Verbot von Samen- und Eizellspenden fördert Kinderwunschbehandlungen im Ausland
(Frankfurt am Main) - Das österreichische Verbot von Samen- und Eizellspenden bei der künstlichen Befruchtung, verletze nicht das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Artikel 8 der Menschenrechtskonvention), stellte der Europäische Menschengerichtshof gestern fest. Aber er verletzt das Recht auf Gleichstellung aller Familienformen, den Schutz vor Diskriminierung sowie das Recht auf Informationen über und Zugang zu neuen medizinischen Behandlungsmethoden, so der pro familia-Bundesverband.
Problematisch sind die fehlenden internationalen Mindestnormen, die Eizellspenden regeln. Völlig unzureichend ist auch die Beratung von unfruchtbaren Paaren, die medizinische Hilfe im Ausland suchen. "Was wir brauchen, sind keine Verbote sondern internationale Qualitätsstandards für die Eizellspende. Dabei muss man die Interessen und Rechte wie auch die möglichen Schäden für Spenderinnen und Empfängerpaare abwägen", sagte Prof. Dr. Daphne Hahn, Vorsitzende des pro familia-Bundesverbands. "Frauen und Paare in Europa, die für eine Kinderwunschbehandlung ins Ausland reisen, bewegen sich in einem Spannungsfeld zwischen Autonomie und Illegalität. Sie benötigen unabhängige Informations- und qualifizierte Beratungsangebote".
Zwischen drei- und viertausend deutsche Paare gehen jährlich zu einer Fruchtbarkeitsuntersuchung ins Ausland, wie eine Expertise des pro familia-Bundesverbands feststellte*. Das häufigste Motiv ist dabei die Eizellspende. Diese Reisen sind für viele Paare der letzte Ausweg, um Verboten im eigenen Land zu umgehen. Im Zuge dessen gibt es viele Probleme, sei es, dass die Paare oft keine Möglichkeit haben, im Vorfeld die Qualitätsstandards im betreffenden Land zu prüfen, sei es, dass sie im Land kaum oder gar falsch informiert und schlecht oder gar nicht beraten werden.
Das Verbot in Österreich ist auch damit begründet, dass ungewöhnliche Familienkonstellationen vermieden werden sollten und eine mögliche Ausbeutung der Eizellspenderinnen befürchtet wird. Gerade das Verbot fördert aber die Nachfrage im Ausland. Pro familia befürchtet, dass sich Frauen aus ärmeren Ländern der gesundheitsbelastenden Prozedur der Eizellspende aussetzen, weil sie auf das Geld angewiesen sind.
Der Europäische Menschenrechtsgerichtshof hat dennoch in seiner Urteilsbegründung festgestellt: "In den Mitgliedsstaaten des Europarates ist heute ein klarer Trend zu verzeichnen, Keimzellspenden zum Zweck der In-vitro-Fertilisation zu erlauben". In vielen Ländern gibt es aber keine Regelung von Fragen wie: Spenden Frauen "überzählige" Eizellen im Kontext einer künstlichen Befruchtung oder unterziehen sie sich ausschließlich für Dritte einer Eizell-entnahme? Gibt es eine Aufwandsentschädigung und wie hoch ist sie? Bleibt die Eizell-Spenderin anonym bzw. welchen Status hat sie? Diese Fragen gilt es zu beantworten. Ein Verbot führt in der Sache nicht einen Schritt weiter.
*Expertise Reproduktives Reisen, pro familia-Bundesverband 2008 [Link zur Expertise des pro familia-Bundesverbands Reproduktives Reisen]
Quelle und Kontaktadresse:
pro familia Deutsche Gesellschaft für Familienplanung, Sexualpädagogik und Sexualberatung e.V., Bundesverband
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