Unisex-Tarife machen Versicherungen teurer
(Köln) - Am 30. April 2004 wird der Deutsche Bundestag das Alterseinkünftegesetz beschließen, das in erster Linie die zukünftige Besteuerung von Einkünften der Bürger im Rentenalter regeln soll. In diesem Gesetz soll nach einer Absprache der Koalitionsfraktionen zusätzlich geregelt werden, dass es ab dem Jahr 2006 bei sogenannten Riester-Renten nur noch Unisex-Tarife geben darf, d. h. Frauen und Männer sollen gleichhohe Versicherungsprämien zahlen.
Die Deutschen Aktuare halten dies für problematisch: Auf diese Weise käme es zwangsläufig zu einer fühlbaren Verteuerung dieser Produkte. Die Aktuare hoffen deshalb, dass dies noch nicht das letzte Wort ist und in den entscheidenden Beratungen des Bundesrates noch Änderungen möglich sind.
Die Deutschen Aktuare haben bei der Kalkulation von Versicherungsprodukten auf die dauerhafte Finanzierbarkeit eines Versicherungsvertrages zu achten. Das heißt, Leistung und Gegenleistung müssen übereinstimmen. Deshalb müssen Versicherungsbeiträge risikogerecht sein. Der Verbraucher sollte beim Abschluss eines Vertrages darauf vertrauen können, dass er nicht unangemessen hohe Beiträge zahlt oder andere Gruppen mit seinem Beitrag subventioniert.
Die Differenzierung nach unterschiedlichen Risiken wird natürlich nicht willkürlich vorgenommen, sondern folgt statistisch gesicherten Erkenntnissen zum jeweiligen Schadenverlauf. Insbesondere in der Personenversicherung ist ein wichtiges Differenzierungsmerkmal das Geschlecht: Frauen zahlen für manche Versicherungsprodukte einen höheren Versicherungsbeitrag als Männer und umgekehrt, weil die Schadenverläufe statistisch gesichert unterschiedlich sind. Es gibt hier also weder eine Diskriminierungsabsicht noch besteht faktisch eine Diskriminierung.
Die Diskussion wird derzeit in erster Linie am Beispiel der privaten Rentenversicherung geführt, bei der in Deutschland Frauen einen höheren Beitrag zahlen, weil sie eine höhere Lebenserwartung haben und somit auch länger Rentenbeiträge erhalten. Sie müssen also für das Mehr an Leistung auch ein Mehr an Beitrag zahlen. Ähnlich ist es in der privaten Krankenversicherung, wo zusätzlich noch mögliche Schwangerschaften in die Bewertung mit einfließen. Andererseits geht in der Diskussion vielfach unter, dass es auch umgekehrte Beispiele gibt: Weil ihre Lebenserwartung höher ist, zahlen Frauen bei der Risikolebensversicherung niedrigere Beiträge. Auch in der Autoversicherung gibt es verbreitet billigere Frauentarife.
Die Aktuare haben bei Risikoeinschätzungen alle objektivierbaren und aussagekräftigen Kriterien heranzuziehen. Ein Verzicht auf die Verwendung des Merkmals Geschlecht bedeutet daher einen wichtigen Informationsverlust. Dieser kann zwar zum Teil durch die Verwendung bestimmter Zusatzinformationen ausgeglichen werden. Dabei sind soziodemografische Informationen, die sich im Laufe des Lebens verändern können, in der Regel jedoch nur schlecht objektivierbar. Man wird also bei der Unisexkalkulation auf Hypothesen über die zukünftige Bestandszusammensetzung angewiesen sein. Dies ist in einem privatwirtschaftlichen System mit freiwilliger Mitgliedschaft und der Möglichkeit von Wanderungsbewegungen und Antiselektion ein schwerwiegender Unsicherheitsfaktor.
Deshalb kann nach Auffassung der DAV der Unisex-Beitrag nicht der Durchschnittsbeitrag der beiden geschlechtsspezifischen Beiträge sein: Vielmehr müsste er in einem privatwirtschaftlichen System mit freiwilliger Mitgliedschaft von vorneherein höher angesetzt werden als der Durchschnittsbeitrag.
Dies bedeutet: Unisex-Tarife sind aktuariell rechenbar und machbar. Sie führen allerdings nicht zu den erhofften Kundenvorteilen. Im Gegenteil: Die von allen Versicherten aufzubringenden Beitragsleistungen sind bei Unisex-Tarifen in jedem Fall höher als bei einem geschlechtsspezifischen Tarifsystem. Erste Berechnungen z.B. bei Riester-Verträgen zeigen, dass diese ohnehin kostenmäßig relativ höher belasteten Produkte mit Unisex-Tarifen insbesondere für Männer nicht mehr attraktiv wären.
Quelle und Kontaktadresse:
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