Pressemitteilung | WWF Deutschland (World Wide Fund for Nature)

Umweltorganisationen und Gewerkschaften protestieren gegen Ministerbriefe an OBI: Landesregierungen greifen mit Einschüchterungsversuchen in den Holzmarkt ein

(Frankfurt) - Die Umweltorganisationen BUND, Greenpeace, NABU, Robin Wood und WWF sowie die Gewerkschaften IG BAU und IG Metall haben sich heute in gemeinsamen Offenen Briefen an den bayerischen Forstminister Josef Miller, die baden-württembergische Forstministerin Gerdi Staiblin und den thüringischen Forstminister Dr. Volker Sklenar gewandt. Darin fordern sie die Minister auf, weitere staatliche Interventionen gegen unabhängige Unternehmensentscheidungen für das internationale Wald-Ökosiegel des Forest Stewardship Council (FSC) zu unterlassen. Die Forstminister der drei Bundesländer hatten im März mit offiziellen Ministerbriefen in ungewöhnlich scharfer Form versucht, Druck auf den geschäftsführenden Gesellschafter der Baumarktkette OBI, Manfred Maus, auszuüben. Darin hatten sie das Unternehmen unverblümt aufgefordert, seine Entscheidung für Holzprodukte mit dem FSC-Siegel zurückzunehmen. Die Umweltorganisationen und Gewerkschaften bezeichnen diese Aktion als einen bisher einmaligen Vorgang in der Geschichte der Wald- und Holzzertifizierung in Deutschland. Sie rufen in weiteren gemeinsamen Offenen Briefen die Ministerpräsidenten der drei Bundesländer auf, diese staatlichen Eingriffe ihrer Minister in die freie Marktwirtschaft zu unterbinden.

"Wenn Minister den Unternehmen auf offiziellem Briefpapier mitteilen, wie sie ihre Verkaufsregale zu bestücken haben, ist das im Kern eine neue Form der staatlichen Bevormundung", sagt Dr. Georg Schwede, Geschäftsführer der Umweltstiftung WWF-Deutschland. "Und wenn auf diese Weise ökologisch ausgerichtete Unternehmensentscheidungen gekippt werden sollen, schreiten wir ein." Die Minister sprechen in ihren Briefen von Marktverzerrungen und der Diskriminierung deutscher Waldbesitzer durch den FSC. Mit dem Hinweis auf über 500.000 Waldbesitzer, die sicher auch Kunden bei OBI seien, lässt zum Beispiel der bayerische Forstminister indirekt die Möglichkeit eines Boykotts durchblicken. In einer anderen Passage ihrer Schreiben werfen die Minister OBI vor, gegen die Interessen der deutschen Waldbesitzer zu handeln und machen das Unternehmen für einschneidende Konsequenzen in der gesamten Holz- und Forstwirtschaft verantwortlich, sofern es bei seiner pro-FSC-Entscheidung bliebe.

"Mit Polemik und Falschinformationen sowie Drohgebärden gegen Großkunden wie OBI schaden die Minister den deutschen Waldbesitzern mehr als sie ihnen nützen. FSC ist für alle Waldbesitzer offen, funktioniert international und bietet denen, die mitmachen, schon heute einen Marktvorteil", sagt NABU-Präsident Jochen Flasbarth.

Zur Zeit versuchen Waldbesitzerverbände in Deutschland und Europa gegen das erfolgreiche und international funktionierende Zertifikat des FSC ein eigenes Erzeugersiegel unter dem Namen PEFC (Pan European Forest Certification) aufzubauen. Die großen deutschen Umweltorganisationen unterstützen FSC und haben sich einheitlich gegen PEFC in der jetzigen Form ausgesprochen. Nach ihren Analysen werden die ökologischen Faktoren beim PEFC-System deutlich geringer gewichtet und die Entscheidungsfindung ist im Gegensatz zu FSC so angelegt, dass soziale und Umweltbelange immer überstimmt werden können. Der Grundsatz der Agenda 21, der eine gleichwertige Berücksichtigung der ökonomischen, ökologischen und sozialen Gesichtspunkte festschreibt, wird von den Ministern in ihren Briefen an OBI angegriffen und als Fremdbestimmung der Waldbesitzer gegeißelt. Diese Haltung stößt bei bei den Gewerkschaften auf absolutes Unverständnis: "Damit haben Miller, Staiblin und Sklenar offenbart, dass sie die anerkannten Prinzipien der Nachhaltigen Entwicklung von Rio ablehnen und damit die Zeichen der Zeit nicht verstanden haben", sagt Gisbert Schlemmer, Sonderbeauftragter Internationales für die Holz- und Kunststoffbranchen in der IG Metall.

Ein Argument, das oft von den Waldbesitzerverbänden angeführt und von den Ministern in ihrem Anschreiben kritiklos übernommen wurde, zielt darauf ab, dass die FSC-Zertifizierung nur für große Waldflächen geeignet sei und Besitzer kleiner Waldflächen finanziell überfordere. "Die Minister wurden entweder schlecht beraten oder sie verfolgen die gezielte Irreführung von Unternehmen und Öffentlichkeit", resümiert Martin Kaiser, Leiter der Waldkampagne bei Greenpeace Deutschland. "Denn die kostengünstige Gruppenzertifizierung macht das FSC-Siegel auch für den kleinen Waldbesitz erschwinglich." Die FSC-Gruppenzertifizierung ermöglicht die gemeinsame Durchführung des Verfahrens für verschiedene Waldbesitzer unterschiedlicher Größen und damit eine Aufteilung der einmalig anfallenden Kosten. Sie wurde bereits in Schweden und der Schweiz, aber auch in Rheinland-Pfalz, erfolgreich umgesetzt.

Die einseitige staatliche Förderung des PEFC-Siegels seitens der drei südlichen Landesregierungen, sei es politisch, strukturell oder finanziell, gerät immer mehr ins Kreuzfeuer der Verbändekritik. Beispiele wie die organisatorische Unterstützung einer PEFC-Veranstaltung im April 1999 in Würzburg durch Personal der bayrischen Landesregierung oder die kostenlose Zuarbeit der drei betreffenden Landesforstverwaltungen im geplanten PEFC-Zertifizierungsprozess wird von den Verbänden eindeutig als versteckte Subvention gewertet. "Wer danach PEFC als billiger und deshalb besser propagiert, versucht, die Öffentlichkeit für dumm zu verkaufen", sagte Dr. Helmut Klein, Waldexperte des BUND " Es ist an der Zeit, dass sich Wettbewerbshüter für diesen Fall interessieren.“

Hinweis: Die kompletten Texte aller sechs gemeinsamen Offenen Briefe der beteiligten Organisationen sind über die Homepage des WWF unter der Adresse http://www.wwf.de als PDF-Dateien abrufbar!

Quelle und Kontaktadresse:
Pressekontakt: Dr. Helmut Klein, BUND, Tel. 08152-2344 Martin Kaiser, Greenpeace, Tel. 0171-87 80 817 Christoph Heinrich, NABU, Tel. 0228/4036-163 Dr. Rudolf Fenner, Robin Wood, Tel. 040-3909556 Nina Grieshammer, WWF, Tel. 069-79144-194 Jörg Dalibor, IG Bauen, Agrar, Umwelt, Tel. 069-957 37 665 Gisbert Schlemmer, IG Metall, Tel. 0211-770 32 12; Quelle WWF

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