Vierte DRV-Ernteschätzung 2022 - Drohende Versorgungsengpässe fordern die Logistik
(Berlin) - Die Gefahr weltweiter Versorgungsengpässe beim Getreide wird nach Einschätzung des Deutschen Raiffeisenverbandes (DRV) weiter zunehmen. Grund dafür ist, dass die Ernte in der Ukraine kriegsbedingt deutlich geringer ausfallen wird und das Getreide nicht verlässlich auf den Weltmarkt gelangt. "Aufgrund der Blockade der Schwarzmeerhäfen erreicht seit Ende Februar ukrainische Ware nur noch per Binnenschiff, Bahn und LKW den Weltmarkt. Auf diesen Wegen konnten bislang maximal eineinhalb Millionen Tonnen pro Monat ausgeführt werden. Bis zum Kriegsausbruch exportierte die Ukraine allerdings rund sechs Millionen Tonnen pro Monat per Schiff", erklärt DRV-Getreidemarktexperte Guido Seedler. Er erinnert daran: "Die Ukraine war bis zum russischen Überfall einer der wichtigsten Exporteure für Weizen, Mais und Sonnenblumenöl."
Alternative Exportmöglichkeiten stärken
Für eine sichere weltweite Getreideversorgung müssen alternative Exportmöglichkeiten und -routen gestärkt werden. Seedler: "Dafür müssen Zollformalitäten und Kontrollen an der polnisch-ukrainischen Grenze abgebaut werden." Garantien Russlands für sichere Transportrouten durch das Schwarze Meer hält der DRV für unglaubwürdig. Weiterhin muss die Logistik auch innerhalb Europas angepasst werden, damit die Ware zu den Verarbeitern und Seehäfen gelangen kann. "Hier müssen dringend alle Reserven mobilisiert werden.
Knapp versorgte Märkte sind auf eine schlagkräftige Logistik angewiesen, damit Mengen dorthin gelangen, wo sie gebraucht werden", macht Seedler deutlich.
Mit Sorge beobachtet der Verband auch die nationale Logistik. Seedler befürchtet, dass es in Deutschland durch fehlende LKW und Fahrer zu Verzögerungen beim Transport der Ernte zu den verarbeitenden Betrieben und den Exporthäfen kommen wird. Für Erleichterungen würden die Aufhebung des Sonntagfahrverbots und die Einführung eines maximalen LKW-Gewichts von 44 Tonnen sorgen.
Prognose: Mehr Brotweizen aus Deutschland
Trotz aller Anstrengungen werde es Lücken in der weltweiten Versorgung geben. "Diese können nach den gegenwärtigen Ernteprognosen nur von der Europäischen Union geschlossen werden", unterstreicht der DRV-Experte. Daher werde deutsches Getreide auf dem Exportmarkt sehr gefragt sein. "Nach unserer Einschätzung kann die deutsche Getreidewirtschaft dem Weltmarkt im kommenden Jahr mehr Brotweizen zur Verfügung stellen", erklärt Seedler. Derzeit geht der DRV von einer Getreideernte in Höhe von 43,2 Millionen Tonnen und einer Rapsernte von 3,8 Millionen Tonnen aus. Die Weizenernte wird mit 22,6 Millionen Tonnen und damit rund sechs Prozent über dem Vorjahr prognostiziert. In den Folgejahren werde sich die Getreideernte wegen der in der Gemeinsamen Agrarpolitik vorgesehenen Flächenstilllegung verringern. Seedler fordert daher ein Umdenken: "Solange wir verstärkt in der Verantwortung für den globalen Markt sind, muss die Flächenstilllegung ausgesetzt werden."
Ernte startet in zehn bis vierzehn Tagen
Der genossenschaftliche Getreidehandel erwartet mit Spannung den Beginn der diesjährigen Ernte, der in den Frühdruschgebieten bei der Wintergerste in zehn bis vierzehn Tagen erwartet wird. Für diese Kultur kalkuliert der Verband eine Erntemenge von 8,6 Millionen Tonnen. "Dies ist weniger als im Vorjahr und ist auf eine leicht gesunkene Anbaufläche zurückzuführen", betont Seedler.
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