VATM: EU-Kommission spricht Klartext Diskussion um Regulierungsferien schadet dem Ansehen Deutschlands / Kommissarin Reding droht mit Vertragsverletzungsverfahren und schlägt europäische Regulierungsbehörde vor
(Brüssel/Berlin) - Die für Informationsgesellschaft und Medien zuständige EU-Kommissarin Viviane Reding hat im Vorfeld der für den 29. Juni vorgesehenen Veröffentlichung des EU-Review gestern Abend (27. Juni 2006) bei einer Veranstaltung des BITKOM in Brüssel klargestellt, in welche Richtung die künftige europäische Telekommunikationspolitik gehen soll. Gleichzeitig übte sie scharfe Kritik an der in Deutschland geführten Diskussion um Regulierungsferien für den Glasfaserausbau der Telekom.
Die EU-Kommission hat offenbar größte Sorge, dass die groß angelegte und fast perfekte Verkaufsstrategie des deutschen Ex-Monopolisten massiven Einfluss auf ein Gesetzgebungsverfahren haben könnte, das Signalwirkung für ganz Europa hat, bewertet VATM-Geschäftsführer Jürgen Grützner die gestrigen Äußerungen von Reding.
Wenn die Deutsche Telekom es tatsächlich schafft, die ohnehin anstehende Modernisierung ihres Netzes und die lange geplante strategische Ausweitung der Wertschöpfungskette um Medieninhalte und Triple Play als politisch schützenswerte Internet-Innovation zu verkaufen, kann man die Sorgen der Kommission verstehen. Viele Politiker haben die damit verbundenen dramatischen Auswirkungen auf den Wettbewerb und den Wirtschaftsstandort Deutschland bereits erkannt.
In Brüssel fordert die Deutsche Telekom unisono mit anderen europäischen Ex-Monopolisten seit Wochen massiv Regulierungsferien und droht, Netzmodernisierungen nicht mehr vorzunehmen. Das ist nicht nur absurd, weil gerade der Wettbewerb wie etwa bei DSL diese Modernisierung notwendig gemacht hat, sondern führt letztlich zu einem Kompetenzverlust von Politik und Regulierer in Deutschland, fürchtet Grützner.
Die EU-Kommission mache jetzt Ernst mit ihrem Vorhaben, den Wettbewerb auf den europäischen Telekommunikationsmärkten zu fördern. Faire und gemeinschaftsweit gleiche Bedingungen für alle Marktteilnehmer sollen nach den Aussagen von Reding über eine europäische Regulierungsbehörde gewährleistet werden.
Deutschland drohe neben dem Verlust von Kompetenzen nach Brüssel auch noch ein Vertragsverletzungsverfahren, sollte das TKG-Änderungsgesetz in der aktuellen Fassung verabschiedet werden, so der VATM-Geschäftsführer. Zum wiederholten Male habe Reding gestern deutlich gemacht, dass die EU-Kommission einen zeitweisen Regulierungsverzicht, gleich wie lang dieser wäre, nicht akzeptieren werde. Dies aus gutem Grund: Investitionen in die TK-Infrastruktur würden über das Festschreiben des Paragraphen 9a erschwert oder sogar verhindert. Das gelte insbesondere für neue Marktteilnehmer. Auch habe der deutsche Regulierer bereits klar zum Ausdruck gebracht, dass er diesen Paragraphen für überflüssig hält.
Zudem taugt nach Auffassung der Kommission der US-amerikanische Telekommunikationsmarkt, der von vielen europäischen Incumbents gerne ob seiner liberalen Regulierung gelobt wird, nicht als Vergleichsmarkt, führt Grützner weiter aus. Frau Reding hat gestern eindrucksvoll die beiden wesentlichen Unterschiede herausgestellt. Zum einen wurde zum Beginn der Liberalisierung im Jahr 1984 der damalige Monopolist AT&T in kleine Gesellschaften zerschlagen, zum anderen besteht in den USA echter Wettbewerb zwischen Kabelnetz- und DSL-Anbietern. Gerade von letzterem kann in Deutschland überhaupt keine Rede sein. Im Gegenteil, die Wettbewerbssituation gegenüber den schwächeren Kabelnetzbetreibern würde sogar noch massiv zugunsten des ohnehin marktbeherrschenden Unternehmens verbessert, warnt Grützner abschließend.
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