Unternehmensnahe Dienstleister bleiben kräftigster Job-Motor im Norden / 47.500 neue Arbeitsplätze geschaffen, mehr als 20.000 Stellen für 2012 geplant / Fachkräftemangel entwickelt sich zur Wachstumsbremse
(Hamburg) - "Der unternehmensnahe Dienstleistungssektor ist und bleibt der kräftigste Job-Motor im Norden. In den ersten zehn Monaten des Jahres haben die überwiegend kleinen und mittelgroßen Unternehmen 47.500 neue Arbeitsplätze in den fünf Küstenländern geschaffen. Trotz der Verunsicherung durch die Staatsschuldenkrise wollen die Unternehmen 2012 mehr als 20.000 neue Mitarbeiter einstellen. Allerdings erweist sich der Fachkräftemangel zunehmend als Wachstumsbremse." Dies erklärten Dr. Hans Fabian Kruse, Präsident des AGA Unternehmensverbandes, und Nikolaus von der Decken, Geschäftsführer von Creditreform Hamburg, auf der Basis der Konjunkturanalyse für den norddeutschen Dienstleistungssektor "DiNo 2011" heute vor Journalisten in Hamburg.
"Die Staatsschuldenkrise ist die Antwort der Finanzmärkte auf den fiskalpolitischen Schlendrian praktisch aller Euro-Staaten", erklärte der AGA-Präsident. Mit der aktuellen Schuldenquote von 81 Prozent des BIP verstoße auch Deutschland gegen das Maastricht-Kriterium. Angesichts der guten wirtschaftlichen Lage und sprudelnder Steuerquellen sei jetzt der richtige Zeitpunkt für den Schuldenabbau. "Die von der Bundesregierung geplante Neuverschuldung von 26 Milliarden Euro für 2012 ist das falsche Signal, die Schuldenkrise entschlossen überwinden zu wollen. Damit sind wir kein Vorbild für Stabilität in Europa. Euro-Bonds würde unseren Partnern in Griechenland, Italien und Spanien den Druck nehmen, die nur schwer durchsetzbaren, aber zwingend notwendigen Reformschritte mit aller Konsequenz anzupacken", erklärte Kruse. Das wäre ein großes Risiko für die Stabilität in ganz Europa. "Wir sollten aber nicht nur auf andere zeigen, sondern selber unsere Hausaufgaben machen."
Im Durchschnitt aller Branchen erzielten die unternehmensnahen Dienstleister in den ersten zehn Monaten des Jahres ein Umsatzplus von 5,4 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Die Gewinnsituation hat sich leicht verbessert. Die Geschäftserwartungen für 2012 sind zuversichtlich. Für das erste Halbjahr erwarten die Unternehmen im Durchschnitt aller Branchen Umsatzsteigerungen von 2,9 Prozent, für das zweite Halbjahr sogar von 3,6 Prozent. Der DiNo-Indikator, der die Einschätzung der gegenwärtigen und erwarteten Absatz- und Ertragslage zusammenfasst, ist um drei Punkte gestiegen. Er weist jetzt einen Stand von 134 Punkten auf.
Im Durchschnitt aller Branchen haben die norddeutschen Dienstleister ihre Belegschaften im laufenden Jahr um 3,5 Prozent aufgestockt. Die Personalpläne für 2012 sehen ein weiteres Plus von 1,7 Prozent vor. Konkret sind das 23.700 neue Stellen. Spitzenreiter beim Beschäftigungswachstum ist mit einem Plus von 5,0 Prozent der Bereich Informations-technologie. 2012 wollen die IT-Dienstleister ihre Belegschaften um weitere 3,4 Prozent auf-stocken. Zum IT-Bereich zählen u. a. Systemhäuser, Internetdienstleister, Telekommunikations-anbieter und Rechenzentren. Mit einem Zuwachs von 4,7 Prozent entwickelte sich auch die Beschäftigung im Bereich Service überdurchschnittlich - dazu zählen u.a. Labore, Caterer und Personaldienstleister. 2012 sollen die Belegschaften um weitere 2,0 Prozent aufgestockt werden. "Damit weisen gerade solche Dienstleister die höchste Beschäftigungsdynamik auf, die ihren Kunden aus Industrie, Handel und Handwerk Lösungen anbieten, um Geschäftsabläufe zu optimieren, Kosten zu senken und Flexibilitätsspielräume zu erweitern", erläuterte Kruse. Unterdurchschnittlich entwickelte sich die Beschäftigung mit einem Plus von 0,6 Prozent bei den Finanzdienstleistern. Für 2012 planen die Firmen in dieser Sparte, ihre Belegschaften um weitere 1,5 Prozent aufzustocken.
"Der Kampf um die besten Köpfe erreicht jetzt auch den unternehmensnahen Dienstleistungssektor. Es wird immer schwieriger, offene Stellen mit qualifizierten Mitarbeitern zu besetzen," erklärte von der Decken. Derzeit sucht mehr als jedes dritte Unternehmen im Norden Fachkräfte. Überdurchschnittlich hoch ist der Fachkräftebedarf mit 43 Prozent in Bremen, gefolgt von Mecklenburg-Vorpommern (39 Prozent), Hamburg (37 Prozent) und Niedersachsen (36 Prozent). In Schleswig-Holstein geben 32 Prozent der Firmen an, Fachkräfte zu suchen. Die Auswertung nach Branchen zeigt einen überdurchschnittlichen Bedarf an Fachkräften in den Bereichen Informationstechnologie (42 Prozent), Service (40 Prozent) und Logistik (39 Prozent). Unter dem Durchschnitt liegt der Fachkräftebedarf bei den Finanzdienstleistern mit 28 Prozent.
Ein Indikator für den Fachkräftemangel ist der Zeitbedarf, der erforderlich ist, um offene Stellen mit geeigneten Bewerbern zu besetzen. Zur Beurteilung kann der Unterschied zwischen dem durchschnittlichen und dem aktuellen Zeitbedarf bei der Suche nach Fachkräften herangezogen werden, erläuterte von der Decken.
Derzeit würde es mehr als 14 Wochen dauern, bis eine qualifizierte Position besetzt ist, das seien 5,6 Wochen länger als die durchschnittliche Suchdauer. Besonders deutlich zeige sich der Fachkräftemangel im Bereich der Informationstechnologie. Während dort die durchschnittliche Suchdauer 11 Wochen betrüge, seien es derzeit 24 Wochen. Überdurchschnittlich verschärft habe sich der Fachkräftemangel auch im Bereich Marketing/Medien. Derzeit würde es mit 15 Wochen mehr als doppelt so lange dauern, vakante Positionen zu besetzen.
Die regionale Auswertung zeigt, dass es vor allem in den Flächenländern Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern schwierig geworden ist, offene Positionen zu besetzen. Die aktuelle Suchdauer beträgt 16 Wochen, durchschnittlich sind es rund 9 Wochen. Die geringsten Probleme, Fachkräfte zu finden, haben die Dienstleister in Bremen. Dort dauert es mit knapp 12 Wochen nur rund 2 Wochen länger als im Durchschnitt, qualifizierte Bewerber zu finden.
Zahlen zum unternehmensnahen Dienstleistungssektor in Norddeutschland:
In Norddeutschland gibt es derzeit rund 146.900 unternehmensnahe Dienstleister, in denen ca. 1.343.000 Personen arbeiten. Das sind 17 Prozent aller Beschäftigten des unternehmensnahen Dienstleistungssektors in Deutschland.
In Hamburg sind 322.000 Personen im Bereich der Unternehmens-Dienstleistung tätig. In Schleswig-Holstein sind es rund 203.000 Personen, in Niedersachsen rund 618.000, in Bremen
rund 110.000 und in Mecklenburg-Vorpommern rund 89.000 Personen.
Sowohl in Hamburg als auch in Bremen sind überdurchschnittlich viele Mitarbeiter im unter-nehmensnahen Dienstleistungssektor tätig. In Hamburg liegt der Anteil der sozialversicherungs-pflichtig Beschäftigten über 35 Prozent, in Bremen sind es 30 Prozent. In Mecklenburg-Vorpommern sind es 20 Prozent, in Schleswig-Holstein und in Niedersachsen jeweils 19 Prozent. Im Bundesdurchschnitt arbeiten 21 Prozent aller Beschäftigten im unternehmensnahen Dienstleistungssektor.
Beschäftigungsentwicklung 2011 und Personalpläne 2012 nach Regionen:
Den kräftigsten relativen Beschäftigungsanstieg weisen 2011 Bremen mit 4,3 Prozent, Hamburg mit 4,1 Prozent und Schleswig-Holstein mit 3,9 Prozent auf. Konkret sind das 4.700 Arbeitsplätze in Bremen, 13.300 in Hamburg und 8.000 in Schleswig-Holstein. In Niedersachsen sind es mit einem Plus von 3,3 Prozent 20.300 neue Stellen. Schlusslicht bei der Beschäftigungsbilanz 2011 ist Mecklenburg-Vorpommern mit einem Zuwachs von 1,8 Prozent, das entspricht 1.600 neuen Stellen.
2012 wird Hamburg die größte Beschäftigungsdynamik aufweisen. Die Dienstleister in Hamburg planen ihre Belegschaften um durchschnittlich 2,6 Prozent aufzustocken, das entspricht rund 8.300 neuen Stellen. Die Unternehmen in Schleswig-Holstein wollen ihr Personal um 1,6 Prozent aufstocken, das entspricht 3.300 neuen Stellen. Die Dienstleister in Niedersachsen planen ein Beschäftigungsplus von 1,5 Prozent, das entspricht 9.500 neuen Arbeitsplätzen. In Bremen sind es mit einem Plus von 1,4 Prozent 1.500 neue Stellen. Die Unternehmen in Mecklenburg-Vorpommern wollen ihre Belegschaften um 1,2 Prozent ausweiten, das sind 1.100 neue Stellen.
DiNo-Umfrage:
Seit nunmehr neun Jahren erheben der AGA Unternehmensverband und Creditreform Hamburg systematisch Konjunkturdaten für den norddeutschen Dienstleistungssektor. An der Umfrage, die im Oktober 2011 durchgeführt wurde, haben sich 1.015 Dienstleistungsunternehmen aus Bremen, Hamburg, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein beteiligt.
Quelle und Kontaktadresse:
AGA Norddeutscher Unternehmensverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistung e.V.
Pressestelle
Kurze Mühren 2, 20095 Hamburg
Telefon: (040) 308010, Telefax: (040) 30801107