Urteil des Bundesverfassungsgerichts / Tarifeinheitsgesetz in weiten Teilen verfassungswidrig / Statement von Rudolf Henke, 1. Vorsitzender des Marburger Bundes, zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts in Sachen Tarifeinheitsgesetz:
(Berlin) - Das Tarifeinheitsgesetz ist teilweise verfassungswidrig. Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts hat das Gesetz heute auf die Intensivstation gelegt und selbst schon mit der Intensivbehandlung begonnen. Wesentliche Regelungen des Gesetzes sind mit der Koalitionsfreiheit in Artikel 9 Absatz 3 Grundgesetz nicht vereinbar und müssen korrigiert werden. Das Verfassungsgericht gibt dem Gesetzgeber bis Ende 2018 Zeit, entweder das Gesetz entsprechend nachzubessern oder ganz aufzugeben.
Das Bundesverfassungsgericht hat klargestellt, dass der Gesetzgeber kein Recht hat, gezielt gegen bestimmte Gewerkschaften vorzugehen und verlangt deshalb weitreichende Schutzvorkehrungen, um auch die Rechte berufsspezifischer Gewerkschaften zu wahren. Insofern vertraut der Marburger Bund darauf, auch in Zukunft im vollen Umfang seine gewerkschaftlichen Aufgaben wahrnehmen zu können.
Mit dem heutigen Urteil wird der gewerkschaftliche Wettbewerb ausdrücklich geschützt. Das schließt auch das Streikrecht ein, weil es Teil dieser Wettbewerbsordnung aus Artikel 9 Absatz 3 Grundgesetz ist. Wer gehofft hatte, dass mit dem Tarifeinheitsgesetz das Streikrecht der Gewerkschaften geschleift wird, muss diese Hoffnung begraben. Das Streikrecht bleibt unangetastet.
In seiner Urteilsbegründung folgt das Verfassungsgericht an entscheidenden Stellen unserer Argumentation. Schon jetzt steht fest: Das Gesetz zur Tarifeinheit wird nicht die Wirkung entfalten können, die sich seine Befürworter von ihm versprochen haben. Die vom Verfassungsgericht verlangte Remedur ist ein Erfolg unserer Verfassungsbeschwerde gegen das Gesetz.
Auch wenn unsere Verfassungsbeschwerde nicht zu einer völligen Aufhebung des Gesetzes geführt hat, sehen wir uns durch die jetzt formulierten Spielregeln ermutigt, weiterhin uneingeschränkt von unserem Grundrecht zur Gestaltung der Arbeits- und Wirtschaftsbeziehungen Gebrauch zu machen.
Mit anderen Worten: Der Marburger Bund wird auch in Zukunft als eigenständige Gewerkschaft Tarifverträge mit Arbeitgebern im Gesundheitswesen vereinbaren. Das Koalitionsgrundrecht ist weiterhin "für jedermann und für alle Berufe gewährleistet", wie es in Artikel 9 Absatz 3 Grundgesetz heißt.
Unsere Mitglieder können sich darauf verlassen, dass der Marburger Bund für sie weiterhin eigenständig und unabhängig Tarifverträge vereinbaren und ihre Interessen gegenüber den Arbeitgebern uneingeschränkt wahrnehmen wird.
Wir werden nun in den nächsten Wochen das Urteil und die Urteilsbegründung eingehend analysieren und beraten, ob und welche organisationspolitischen Konsequenzen der Marburger Bund daraus zieht.
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