Trotz UNICEF-Turbulenzen: Die Deutschen spenden fleißig weiter / Fundraiser sehen dennoch die Zeit für bessere Spendenethik gekommen
(Frankfurt am Main) - Die Turbulenzen um das Deutsche Komitee für UNICEF haben das Spendenverhalten der Bevölkerung weniger verändert als ursprünglich befürchtet. Eine Umfrage des Deutschen Fundraising Verbands unter seinen Mitgliedern ergab, dass nach Beginn intensiver Berichterstattung in den Medien über angebliche Verschwendung von Spendengeldern zwar die Telefone bei den Hilfswerken nicht stillstanden. Doch vor allem die kleineren Organisationen haben die Zweifel in der Öffentlichkeit dank der engen Bindung ihrer Förderer ohne Spendeneinbrüche überstanden. Die Mehrzahl der befragten Spendenexperten gab an, dass die von ihnen betreuten Hilfswerke als Lehre aus der Transparenzdebatte um UNICEF ernsthafte Anstrengungen unternähmen, ihre Finanzen und deren Verwendung durchsichtiger zu machen.
Bei der Umfrage des Berufsverbands im Februar und März 2008 haben sich 193 professionell tätige Spendenexperten zum Teil sehr detailliert dazu geäußert, wie sie aus ihrer persönlichen Sicht als Fundraiser die Vorgänge um UNICEF beurteilen, welche Konsequenzen die von ihnen betreuten Organisationen daraus gezogen haben und was der Berufsverband tun soll, um das Vertrauen der Förderer in das Fundraising zu stärken.
Bei der Beurteilung der Vorgänge um UNICEF überwog die Empörung der Spendenexperten über das Verhalten der Organisation. Knapp die Hälfte der Befragten bezeichnete die Krise um UNICEF als hausgemacht, ein Viertel kritisierte ausdrücklich die Öffentlichkeitsarbeit der Organisation, die mit Bezeichnungen wie "unprofessionell", "dilettantisch" und "miserabel" beschrieben wurde. Weniger als ein Zehntel der Befragten war der Meinung, es sei alles nicht so dramatisch wie in den Medien dargestellt. Etwa die gleiche Zahl Experten wirft den Medien vor, sich im Spendenwesen und der Finanzierung gemeinwohlorientierter Tätigkeit nicht gut auszukennen und angebliche Verfehlungen hochzuspielen.
Schlecht weg kommen bei einer Minderheit Spendenwächter wie das Deutsche Zentralinstitut für soziale Fragen (DZI), dem vorgeworfen wird, mit dem Entzug des Spenden-Siegels bei UNICEF zulange gewartet zu haben. Andere bemängeln, dass das Siegel nur auf Druck der Öffentlichkeit entzogen worden sei. Etwa zwei Drittel der Spendenexperten fordern eine bessere Aufklärung der Öffentlichkeit über Verwaltungs- und Werbungskosten spendenabhängiger Organisationen des gemeinnützigen Sektors. Professionelles Fundraising gibt es nicht zum Nulltarif, alles müsse bezahlt werden, und die Ausgaben gerade großer Organisationen für die Gewinnung neuer Förderer wüchsen. Einige Teilnehmer der Umfrage warfen dem DZI vor, die Effizienz der Arbeit von Hilfswerken allzu schematisch an den Verwaltungs- und Werbungskostenanteilen zu messen. Eine sture Anwendung dieses Maßstabs halte der Realität nicht stand.
Knapp die Hälfte der Umfrageteilnehmer gab an, die Vorgänge um UNICEF hätten so gut wie keine Auswirkungen auf das Verhalten der Förderer der von ihnen betreuten Organisationen. Trotzdem bestätigte etwa ein Drittel der Antwortenden, dass die Öffentlichkeitsarbeit der Organisationen und das Auskunftsverhalten gegenüber kritischen Fragestellern verstärkt auf Transparenz ausgerichtet worden seien. Einige der Befragten zeigten sich erfreut, dass ihnen dank UNICEF die Überzeugungsarbeit für einen offeneren Umgang mit den Spendern viel leichter falle. Fundraising-Agenturen und -Berater zeigten sich erleichtert, dass sie ihren Auftraggebern in den Hilfswerken die Arbeit auf Provisionsbasis nicht mehr ausreden müssten, weil sie freiwillig auf diese Art der Bezahlung verzichteten; Spendenexperten innerhalb von Organisationen begrüßten die nunmehr erleichterte Argumentation gegen Provisionszahlungen gegenüber Vorständen. Nur eine kleine Minderheit hält unbegrenzte anteilige Erfolgshonorierung für gerechtfertigt.
Die Geschäftsführerin des Deutschen Fundraising Verbands Silvia Starz kündigte an, dass der Verband die Bemühungen seiner Mitglieder um Transparenz nachhaltig unterstützen und die Öffentlichkeit über die Bedingungen, unter denen heute Mittel für gute Zwecke beschafft werden, aufklären werde. Keine Rücksicht werde man dabei auf schwarze Schafe nehmen.
Mit der Diskussion um UNICEF wird sich auch der vom Deutschen Fundraising Verband veranstaltete Deutsche Fundraising-Kongress vom 16. bis 18. April im Kultur- und Kongresszentrum Fulda befassen. Bei der Auftaktveranstaltung am Mittwoch, 16. April, um 19:00 Uhr diskutieren der Soziologe und Autor des Buches Goldkinder, Professor Dr. Thomas Druyen, Burkhard Gnärig, Geschäftsführer des Berlin Civil Society Center, Dr. Hans-Joachim Preuß, Generalsekretär der Deutschen Welthungerhilfe, Rupert Neudeck, Vorsitzender Friedenskorps Grünhelme, Stephan Hebel, Textchef der Frankfurter Rundschau, und Patrick Tapp, Vizepräsident des Deutschen Direktmarketing Verbands, und Kai Fischer, Vorsitzender des Ausschusses für eine gute, ethische Fundraising-Praxis, über die Frage Spendenwerbung um jeden Preis?
Quelle und Kontaktadresse:
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