Virtuelle Welt in der Blechbearbeitung: Virtuelle Prozessketten verkürzen Produktentstehung / EMO Hannover 2007 zeigt Möglichkeiten und aktuelle Entwicklungen
(Frankfurt am Main) - Die Prozesskette lebt auch in der Blechbearbeitung kommt es darauf an, Entstehungs- und Gestaltungsprozesse zu optimieren. Ein probates Mittel ist die Simulation Vision der Planer ist die digitale Fabrik. Einzelne Bausteine sind etwa die Blechteilesimulation und die virtuelle Auslegung von Umformwerkzeugen. In der Praxis hängt der wirtschaftliche Erfolg davon ab, wie effizient die verfügbaren Bausteine miteinander verknüpft werden können.
Was die aktuellen Entwicklungstrends in der Blechbearbeitung angeht, muss nach Einschätzung von Prof. Dr.-Ing. Hartmut Hoffmann, Leiter des Lehrstuhls für Umformtechnik und Gießereiwesen (utg) an der Technischen Universität München, zunächst unterschieden werden zwischen der Stanztechnik auf Schnellläuferpressen und großflächigen Blechteilen des Karosseriebaus. Bei der Stanztechnik schreite die Miniaturisierung von Bauteilen weiter voran, was zu immer kleineren Lochdurchmessern führe bis hin zu Blechdicke/Lochdurchmesser-Verhältnissen < 1.
Ein weiterer Entwicklungsschritt in der Blechbearbeitung sei die zunehmende Verfahrensintegration auch beim Stanzen. Die Presse, erläutert Hoffmann, ist nur noch eine Station in der Prozesskette. Es werden immer mehr Bearbeitungsschritte intern oder durch Peripheriegeräte integriert, zum Beispiel Schweißen, Beschriften Stichwort Individualisierung der Bauteile , Umspritzen mit Kunststoff, Montieren oder Waschen. Dadurch lassen sich automatisiert ganze einbaufähige Baugruppen herstellen. Dies fordere allerdings immer größere Pressentische.
Bei großflächigen Blechteilen des Karosseriebaus sei, so Hoffmann, eine Zunahme der Blechwerkstoffsorten in Richtung hochfest und höchstfest zu beobachten. Bleche der Kaltumformung erreichen heute Festigkeiten von
1 200 MPa. Des weiteren konstatiert der Experte eine Zunahme der warmumgeformten Teile im Strukturbereich mit Festigkeiten von bis zu 1 600 MPa. Dies erfordert nach Ansicht Hoffmanns modular aufgebaute Umformwerkzeuge aus belastungsangepassten Werkstoffen, um Verschleiß und frühzeitiges Werkzeugversagen zu verhindern.
Virtuelle Welten bei Werkzeugen und Blechteilen
Bei der Auslegung von Umformwerkzeugen kann man heute auf eine ganze Reihe virtueller Werkzeuge zurückgreifen ebenso wie bei der Blechteilesimulation. Das biete in der Praxis eine Reihe handfester Vorteile, betont Professor Hoffmann: Durch die Blechteilesimulation kann die prinzipielle Herstellbarkeit von Tief- und Streckziehteilen sehr sicher vorausgesagt werden. Entwicklungsthema sei zur Zeit die exakte Simulation des elastischen Rücksprunges des Blechteils nach der Umformung sowie die Simulation des Schneidens.
Zur virtuellen Auslegung von Umformwerkzeugen und der Anwendung dieses Entwicklungswerkzeugs in der industriellen Praxis meint der Münchener Professor: Umformwerkzeuge werden in der Regel in 3-D konstruiert. Die simulative Auslegung durch mappen der Umformkräfte aus der Umformsimulation auf das Umformwerkzeug sowie die elastische Betrachtung von Werkzeug und Presse unter Last ist noch kein industrieller Standard und wird nur in Forschung und Entwicklung durchgeführt.
Nach seiner Einschätzung fehlen dafür zum Teil die Schnittstellen der verschiedenen Simulationstools. An der Entwicklung dieser Tools jedoch wird bereits gearbeitet: Etwa zur Jahresmitte 2007, so Hoffmann, wird hier am Lehrstuhl für Umformtechnik und Gießereiwesen eine Dissertation zu diesem Thema veröffentlicht.
In der Entwicklung sind derzeit auch durchgängige virtuelle CAE-Prozessketten, die es ermöglichen, hochautomatisiert die Simulationsergebnisse des Umformens gezielt zum Auslegen der Werkzeuge zu nutzen. Professor Hoffman zu den Möglichkeiten dieser Entwicklung: Eine virtuelle durchgängige CAE-Kette erlaubt die wesentliche Verkürzung des Produktentstehungsprozesses und damit eine schnellere Markteinführung von Produkten sowie eine Reduzierung möglicher Fehlerquellen während des Produktenstehungsprozesses. Damit lassen sich auch bei der Blechteileumformung industrielle Fertigungsprozesse erheblich optimieren und wesentlich effizienter gestalten.
Nun ist die virtuelle Welt in den Denkerstuben der Universitäten und Institute die eine Sache die industrielle Anwendung in der Praxis oft eine ganz andere. Zur Frage, ob sich denn bestehende Prozessschritte in die virtuelle Welt übertragen lassen und ob bereits praktische Anwendungen existieren, meint Professor Hartmut Hoffmann: Zur Simulation von Prozessen benötigt man leistungsfähige Hardware und geeignete FE-Simulationstools, die auf den Prozess abgestimmt sind. Wichtig ist eine korrekte Datenbasis, die in der Umformtechnik in der Regel das physikalische Verhalten der Werkstoffe und der Prozesse möglichst genau beschreibt. Eine Anwendung ist zum Beispiel die Umformsimulation.
Wirkmedienbasierte Umformung von IHU zum AHU?
Ein weiteres Thema in der Blechbearbeitung ist die wirkmedienbasierte Umformung: Das Innenhochdruck-Umformen (IHU) hat sich in vielen Anwendungsgebieten, z. B. in der Automobilindustrie, etabliert und verrichtet seinen Dienst in der Serienproduktion. Längst wird jedoch auch an anderen Verfahren der wirkmedienbasierten Umformung geforscht. Themen wie hydromechanisches Tiefziehen, HBU, AHU oder aktives Hydromec geistern durch die Fachpresse.
Wird das etablierte Innenhochdruck-Umformen demnächst vom Außenhochdruck-Umformen ergänzt gibt es einen Trend Von IHU zu AHU? Zum aktuellen Stand der wirkmedienbasierten Umformung meint Professor Hoffmann: IHU hat ein festes begrenztes Spektrum an Teilen, das sich kaum verändert. Dazu gehören Installationsteile, Auspuffteile oder Fahrwerkteile, usw. Das Außenhochdruck-Umformen AHU konnte sich industriell nicht durchsetzen und wird auch zukünftig nur eine Nische finden können. Es gibt in der Kfz-Industrie keine Teile in der Großserie.
So dürfte sich das bewährte Innenhochdruck-Umformen weitere Anwendungsgebiete erschließen. Neben der Automobilindustrie sind dies vor allem die Luft- und Raumfahrtindustrie und die Medizintechnik. Um die wirtschaftlichen Möglichkeiten dieser Technologien voll auszunutzen, gilt es auch hier, Prozesse weiter zu optimieren und Zykluszeiten zu reduzieren eine Herausforderung für Maschinenhersteller und Prozessentwickler.
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