierhalter selbst.
"Es ist eine massive Irreführung der Öffentlichkeit so zu tun, als wären neu gebaute Ställe der Königsweg für mehr Tierschutz. Wissenschaftlich ist längst geklärt, dass mehr Platz und Auslauf nicht automatisch zu mehr Tiergesundheit und Tierschutz führen. Diese Wahrheit interessiert offenkundig weder die Borchert-Kommission noch die GroKo im Bundestag", so foodwatch-Experte Matthias Wolfschmidt.
Bundesernährungsministerin Julia Klöckner hatte die Kommission mit dem offiziellen Namen "Kompetenznetzwerk Nutztierhaltung" im vergangenen Jahr ins Leben gerufen. Die Expertinnen und Experten unter der Leitung des ehemaligen Bundeslandwirtschaftsministers Jochen Borchert schlagen unter anderem eine "Tierwohlabgabe" vor - denkbar seien Preisaufschläge von 40 Cent pro Kilogramm Fleisch und Wurst, 2 Cent pro Kilo für Milch und Frischmilchprodukte. Mit den Einnahmen sollen Stallumbauten finanziert werden. Aus Sicht von foodwatch sind die Empfehlungen nicht geeignet, um die gravierenden Missstände in der deutschen Nutztierhaltung zu beheben. Die Verbraucherorganisation forderte stattdessen gesetzliche Zielvorgaben für die Tiergesundheit, die alle Landwirtinnen und Landwirte, die Nutztiere halten, einhalten müssten. Dass die Tiere gesund sind und gut gehalten werden, müsse regelmäßig in jedem Stall kontrolliert und die Ergebnisse betriebsgenau veröffentlicht werden. Das langfristige Ziel müsse sein: Verbraucherinnen und Verbrauchern dürfen nur noch solche Produkte zum Kauf angeboten werden, die von nachweislich gesunden und tiergerecht lebenden Tieren stammen.
Tierschutz in der Landwirtschaft sei hochkomplex und könne nicht allein auf standardisierte Parameter wie Stallgröße oder -ausgestaltung reduziert werden, kritisierte foodwatch. Rund jedes vierte tierische Produkt stammt laut foodwatch von einem kranken Tier - das gelte für alle Haltungsformen, ob Bio oder konventionell, ob kleiner Betrieb oder "Megastall". Entscheidend für den gesundheitlichen Zustand (und damit für den Schutz) der Tiere sei daher vor allem das "Management" durch die Tierhalter: Die Tierbetreuung, die Betriebshygiene und das Stallklima müssten so gut sein, dass möglichst wenig krankmachender Stress entsteht. Allein mehr Platz und der Umbau von Ställen seien hingegen kein Garant für mehr Tierschutz.
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