Videoüberwachung & Co: DAV kritisiert geplante Neuregelung des PAG
(Berlin) - Die bayerische Staatsregierung möchte erneut das Polizeiaufgabengesetz (PAG) ändern - die Landespolizei soll die Befugnis für weitere empfindliche Grundrechtseingriffe erhalten. Der Deutsche Anwaltverein (DAV) kritisiert die beabsichtigten Neuerungen grundlegend, besonders im Bereich der Videoüberwachung und der automatisierten Datenauswertung. Das Berufsgeheimnis muss geschützt werden. Für neue Überwachungsinstrumente ist vor Erstellung einer Überwachungsgesamtrechnung überdies kein Raum.
Nach den Plänen der bayerischen Staatsregierung sollen öffentliche wie private Betreiber von Videoüberwachungsanlagen - unter anderem in öffentlichen Verkehrsmitteln und Amtsgebäuden oder in unmittelbarer Nähe hiervon - verpflichtet werden, die Aufzeichnungen auf Verlangen an die Polizei zu übermitteln. "Für den Zweck der Gefahrenabwehr ist so etwas nicht erforderlich", wie Rechtsanwalt Wilhelm Achelpöhler, Mitglied des DAV-Ausschusses Gefahrenabwehrrecht erläutert: "Beim nachträglichen polizeilichen Zugriff auf private, bereits existierende Überwachungsanlagen kann weder ein Abschreckungseffekt entstehen, noch eröffnet dies die Chance für ein schnelles Einschreiten."
Vielmehr ist eine problematische Ausweitung der Überwachung des öffentlichen Raums zu befürchten. "Bei einem massenhaften Zugriff auf nicht-polizeiliche Anlagen der Videoüberwachung würde eine Art 'optische Vorratsdatenspeicherung' geschaffen", mahnt Achelpöhler.
Bedenklich ist auch die angestrebte automatisierte Datenauswertung - unter Einsatz der umstrittenen Auswertungs- und Analysesoftware des US-Herstellers Palantir. "Die automatisierte Auswertung sämtlicher Polizeidatenbestände hat das Potential, dass auf diesem Wege 'auf Knopfdruck' Persönlichkeitsprofile von Bürgerinnen und Bürgern erstellt werden - das kann nicht im Sinne des Bundesverfassungsgerichts sein", betont der Rechtsanwalt. Die grundrechtliche Problematik, die mit der automatisierten Verknüpfung gigantischer Datenmengen einhergeht, werde zusätzlich dadurch verstärkt, dass die Funktionsweise der Algorithmen von Palantir und anderen Herstellern völlig im Dunkeln liegt.
Berufsgeheimnis schützen!
Die Daten von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten finden sich naturgemäß vielfach in den Datenbeständen der Polizei. Eine systematische Auswertung zur Gewinnung neuer Erkenntnisse verbietet sich mit Blick auf das zu schützende Vertrauensverhältnis zwischen Anwaltschaft und Mandantschaft.
Überwachungsgesamtrechnung muss vor weiteren Befugnissen stehen
Nicht zuletzt steht noch aus, im Rahmen einer sogenannten Überwachungsgesamtrechnung auf Bundesebene zu ermitteln, wie es um die gesamtgesellschaftliche Überwachungsbelastung steht: Das Bundesverfassungsgericht hatte den Gesetzgeber im Urteil zur Vorratsdatenspeicherung ermahnt, nicht nur die einzelne geplante Maßnahme zu betrachten, sondern auch die Gesamtheit und das Zusammenspiel mit den bereits bestehenden im Blick zu haben. Die Regierungsparteien hatten sich die Erstellung einer Überwachungsgesamtrechnung - eigentlich als Ziel bis 2023 - in den Koalitionsvertrag geschrieben. Bevor dies nicht umgesetzt ist, sollte der Gesetzgeber auf Landes- und Bundesebene bei der Einführung neuer Überwachungsinstrumente dringend Zurückhaltung walten lassen.
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