Türkei: Angriffe auf Anwaltschaft inakzeptabel
(Berlin) - Der Deutsche Anwaltverein (DAV) blickt mit zunehmender Sorge auf die Situation der Anwaltschaft in die Türkei. Rechtsstaatliche Prinzipien wie das Recht auf Verteidigung und die Unabhängigkeit der Anwaltschaft werden wiederholt unter Vorwänden ausgehebelt. Gemeinsam mit zahlreichen weiteren internationalen Anwaltschafts- und Menschenrechtsorganisationen hat der DAV nun ein Statement unterzeichnet, welches die internationale Gemeinschaft um Unterstützung bittet.
„Als Teil der internationalen Anwaltschaft verurteilt der DAV alle Versuche der türkischen Regierung, rechtsstaatliche Prinzipien zu beschädigen“, betont Rechtsanwalt Stefan von Raumer, Präsident des DAV. „Die freie Ausübung des Anwaltsberufs ist durch internationale Konventionen geschützt, insbesondere durch die UN-Grundprinzipien über die Rolle der Rechtsanwälte und die Europäische Menschenrechtskonvention.“
Demokratie, Rechtsstaat und Anwaltschaft unter Druck
In den vergangenen Wochen haben sich die alarmierenden Ereignisse verdichtet: Der freigewählte Bürgermeister Istanbuls, Ekrem İmamoğlu, wurde abgesetzt und verhaftet. Im Anschluss an friedliche Proteste gegen diese Maßnahmen wurden über 2.000 Menschen festgenommen – darunter zahlreiche Journalistinnen und Journalisten. Fernsehsender wurden sanktioniert, wenn sie über die Demonstrationen berichtet haben.
Mehmet Pehlivan, der Anwalt İmamoğlus, wurde vorübergehend inhaftiert und sieht sich nun einem Strafverfahren ausgesetzt, verbunden mit einem Ausreiseverbot. „Das ist ein eklatanter Angriff in die Rechte der Verteidigung“, mahnt Rechtsanwältin Gül Pinar, Mitglied des DAV-Ausschusses Strafrecht. „Verteidigung ist kein Verbrechen – sie ist ein unverzichtbarer Bestandteil jeder rechtsstaatlichen Ordnung.“
Auch der gesamte Vorstand der Istanbuler Anwaltskammer wurde seines Amtes enthoben, was der DAV unmittelbar danach bereits scharf verurteilt hat. „Ein solcher Vorgang ist nicht nur institutionell alarmierend, sondern auch ein nicht hinnehmbarer Versuch politischer Einflussnahme auf die anwaltliche Selbstverwaltung“, betont der DAV-Präsident.
Gemeinsames Statement
Eine Koalition aus Anwaltschafts- und Menschenrechtsorganisationen betont in einem gemeinsamen Statement: „Die eskalierenden Angriffe der türkischen Behörden auf die Istanbuler Anwaltskammer, ihre Führung und die Mitglieder der Anwaltschaft sind ein Affront gegen die Unabhängigkeit der Anwaltschaft und die Rechtsstaatlichkeit.“
Die Unterzeichnenden rufen die internationale Gemeinschaft zur Unterstützung auf: Erreicht werden sollen die Verfahrenseinstellungen gegen die Führung der Istanbuler Anwaltskammer und die Freilassung aller Rechtsanwälte, die zu Unrecht wegen ihrer beruflichen Tätigkeit inhaftiert sind. Die Instrumentalisierung der Justiz zur Einschüchterung der Anwaltschaft und anderer Organisationen ist zu verurteilen. Schließlich sollen internationale Mechanismen (über Europarat, EU, Vereinte Nationen) in Gang gesetzt werden, um die Unabhängigkeit der Anwaltschaft in der Türkei zu wahren.
Quelle und Kontaktadresse:
Deutscher AnwaltVerein e.V. (DAV), Littenstr. 11, 10179 Berlin, Telefon: 030 7261520