Pressemitteilung | Ärzte gegen Tierversuche e.V.

Viagra bei Schwangeren / 19 Babys sterben in klinischer Studie trotz zahlreicher vorausgehender Tierversuche

(Köln) - Wieder einmal gibt es einen tragischen Vorfall bei der Testung eines Medikaments in einer klinischen Studie. 19 Babys starben nach der Geburt, nachdem ihren schwangeren Müttern der Viagra Wirkstoff Sildenafil verabreicht wurde. Dieser sollte die Wachstumsstörungen der Ungeborenen verbessern. Der bundesweite Verein Ärzte gegen Tierversuche hält es für unverantwortlich, dass solch eine riskante Studie überhaupt zugelassen wurde, denn Tierversuche zu diesem Thema liefern seit vielen Jahren und bei unterschiedlichen Tierarten widersprüchliche Forschungsergebnisse.

In einer klinischen Studie, geleitet vom Universitätsklinikum Amsterdam und durchgeführt an 10 niederländischen Krankenhäusern, wurde Schwangeren der Wirkstoff Sildenafil (Handelsname Viagra) verabreicht. Die teilnehmenden Frauen litten unter einer Unterfunktion der Gebärmutter, was bei den ungeborenen Babys zu Wachstumsstörungen führt. Der Viagra-Wirkstoff sollte eine verbesserte Durchblutung der Plazenta bewirken und dadurch das Wachstum der Föten verbessern. Die Studie begann im Jahr 2015 und sollte planmäßig bis 2020 laufen. 93 Teilnehmerinnen wurde bereits der Wirkstoff verabreicht und es starben bislang 19 Säuglinge nach der Geburt - die meisten davon an Lungenproblemen, die mit höchster Wahrscheinlichkeit auf die Wirkstoff-Gabe zurückzuführen sind. Die missglückte Studie wurde abgebrochen.

Zur Wirksamkeit von Sildenafil während der Schwangerschaft werden seit langer Zeit etliche Tierversuche durchgeführt - an Ratten, Mäusen, Meerschweinchen, Schafen und Hühnern. Auch die Auswirkungen auf deren Nachwuchs wurden in zahlreichen tierexperimentellen Studien untersucht. Viele kamen zu dem Schluss, dass eine Gabe des Wirkstoffs in moderater Dosierung keine bedenklichen Folgen für die neugeborenen Tiere hat. "Dies ist wieder einmal ein tragisches Beispiel dafür, dass Tiere kein geeignetes Modell sind, um Medikamente für die Humanmedizin zu testen", so Dr. Ines Lenk, Gynäkologin aus Kitzscher bei Leipzig und Mitglied des erweiterten Vorstands von Verein Ärzte gegen Tierversuche. Der Verein fordert eine intensivere Förderung humanbasierter tierversuchsfreier Methoden, die zuverlässige Forschungsergebnisse liefern - gerade auch für die Sicherheit von Medikamenten.

Dass die Studie überhaupt durchgeführt werden durfte, ist laut Ärzte gegen Tierversuche schwer nachzuvollziehen, denn in der Fachliteratur häufen sich widersprüchliche Aussagen bezüglich der Auswirkung einer Sildenafil-Gabe in der Schwangerschaft. So gibt es Tierversuche, in denen Forscher eine schädliche Wirkung auf den Nachwuchs beobachtet haben, während andere Experimentatoren bei derselben Tierart und mit einem ähnlichen Versuchsaufbau die Gabe als sicher und unbedenklich einstuften. "Das ist ein Phänomen, das nicht nur auf den vorliegenden Fall zutrifft. Zu fast allen wissenschaftlichen Fragestellungen, die untersucht werden, findet man kontroverse Ergebnisse aus Studien, die bei ein und derselben Tierart durchgeführt worden sind, z.B. in Mäusen oder Ratten", sagt Dr. Tamara Zietek, Wissenschaftlerin bei Ärzte gegen Tierversuche, die selbst zuvor viele Jahre in der Forschung an deutschen Universitäten tätig war. "Es ist unverantwortlich, Menschen einem solchen Risiko auszusetzen, wenn man weiß, dass Tierexperimente völlig kontroverse Ergebnisse liefern, und viele davon sogar negative Folgen für den Nachwuchs aufzeigen."

Es ist nicht das erste Mal, dass ein Wirkstoff, der zuvor in zahlreichen Tierversuchen und in unterschiedlichen Tierarten getestet wurde, in der folgenden klinischen Humanstudie fatale Auswirkungen hat. Der Verein Ärzte gegen Tierversuche berichtet schon lange von solchen Fällen, in denen Medikamente, die in Tierexperimenten als sicher eingestuft wurden, für den Menschen nicht zugelassen werden - entweder, weil unerwartete zum Teil schwerwiegende Nebenwirkungen eintreten oder, weil die Wirksamkeit ausbleibt. Der Ärzteverein plädiert für eine tierversuchsfreie Forschung etwa mit Multiorganchips. So ist es der Universität Chicago gelungen, einen kompletten weiblichen Genitaltrakt im Miniformat auf einem Chip zu kreieren. Sinnvolle, humanrelevante Forschung ist auch an menschlichen Plazenten möglich, wie sie in Jena etabliert wurde.

Quelle und Kontaktadresse:
Ärzte gegen Tierversuche e.V. Pressestelle Goethestr. 6-8, 51143 Köln Telefon: (02203) 9040990, Fax: (02203) 9040991

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