Versorgungsqualität durch Klinikreform gefährdet
(Berlin) - Die Krankenhausreform gefährdet in ihrer aktuellen Form die Qualität der Versorgung von Diabetes-Patient:innen – und damit einhergehend auch deren Wundversorgung. „Wir brauchen eine Reform der Gesundheitsstrukturen, aber die Versorgungsqualität muss erhalten bleiben“, sagte Diabetes-Experte Prof. Dr. Ralf Lobmann vom Klinikum Stuttgart auf dem Dialogforum „Eine Stunde Wunde“ des Bundesverbandes Medizintechnologie (BVMed) am 24. September 2024. Er forderte, dass die Diabetologie eine gesonderte Leistungsgruppe werden müsse, um die Versorgungsqualität nicht zu gefährden.
Prof. Dr. Ralf Lobmann ist Leiter der Klinik für Endokrinologie, Diabetologie und Geriatrie am Klinikum Stuttgart. Seinen Angaben zufolge gibt es in Deutschland rund 9 Millionen Menschen mit Diabetes, weitere 2 Millionen wissen noch nichts von ihrer Erkrankung. Jede:r vierte Diabetiker:in bekomme im Laufe ihres/seines Lebens ein diabetisches Fußsyndrom. In Deutschland würden jährlich rund 200.000 solcher Fußläsionen entstehen, die meist in eine chronische Wunde übergehen. Bei Menschen mit Diabetes gelte jede Wunde ab dem ersten Tag als chronisch bzw. als komplex. Eine offene Fußwunde führe zu rund 20 Prozent der Krankenhaus-Einweisungen und zu rund 50 Prozent aller Krankenhaustage von Menschen mit Diabetes. Ein weiterer wichtiger Aspekt: Das diabetische Fußsyndrom ist die mit Abstand häufigste nicht-traumatisch bedingte Amputationsursache.
Wesentlich bei der Behandlung von Patient:innen mit chronischen Wunden ist aus Sicht Lobmanns eine gute Koordination der Versorgungspartner:innen und deren Maßnahmen. Moderne Wundauflagen seien dabei ein wertvolles Hilfsmittel für eine gute und rasche Wundheilung, aber dafür nicht allein entscheidend. Prof. Dr. Ralf Lobmann: „Entscheidend für die Wundheilung ist, dass ein ‚Kümmerer‘ sich verantwortlich fühlt. Idealerweise sind dies Arzt und Wundfachkraft bzw. Pflegekraft gemeinsam.“
Kritik an der Krankenhausreform
Eine große Krankenhausreform hält Diabetes-Experte Lobmann für erforderlich. Die Strukturen der Versorgung müssten stärker auf Kooperation und Vernetzung ausgerichtet werden. Dazu gehöre auch die verbindliche Lenkung von Patient:innenströmen. Die Krankenhausplanung müsse dem Ziel einer bedarfsgerechten Sicherstellung der Versorgung entsprechen, so Lobmann. Die Finanzierung der Krankenhäuser müsse durch ein neues Vergütungssystem sowie nachhaltige Investitionen in die Infrastruktur grundlegend reformiert und sichergestellt werden.
„Das Zielbild der Reform ist aber nicht mehr erkennbar“, kritisiert Lobmann. Eine Umstrukturierung ohne Bedarfs- und Auswirkungsanalyse berge die Gefahr, dass zukünftig eine flächendeckende, bedarfsgerechte medizinische Versorgung nicht mehr gewährleistet sei. Lobmann: „Die Auswirkungen der Reform auf die ärztliche Tätigkeit und insbesondere die Facharzt-Weiterbildung sind im Referentenentwurf nicht mitbedacht“. Die ärztlichen Personalvorgaben in den Leistungsgruppen und als Bemessungsgrundlage für die Mindestvorhaltezahlen seien zum Teil unrealistisch und praxisfern.
Die in Nordrhein-Westfalen beschriebene Leistungsgruppe „Komplexe Endokrinologie und Diabetologie“ führe dazu, dass Endokrinolog:innen die Diabetologie an deutschen Kliniken zukünftig hochhalten müssten. Es seien aber nur wenig Endokrinolog:innen in Deutschland überhaupt an Kliniken tätig, zumeist an Uni-Klinken. „Internist:innen mit Zusatzbezeichnung Diabetologie gehen nach diesen Planungen völlig unter“, bemängelt Lobmann. Im Ergebnis erfolge mit der Klinikreform nur eine Finanzreform, die in ihrer Ausgestaltung noch komplexer als das bestehende DRG-System sei und das Ziel einer Entökonomisierung nicht erfülle. Es gebe ein zunehmendes Spannungsfeld zwischen der steigenden Anzahl von Menschen mit Typ-1 und Typ-2 Diabetes und gegenläufigen Arztzahlen, da zahlreiche Ärzte in den kommenden Jahren in den Ruhestand gehen werden. Man benötige den Erhalt und Ausbau von diabetologisch-endokrinologischen Lehrstühlen sowie die Sicherstellung diabetologisch geführter Fachabteilungen in Kliniken.
Über „Eine Stunde Wunde“
Wundversorgung kann nur interdisziplinär funktionieren, daher muss auch der Diskurs dazu interdisziplinär sein. Aus diesem Grund hat der BVMed das Gesprächsformat „Eine Stunde Wunde“ ins Leben gerufen. Das virtuelle Forum diskutiert regelmäßig die unterschiedlichen Themen der Wundversorgung. „Wir streben einen möglichst breiten Austausch zwischen allen Beteiligten in der Behandlung, Pflege und Versorgung von Wunden an. Unser Fokus ist eine gezielte, praxisnahe Auseinandersetzung mit dem jeweiligen Thema, die sicherlich auch interessante Perspektivwechsel ermöglicht. Interessierte sind eingeladen, nicht nur daran teilzunehmen, sondern auch sich mit Themen einzubringen“, so BVMed-Wundexpertin Juliane Pohl, die das Forum moderierte.
Quelle und Kontaktadresse:
Bundesverband Medizintechnologie e.V. (BVMed), Manfred Beeres, Leiter(in), Georgenstr. 25, 10117 Berlin, Telefon: 030 246255-0, Fax: 030 246255-99