Umfrage im Gesundheitswesen: Trotz Verbot übertreten Ärzte die selbst gesetzten Standesregeln / Kaum Unrechtsbewusstsein bei der Gewährung und Annahme von Geldgeschenken in den Geschäftsbeziehungen
(Berlin) - Die Antikorruptionsorganisation Transparency International Deutschland e.V. fordert die konsequente Durchsetzung der Berufsordnung der Ärzte. Eine jüngst veröffentlichte Meinungsumfrage bei 1.141 Ärzten, Kliniken und Rehaeinrichtungen, Pflegeheimen und Nicht-Ärztlichen Leistungserbringern des Economy & Crime Research Center der Universität Halle-Wittenberg, die im Auftrag des Spitzenverbandes der Gesetzlichen Krankenkassen erstellt wurde, weist darauf hin, dass es vor allem bei den Ärzten im Gesundheitswesen kaum Unrechtsbewusstsein zur Annahme von "Provisionen\" und anderen Vorteilen beim Überweisen von einem Arzt an einen anderen oder an Kliniken oder an andere ärztliche Leistungserbringer gibt. Dies ist angesichts der immer noch nicht aufgearbeiteten Skandale um die sogenannten "Fangprämien\" zwischen Ärzten und Krankenhäusern völlig inakzeptabel. Der wirtschaftliche Schaden und der Vertrauensverlust für die Versicherten und die Patienten sind enorm.
Anke Martiny, Vorstandsmitglied von Transparency Deutschland: "Wir fordern seit langem Transparenz in den Geschäftsbeziehungen der ärztlichen Leistungserbringer. Angesichts der Umfrageergebnisse fordern wir die Ärztekammern, Kassenärztlichen Vereinigungen und die Krankenhausgesellschaften dringend zu ernsthaften Anstrengungen auf, die ambulanten und stationären Leistungserbringer besser zu informieren und die Einhaltung der Berufsordnung anhand ihrer standesrechtlichen Befugnisse konsequent durchzusetzen\".
Die Umfrage kommt zu folgenden Ergebnissen:
1. Jeder zehnte befragte freiberufliche Arzt, sogar jeder fünfte der Verantwortlichen in Kliniken, Pflege-, Reha- und Kurheimen sowie jeder sechste in der Gruppe der nicht-ärztlichen Leistungserbringer gaben an, die einschlägigen gesetzlichen Regelungen (§ 31 der Musterberufsordnung für Ärzte und § 128 II SGB V) nicht zu kennen oder daran nicht interessiert zu sein. Diese Regelungen verbieten, für die Zuweisung an andere Ärzte, Kliniken und nicht-ärztliche Leistungserbringer ein Entgelt entgegen zu nehmen oder einen anderen Vorteil zu fordern, sich oder einem Dritten versprechen oder gewähren zu lassen. Die Vorschriften sind eindeutig und bindend. Gleichwohl fühlen sich die Beteiligten über sie nicht ausreichend informiert, verstehen sie als "bloße Handlungsorientierung\" oder "praxisferne Regelung\".
2. Zwar hält die große Mehrheit der Befragten eine Verknüpfung von Zuweisungen mit wirtschaftlichen Vorteilen für verboten, und es herrscht auch Konsens, dass die Nachteile solcher Vergünstigungen die Vorteile überwiegen. Dennoch glauben laut der Umfrage 14 Prozent der Ärzte, 24 Prozent der Kliniken, 46 Prozent der nicht-ärztlichen Leistungserbringer, dass es sich um eine gängige Praxis handelt; immerhin weitere 35 Prozent der befragten Ärzte stimmen dieser Meinung "teilweise zu\". Bei allen Fragen bewerteten die Ärzte ihr Verhalten günstiger, als es die nicht-ärztlichen Leistungserbringer und die Kliniken tun.
3. Die nicht-ärztlichen Leistungserbringer und, zu einem geringeren Anteil, die Kliniken gaben an, dass sie von Ärzten zum Gewähren von Vorteilen gedrängt wurden. Drei Viertel der nicht-ärztlichen Leistungserbringer beziffern den erlittenen wirtschaftlichen Schaden auf durchschnittlich 14 Prozent des Jahresumsatzes.
4. Die "Kosten in Form von Entdeckungsrisiken\" sind als "relativ gering\" zu veranschlagen. In der Wahrnehmung der Befragten liegen die "Kosten für den Berufsstand und für das Gesundheitssystem in relativ weiter Entfernung\". Deshalb holen nach eigenen Angaben nur 11 Prozent der Ärzte Rat bei der Ärztekammer ein, und lediglich 3 Prozent fragen bei der Clearingstelle nach.
5. 42 Prozent der Ärzte antworteten, dass sie kaum durch ihre Ärztekammer informiert wurden, 16 Prozent fühlten sich durch sie überhaupt nicht informiert. Ähnliches gilt für die kassenärztlichen Vereinigungen. Auch aus Sicht der Kliniken und anderen stationären Einrichtungen erscheint der Informationsfluss durch die Ärztekammer nicht besser, sondern eher schlechter. 40 Prozent antworteten, dass sie durch die Ärztekammer kaum und sogar 30 Prozent meinten, überhaupt nicht informiert zu werden. Bemerkenswert ist, dass dieses Thema offenbar auch zu selten von den Krankenhausgesellschaften aufgegriffen wird: 28 Prozent berichteten über keine und 37 Prozent nur über wenige Informationen.
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