Vollindexierung des Rundfunkbeitrags verfassungs- und europarechtlich nicht zulässig (#rundfunkfinanzierung)
(Berlin) - Am 21. März werden die Ministerpräsidenten der Länder voraussichtlich über eine mögliche Indexierung des Rundfunkbeitrags entscheiden. Diskutiert werden aktuell die Kopplung des Rundfunkbeitrags an Indizes wie z. B. den Verbraucherpreisindex oder die Inflationsrate der letzten zwei Jahre. Im Auftrag des VAUNET - Verband Privater Medien hat der frühere Präsident der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg und das langjährige Mitglied der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten (KEF), Prof. Dr. Thomas Hirschle, die Zweckmäßigkeit und rechtliche Zulässigkeit möglicher Indexierungsmodelle in einem Kurzgutachten bewertet.
Hirschle kommt dabei zu dem Ergebnis, dass ein einheitlicher Index weder dem Gebot der bedarfsgerechten Finanzierung noch dem Verbot einer übermäßigen Belastung der Beitragszahler entsprechen würde. Eine Vollindexierung würde eine Kompetenzverschiebung weg von Politik und KEF hin zu den Rundfunkanstalten bedeuten. Damit entfiele der Legitimationsdruck bei der künftigen Aufgabenentwicklung. Es entstünde zwar mehr Flexibilität, aber eine unkontrollierte Flexibilität der Anstalten. Das entspräche nicht der gebotenen ausgewogenen Balance der Kompetenzen und Kräfte und wäre verfassungs- und europarechtlich nicht zulässig.
Hans Demmel, Vorstandsvorsitzender des VAUNET: "Prof. Hirschle hat überzeugend dargestellt, dass eine pauschale Indexierung verfassungs- und europarechtlich nicht trägt. Er hat zudem zahlreiche Schwächen der Indexierung dargelegt. Für die Privaten würde sich der Wettbewerb massiv zu deren Ungunsten verschieben, nachdem Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit kein Maßstab mehr wären. Korrekturmöglichkeiten der KEF liefen leer und die Länder würden sich ihrem Gestaltungsauftrag entziehen. Sollte eine Vollindexierung durch die Ministerpräsidenten beschlossen werden, werden wir juristische Schritte prüfen. Uns wäre eher an einer sachgerechten Lösung gelegen, als das Modell in Brüssel auf den Prüfstand zu stellen."
Klaus Schunk, Vorsitzender des Fachbereichs Radio und Audiodienste im VAUNET: "Die Indexierung ist ein durchsichtiger Deal, mit dem die Länder es sich in doppelter Hinsicht zu einfach machen: Es würde für die Zukunft die Steuerung der Höhe des Rundfunkbeitrags entfallen. Und dies sogar ohne dass zuvor eine zeitgemäße Definition des Programmauftrags erfolgt wäre. Wir fordern eine Konkretisierung des Auftrags von ARD und ZDF, die dem Gestaltungsauftrag der Länder gerecht wird, qualitativ und quantitativ. Dabei sollte die Medienpolitik auch einen Blick auf die ausufernden öffentlich-rechtlichen Radioprogramme werfen. Erst danach kann sich dann die Entscheidung über eine angemessene Finanzierung daran orientieren. Hier hat sich das bisherige und ausdifferenzierte Modell mit den Zuständigkeiten der KEF absolut bewährt."
Hirschle stellt in seinem Kurzgutachten fest, dass die KEF für die Ermittlung der Höhe des Rundfunkbeitrags ein ausdifferenziertes System entwickelt hat. Es stützt sich bereits in weiten Teilen auf unterschiedliche Indizes. Seine einzelnen Positionen würden in der Summe ein zutreffendes Bild des Finanzbedarfs der Anstalten ergeben. So sei etwa bereits heute der Programmaufwand, der knapp die Hälfte der Ausgaben der öffentlich-rechtlichen Anstalten darstelle, an eine rundfunkspezifische Teuerungsrate gekoppelt.
Hirschle legt dar, dass dieses System zahlreiche Elemente enthält, die für eine einheitliche Indexierung ungeeignet sind. Das gelte etwa für die Rundfunkverbreitungskosten, deren Entwicklung angesichts der fortschreitenden Digitalisierung niemand einschätzen könne, oder für die betriebliche Altersversorgung. Sie mache ca. 80 Prozent des gesamten Personalaufwands der Anstalten aus und dürfte kurzfristig ansteigen aber langfristig abflachen. Eine pauschale Anpassung über einen einheitlichen Index sei daher ungeeignet. Statt einer Einrechnung in den Beitrag und damit einer fortgesetzten Indexierung solle eher eine Auslagerung dieses Kostenfaktors, ähnlich einer "Bad Bank", erwogen werden.
Sollte ein einheitlicher Index dennoch umgesetzt werden, würde dies eine unzutreffende Beitragshöhe ergeben. Eine Über- oder auch Unterfinanzierung der Rundfunkanstalten wäre nahezu unausweichlich. Neben der von einem einheitlichen Index erhofften besseren Planbarkeit für die Anstalten und der raschen und einfachen Ermittlung der Beitragshöhe wäre ein massiver Verlust an Kontrolle und Rechnungslegung und damit Transparenz die Folge. Bei einem einheitlichen Index würde keine Wirtschaftlichkeits- und Sparsamkeitskontrolle mehr erfolgen. Vorhandene oder zukünftige Unwirtschaftlichkeiten wären nicht nur intransparent, sondern würden einfach fortgeschrieben.
Die verfassungsrechtlich garantierte Entwicklungsgarantie der Anstalten sei über feste Parameter nicht erfassbar. Hirschle stellt in seinem Kurzgutachten dar, dass insbesondere auf die einzelfallbezogene Prüfung von Projektmitteln nicht verzichtet werden kann. Eine Indexierung könnte vertretbar nur wie bisher beim Kernbestand der Bestandsausgaben erfolgen. Dort werde aber bereits mit den jeweils am besten geeigneten Indizes gearbeitet.
Hirschle stellt zudem heraus, dass die Einbeziehung der Länderparlamente wegen des Gesetzesvorbehalts für das Rundfunkwesen in jedem Fall geboten sei. Die Definition des Rundfunkauftrags sei eine verfassungsrechtlich zwingende Aufgabe des Gesetzgebers. Diese könne nicht, auch nicht gedeckelt durch ein indexiertes Budget, den Rundfunkanstalten selbst überlassen werden. Die medienpolitische Gestaltung sei und bleibe eine Aufgabe des Gesetzgebers und erschöpfe sich nicht in einer Budgetierungsentscheidung mit indexierter Fortschreibung.
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