Unternehmensnahe Dienstleister im Norden bleiben kräftigster Job-Motor / 38.400 neue Arbeitsplätze geschaffen, weitere 20.000 geplant / Steigender Bedarf an Abiturienten und Akademikern / Dienstleister heute krisenfester als vor sieben Jahren
(Hamburg) - "Der unternehmensnahe Dienstleistungssektor in Norddeutschland befindet sich nach wie vor auf stabilem Wachstumskurs und bleibt kräftigster Job-Motor im Norden. Die Folgen der globalen Finanzmarktkrise wirken sich bislang nur gering auf die überwiegend mittelständischen Unternehmen aus." Dies erklärten Dr. Hans Fabian Kruse, Präsident des AGA Unternehmensverbandes Großhandel, Außenhandel, Dienstleistung e.V., und Nikolaus von der Decken, Geschäftsführer von Creditreform Hamburg, auf der Basis der Konjunkturanalyse für den norddeutschen Dienstleistungssektor "DiNo 2008" am 11. Dezember 2008 vor Journalisten in Hamburg.
Seit nunmehr sechs Jahren erheben der AGA Unternehmensverband und Creditreform Hamburg systematisch Konjunkturdaten für den norddeutschen Dienstleistungssektor. In Zusammenarbeit mit dem Verband für Groß-, Außenhandel und Dienstleistungen Niedersachsen e.V. (GVN) wurden zum zweiten Mal Dienstleister aus ganz Niedersachsen in die Analyse einbezogen. An der Umfrage, die im Okt. 2008 durchgeführt und durch eine Blitzumfrage Anfang Dez. aktualisiert wurde, haben sich über 1.000 Dienstleistungsunternehmen aus Bremen, Hamburg, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein beteiligt.
Im unternehmensnahen Dienstleistungssektor wurden in den ersten neun Monaten des Jahres rund 38.400 neue Arbeitsplätze geschaffen. Das entspricht einem Beschäftigungsplus von 3,4 Prozent. Die Personalpläne sind weiterhin nach oben gerichtet. 2009 wollen die norddeutschen Dienstleister ihre Belegschaften um durchschnittlich weitere 1,9 Prozent aufstocken. Konkret bedeutet dies die Schaffung von weiteren 20.000 neuen Stellen.
Im Durchschnitt aller Branchen erzielten die Unternehmen in den ersten 9 Monaten des Jahres ein Umsatzplus von 4,8 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Die Gewinnsituation hat sich gegenüber dem Vorjahr geringfügig verschlechtert. Die Mehrheit der Unternehmen blickt zuversichtlich ins Jahr 2009, auch wenn die Umsatz- und Gewinnerwartungen angesichts der aktuellen Entwicklung leicht nach unten korrigiert werden dürften.
Der DiNo-Indikator, der die Einschätzung der gegenwärtigen und erwarteten Absatz- und Ertragslage zusammenfasst, ist um neun Punkte gesunken. Er weist jetzt einen Stand von 129 Punkten auf. Werte über 100 sind Ausdruck einer relativ guten, Werte unter 100 Ausdruck einer relativ schlechten Geschäftslage.
Innerhalb des Dienstleistungssektors haben sich die einzelnen Branchen unterschiedlich entwickelt. Einzig im Bereich der Informationstechnologie hat sich das Geschäftsklima weiter verbessert, der Teilindikator ist um fünf Punkte gestiegen und weist jetzt einen Stand von 143 Punkten auf. In den Bereichen Finanzdienstleistungen, Logistik und Marketing/Medien sind die Teilindikatoren um rund 14 Punkte gesunken. Weniger stark war der Rückgang in den Bereichen Facility-Management und Service, der unter anderem Personaldienstleister, Catering-Unternehmen und Labore umfasst.
Die größte Beschäftigungsdynamik weisen die Unternehmen aus dem Bereich der Informationstechnologie auf, zu denen unter anderem Systemhäuser, Internetdienstleister, Telekommunikationsanbieter und Rechenzentren zählen. Nach einem Beschäftigungsplus von 3,8 Prozent im laufenden Jahr wollen die Unternehmen in dieser Sparte ihre Belegschaften 2009 um weitere 4,5 Prozent aufstocken. Trotz Finanzkrise wollen alle befragten IT-Dienstleister an ihren Personalplänen festhalten.
Auch die Bereiche Finanzdienstleistungen, Marketing/ Medien und Service weisen 2008 eine überdurchschnittliche Beschäftigungsentwicklung auf. Die Unternehmen in diesen Bereichen planen, ihre Belegschaften 2009 zwischen 1,7 und 2 Prozent aufzustocken. Die Firmen des Facility-Management erweiterten 2008 ihre Belegschaften um 2,8 Prozent. Die Beschäftigungspläne für 2009 liegen mit 0,9 Prozent unter dem Durchschnitt.
Eine deutliche Trendwende in der Beschäftigung zeigt der Logistiksektor. Während die Belegschaften 2008 noch um 3,5 Prozent aufgestockt wurden, planten die Unternehmen für 2009 noch im Oktober nur einen leichten Beschäftigungsabbau von 0,2 Prozent. Angesichts der in den letzten Wochen stark rückläufigen Auftragseingänge wollen jetzt nur noch 18 Prozent der Logistikdienstleister ihre Investitions- und Personalpläne unverändert umsetzen. Hinzu kommen die Kostenbelastung durch die Erhöhung der Lkw-Maut im Januar, die in der jetzigen Situation kaum vollständig an die Kunden weitergereicht werden kann.
"Der Fachkräftemangel droht zur Wachstumsbremse für die unternehmensnahen Dienstleister zu werden," befürchtet Kruse. Denn es werde auch bei einer allgemeinen Abkühlung der Konjunktur immer schwieriger, Fach- und Nachwuchskräfte zu finden. "Unsere Dienstleister beschäftigen fast ausschließlich gut ausgebildete Mitarbeiter", erläutert der AGA-Präsident. Im Durchschnitt aller Dienstleistungsgruppen verfügen 65 Prozent der Beschäftigten über eine abgeschlossene Berufsausbildung, 29 Prozent über einen Hochschul- oder Universitätsabschluss. Nur sechs Prozent der Mitarbeiter sind un- oder angelernte Kräfte. In den kommenden fünf Jahren wird der Anteil der Akademiker auf 33 Prozent steigen, der Einsatz an unqualifizierten Kräften wird sinken. 2013 werden nur noch vier Prozent der Beschäftigten im unternehmensnahen Dienstleistungssektor ohne Berufsausbildung sein.
Auch in der Berufsausbildung sind laut Kruse die Anforderungen vor allem in den kaufmännischen Berufen sehr hoch. Nur elf Prozent der Auszubildenden im unternehmensnahen Dienstleistungssektor sind Hauptschüler, 50 Prozent haben die Realschule oder die höhere Handelsschule abgeschlossen, 39 Prozent sind Abiturienten. In den kommenden fünf Jahren wird der Anteil der Abiturienten in der Berufsausbildung auf 43 Prozent steigen, der Anteil der Hauptschüler wird auf neun Prozent sinken. "Hauptschüler werden in Zukunft immer schlechtere Ausbildungschancen haben. Es zählt deshalb zu den wichtigsten Aufgaben unserer Gesellschaft, die Qualität der Schulbildung zu steigern", fordert der AGA-Präsident. "Wir müssen sicherstellen, dass alle lernschwachen Schüler ausbildungsfähig sind und dass leistungsstarke Schüler bestmöglich gerüstet sind für anspruchsvolle Ausbildungen in den Betrieben, Hochschulen und Universitäten."
Als kontraproduktiv bewertet der AGA-Präsident das "vorweihnachtliche Wunschkonzert" an konjunkturpolitischen Forderungen, das derzeit von allen Seiten ertönt. "Wir brauchen eine Politik, die Vertrauen und Zuversicht schafft," sagte Kruse. "Mit Abschaffung des Solidaritätszuschlages würde dieses Ziel erreicht. Das würde sofort alle Steuerzahler entlasten, und zwar auch über den Tag hinaus. Es wäre auch das Signal an den Bürger, mehr selbstverantwortlich handeln zu können."
"Die derzeitige Wirtschaftslage bietet auch Chancen für unternehmensnahe Dienstleister", sagte von der Decken. Während Logistikunternehmen - mangels zu transportierender Ware - und Marketing- und Medienunternehmen - mangels zu werbender Kunden - bereits heute die Krise deutlich spürten, würden die Unternehmen der Informationstechnologie vom erhöhten Rationalisierungsdruck und Modernisierungsbedarf in vielen Wirtschaftsbereichen profitieren. "Darüber hinaus haben viele Dienstleister die richtigen Konsequenzen aus der letzten Krise gezogen, die durch das Platzen der Internetblase 2001 ausgelöst wurde," stellte von der Decken fest. "Die Unternehmen sind heute krisenfester als vor sieben Jahren. Deshalb rechnen wir nicht mit wesentlichen Entlassungen."
Zahlen zum unternehmensnahen Dienstleistungssektor in Norddeutschland:
In Norddeutschland gibt es derzeit rund 113.800 unternehmensnahe Dienstleister, in denen ca. 1.075.000 Pers. arbeiten. Das sind 16 Prozent aller Beschäftigten des unternehmensnahen Dienstleistungssektors in Deutschland. In Hamburg sind 252.300 Pers. im Bereich der Unternehmens-Dienstleistung tätig. In Schleswig-Holstein sind es rund 161.400 Personen, in Niedersachsen rund 494.900, in Bremen rund 90.400 und in Mecklenburg-Vorpommern rund 76.000 Personen.
Nach diesen Zahlen sind sowohl in Hamburg als auch in Bremen überdurchschnittliche viele Mitarbeiter im unternehmensbezogenen Dienstleistungssektor tätig. In Hamburg liegt der Anteil der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten über 28 Prozent, in Bremen sind es 23 Prozent. In Mecklenburg-Vorpommern sind es 17 Prozent, in Schleswig-Holstein 14 Prozent und in Niedersachsen 13 Prozent. Im Bundesdurchschnitt arbeiten 15 Prozent aller Beschäftigten im unternehmensbezogenen Dienstleistungssektor.
Beschäftigungsentwicklung 2008 und Personalpläne 2009 nach Regionen:
Von den rund 38.400 Arbeitsplätzen, die 2008 im norddeutschen Dienstleistungssektor geschaffen wurden, entfallen 8.700 auf Hamburg (+3,4 Prozent), 7.300 auf Schleswig-Holstein (+4,6 Prozent), 4.500 auf Bremen (+4,9 Prozent), 17.300 auf Niedersachsen (+3,5 Prozent) und 600 auf Mecklenburg-Vorpommern (+0,8 Prozent). Damit weisen Bremen und Schleswig-Holstein das stärkste relative Beschäftigungswachstum auf. Das Schlusslicht bildet Mecklenburg-Vorpommern.
2009 wird es den stärksten relativen Beschäftigungszuwachs mit einem Plus von 3,1 Prozent in Hamburg geben. Das sind rechnerisch 7.700 neue Stellen. Die Dienstleister in Bremen planen, ihre Belegschaften um durchschnittlich 2,8 Prozent aufzustocken, das entspricht 2.500 neuen Arbeitsplätzen. Die Dienstleister in Schleswig-Holstein wollen ihre Belegschaften um 2,2 Prozent aufstocken, das bedeutet konkret 3.600 neue Arbeitsplätze. Die Dienstleister in Niedersachsen planen 5.900 neue Stellen, das ist ein Plus von 1,2 Prozent. Deutlich unter dem norddeutschen Durchschnitt wird sich die Beschäftigung mit einem Plus von 0,4 Prozent in Mecklenburg-Vorpommern entwickeln. Die Dienstleister planen dort, per Saldo rund 300 neue Mitarbeiter einzustellen.
Quelle und Kontaktadresse:
AGA Unternehmensverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistung e.V.
Dr. Holger Eisold, Leiter, Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit
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