Urteil zum Kfz-Massenabgleich muss Folgen haben
(Bonn) - Das Bundesverfassungsgericht hat am gestrigen Dienstag (11. März 2008) den heimlichen und verdachtslosen Abgleich von Kfz-Kennzeichen mit polizeilichen Fahndungsdateien für verfassungswidrig erklärt. Die Beschwerdeführer begrüßen das Urteil und fordern auch von den nicht unmittelbar betroffenen Bundesländern (Bayern, Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz) die Abschaffung ihrer entsprechenden, zu weit gehenden Ermächtigungen. Darüber hinaus bedeutet das Urteil nach unserer Überzeugung das endgültige Aus für Pläne, an Flughäfen oder Bahnhöfen beliebige Menschen unter Verwendung biometrischer oder anderer Verfahren mit Fahndungsdateien abzugleichen oder zu orten.
Dem gestrigen (11. März 2008) Urteil des Bundesverfassungsgerichts zufolge sind die Vorschriften über den Kfz-Massenabgleich zu unbestimmt und gehen unverhältnismäßig weit. Anders als von den Ländern gewollt, darf der massenhafte Abgleich von Nummerschildern nicht ohne besonderen Anlass routinemäßig vorgenommen werden. Wörtlich heißt es in dem Urteil: "Die automatisierte Erfassung von Kraftfahrzeugkennzeichen darf nicht anlasslos erfolgen oder flächendeckend durchgeführt werden. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne ist im Übrigen nicht gewahrt, wenn die gesetzliche Ermächtigung die automatisierte Erfassung und Auswertung von Kraftfahrzeugkennzeichen ermöglicht, ohne dass konkrete Gefahrenlagen oder allgemein gesteigerte Risiken von Rechtsgutgefährdungen oder verletzungen einen Anlass zur Einrichtung der Kennzeichenerfassung geben."
Als einer der erfolgreichen Beschwerdeführer gibt der Datenschutzexperte und Bürgerrechtler Roland Schäfer zu bedenken: "Die vorliegende Entscheidung korrigiert nur eine der zahlreichen überzogenen gesetzlichen Eingriffsbefugnisse. Andere Befugnisse werden nicht oder nicht erfolgreich vor den Verfassungsgerichten angefochten. Es ist daher dringend geboten, dass sich Bürger vermehrt zusammenschließen, um auch auf der politischen Ebene diesen machthungrigen Staat in seine Grenzen zu verweisen."
Der Jurist Patrick Breyer, der den schleswig-holsteinischen Landtag vergeblich vor der Einführung des verfassungswidrigen Kfz-Massenabgleichs gewarnt hatte, erklärt: "Das gestrige (11. März 2008) Urteil ist ein Armutszeugnis für die Landesregierungen von CDU, CSU und SPD, denen die Unvereinbarkeit dieser Regelung mit unserer Verfassung bekannt sein musste. Wir brauchen Verbesserungen des Gesetzgebungsverfahrens, um die Besorgnis erregende Zunahme verfassungswidriger Gesetze zu bremsen."
Die dem gestrigen (11. März 2008) Urteil zugrunde liegenden Verfassungsbeschwerden richteten sich gegen das hessische und das schleswig-holsteinische Polizeigesetz, die beide den zügellosen Einsatz automatischer Kennzeichenlesegeräte erlaubten, um Fahrzeuge zu melden, nach denen gefahndet wird. Der automatisierte Kfz-Kennzeichenmassenabgleich erfolgte heimlich und ohne Anlass. Ein solches massenhaftes Stochern im Nebel behandelt jeden Autofahrer wie einen potenziellen Straftäter und legt den Grundstein für einen immer umfangreicheren maschinellen Abgleich der Bevölkerung mit polizeilichen Datenbanken. Konkrete mit den Geräten erzielte Erfolge waren kaum zu vermelden. Auch wenn die Polizei versichert, sie habe kein Interesse an den Daten der Verkehrsteilnehmer, für die keine Fahndungsnotierung vorliegt, so werden zunächst doch alle Verkehrsteilnehmer durchgesiebt. Allein durch die Möglichkeit automatischer Verkehrsüberwachung wird psychischer Druck erzeugt, der geeignet ist, die allgemeine Handlungs- und Bewegungsfreiheit zu beschränken.
Der Kfz-Kennzeichenmassenabgleich stellt im Kern einen Präzedenzfall einer allgemeinen, heimlichen und anlasslosen Überwachung der Bevölkerung dar. Wäre eine generelle, verdachtslose Kennzeichenüberwachung zugelassen worden, wäre der Überwachung der gesamten Bevölkerung durch permanenten Abgleich mit allen polizeilichen Fahndungsdateien Tür und Tor eröffnet worden. Solchen Überwachungsvorhaben hat das Bundesverfassungsgericht einen Riegel vorgeschoben und damit unseren Freiheitsrechte erneut einen großen Dienst erwiesen.
Alle drei Beschwerdeführer wurden durch den Freiburger Datenschutzexperten und Rechtsanwalt Dr. Kauß vertreten.
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