Pressemitteilung | Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e.V. (VDMA)

Tiefgreifende Staatsreform jetzt, um Lähmung in Deutschland zu überwinden

(Hannover) - Der Maschinen- und Anlagenbau in Deutschland fordert von der künftigen Bundesregierung eine tiefgreifende Staatsreform, die dringend benötigt wird, um die industrielle Wettbewerbsfähigkeit im internationalen Vergleich wieder zu steigern. „Deutschland ist aktuell mangels Orientierung wie gelähmt und diesen Zustand müssen wir ganz schnell beenden. Dazu bedarf es einer übergreifenden, konzertierten Aktion aller: Die Politik muss handeln, es braucht spürbare Reformen. Die Unternehmen müssen ihren Beitrag leisten und mutig den technologischen Wandel in den eigenen Häusern angehen. Und die Bevölkerung muss ihren Teil beitragen und wieder mehr Leistungsbereitschaft zeigen“, forderte VDMA-Präsident Bertram Kawlath vor Medienvertretern auf der Hannover Messe 2025.

„Leider weisen die Koalitionsverhandlungen von Union und SPD derzeit in die falsche Richtung, der Reformeifer verblasst schon wieder, bevor er so richtig begonnen hat. Doch der industrielle Mittelstand braucht dringend niedrigere Unternehmenssteuern von maximal 25 Prozent, um international wettbewerbsfähig zu bleiben. Der Arbeitsmarkt muss flexibilisiert werden, und wir warten händeringend auf den versprochenen drastischen Abbau der Bürokratie beispielsweise durch eine Vereinfachung und Reduzierung der Berichtspflichten“, betonte Kawlath. Wie viel Geld, Zeit und Kraft die Bürokratielasten insbesondere kleine Unternehmen kosten, zeigt eine neue Studie der IMPULS-Stiftung des VDMA. Der im Rahmen dieser Studie durchgeführte Tiefenschnitt in ein kleines Unternehmen brachte eine Bürokratiekostenbelastung von 6,3 Prozent des Umsatzes zu Tage – ein Wert, der über der Bruttoumsatzrendite liegt. „Das kann und darf nicht so bleiben“, betonte Kawlath.

Sozialstaat zu schwerfällig und zu teuer

Der VDMA-Präsident forderte die Politik daher auf, vor vermeintlichen Tabus nicht zurückzuschrecken. „Unser Sozialstaat ist zu teuer und zu schwerfällig geworden im internationalen Vergleich. Wir müssen wieder mehr und länger arbeiten – allein schon, um die demografische Lücke auszugleichen“, betonte er. „Höhere Mindestlöhne müssen erst erwirtschaftet werden, bevor sie ausbezahlt werden können. Und wer glaubt, mit einem Tariftreuegesetz den Standort stärken zu können, hat noch nicht begriffen, wie groß der bereits angerichtete Schaden durch immer mehr bürokratische Auflagen ist.“ Die Innovationskraft des deutschen und europäischen Maschinen- und Anlagenbaus sei weiterhin groß genug, um zum Beispiel den globalen Klimawandel erfolgreich zu bekämpfen. Aber es gebe nachvollziehbare Gründe, warum auch im Maschinenbau vermehrt Investitionen im Ausland zu Lasten des Inlands getätigt werden. „Wir brauchen daher ein echtes Standort-Upgrade – und zwar schnell“, forderte Kawlath.

Konjunkturerholung allenfalls mit schwacher Dynamik

Die Maschinenproduktion in Deutschland ist im Jahr 2024 real um 7,2 Prozent gesunken und damit etwas geringer als vom VDMA prognostiziert (minus 8 Prozent). Die Kapazitätsauslastung lag im Januar 2025 bei 78 Prozent; das heißt, dass viele Unternehmen sich in einer deutlichen Unterauslastung befinden, weil es an ausreichend neuen Aufträgen fehlt und Auftragsbestände vielerorts aufgezehrt sind. „Wir gehen nach wie vor davon aus, dass der Tiefpunkt der Produktionsentwicklung im Verlauf des ersten Quartals erreicht wurde und nun eine Erholung – zögerlich, nicht flächendeckend und mit schwacher Dynamik – einsetzt. Daher bleiben wir vorerst bei unserer Prognose eines Produktionsrückgangs von real 2 Prozent in diesem Jahr“, erläuterte VDMA-Chefvolkswirt Dr. Ralph Wiechers.

Allerdings sind die Konjunkturrisiken unverändert hoch, was den Ausblick erschwert: Geopolitische Streitigkeiten, weitere US-Zölle gegen Europa und den Rest der Welt sowie die allgemeine Verunsicherung drücken auf das Gemüt der Investoren. Dem stehen neue Geschäftschancen zum Beispiel durch die Sondervermögen für Verteidigung in Deutschland und Europa gegenüber. „Dennoch braucht es andere Signale, um die Investitionsbereitschaft und damit die Produktion wieder anzukurbeln. Laut unserer Umfrage aus dem vergangenen September planen 20 Prozent unserer Mitglieder für das laufende Jahr mit weniger Investitionen als 2024, ein Drittel nur mit gleichbleibenden Investitionen. Das reicht nicht, um wirklich neuen Schwung zu entfachen“, sagte Dr. Wiechers.

Leichter Abbau der Beschäftigung 2024

Im Dezember 2024 waren in den Unternehmen des Maschinen- und Anlagenbaus in Deutschland insgesamt 1,025 Millionen Menschen beschäftigt (Betriebe mit mehr als 50 Beschäftigten), dies entspricht einem leichten Rückgang von 0,6 Prozent zum Vorjahr. Die meisten Unternehmen (60 Prozent) wollen laut VDMA-Konjunkturerhebung ihre Stammbelegschaft im ersten Halbjahr 2025 halten, 25 Prozent erwarten aber auch Personalabbau sowie steigende Kurzarbeit. „Wir sind weiterhin größter industrieller Arbeitgeber im Land und gehen davon aus, das auch zu bleiben. Doch wir werden uns als Ausrüster und Partner der Industrie nicht abkoppeln von gesamtwirtschaftlichen Entwicklungen zu Lasten des Industriestandortes Deutschland und Europa“, erläuterte der VDMA-Chefvolkswirt.

Stärkung der Verteidigungsfähigkeit D und Europa

Der Maschinen- und Anlagenbau unterstützt die Pläne der künftigen Bundesregierung und der EU, deutlich mehr in die Verteidigungsfähigkeit des Kontinents zu investieren. „Die Bedrohung durch Russland für unser demokratisch-freiheitliches System ist real und es braucht entsprechende Stärke, um den Kreml abzuschrecken“, sagte VDMA-Präsident Kawlath. Der Maschinenbau spielt hierbei eine wichtige Rolle und kann diese weiter ausbauen – als Komponentenhersteller sowohl für bestehende als auch für künftige Technologien. Entscheidend sei, dass in der europäischen Rüstungsproduktion die Stückzahlen steigen, die Kosten sinken und Beschaffungsprozesse deutlich gestrafft werden. Dazu müssten gerade auch die Skalierungspotenziale des Binnenmarkts genutzt werden. „Unsere Branche steht bereit, schnell neue Kapazitäten aufzubauen, effizient zu produzieren und neue Lösungen zu entwickeln“, sagte Kawlath.

Omnibus-Paket der EU darf nicht zerredet werden

Angesichts des anhaltenden russischen Angriffskriegs in der Ukraine und der Handelsdrohungen des neuen US-Präsidenten muss Europa jetzt umso mehr Einigkeit und Entschlossenheit zeigen, betonte der VDMA-Präsident. „Der Druck, das wirtschaftliche Umfeld in Europa wieder auf Vordermann zu bringen ist groß; die Industrie leidet unter Überregulierung, ungenügender Infrastruktur sowie fehlender Flexibilität und Anreizen für Innovationen“, beschrieb er die Ausgangslage. Die EU-Kommission habe jüngst mit einem starken Signal darauf geantwortet: „Wettbewerbsfähigkeit ist politische Top-Priorität der Kommission.“ Und sie hat ihren Ankündigungen Taten folgen lassen, das Omnibus-Paket adressiert die Schmerzpunkte der Industrie: die Nachhaltigkeitsberichterstattung, Lieferkettengesetz, CBAM. Nun dürften diese guten Vorschläge nicht im Europäischen Parlament und den EU-Mitgliedstaaten kleingeredet werden, sondern müssten umgesetzt werden, forderte Kawlath

Außerdem müsse die EU sich angesichts der vielen Bedrohungen um neue Partnerschaften bemühen. „Daher freuen wir uns besonders über das diesjährige Gastland Kanada und hoffen, dass die Messe ihren Teil dazu beiträgt, die Handelsbeziehungen zwischen Europa und den Kanadiern weiter zu vertiefen“, sagte Kawlath. Für die dringend benötigten neuen Freihandelsabkommen müsse die EU allerdings ihre überzogenen Forderungen in Sachen Nachhaltigkeit und soziale Aspekte zurückschrauben. „Es gibt Anzeichen dafür, dass die EU-Kommission dies verstanden hat“, sagte Kawlath.

Vielzahl branchenspezifischer X-Projekte bereits erfolgreich gestartet

Auch im Jahr 2025 ist die Hannover Messe das Zentrum der industriellen Innovation, gerade im Maschinen- und Anlagenbau. „Fast alle Unternehmen beschäftigen sich damit, wie sie Künstliche Intelligenz für ihre Forschung und Produktionsprozesse nutzen können und wie sie von gemeinsamen Datenräumen profitieren können“, erläuterte der Kawlath. Der VDMA präsentiert dazu auf der Messe eine neue Studie zum Einsatz von generativer KI im Maschinenbau. Ein zentrales Ergebnis daraus lautet: Durch den gezielten Einsatz von Generativer Künstlicher Intelligenz kann die Gewinnmarge im Maschinen- und Anlagenbau um bis zu 10,7 Prozentpunkte erhöht werden. „So schaffen wir finanziellen Freiraum für Forschung, Innovationen und Nachwuchsförderung“, betonte der VDMA-Präsident.

Ebenso wichtig für den industriellen Mittelstand sind gemeinsam genutzte, sichere Datenräume, um die Digitalisierung und Effizienzsteigerung der Produktion voranzubringen. Industrieunternehmen wollen ihre Daten jedoch nur mit Partnern teilen, denen sie vertrauen. „Im Rahmen von Manufacturing-X behalten die Firmen die Souveränität über ihre Daten und können zugleich mit anderen Unternehmen gemeinschaftlich an neuen digitalen Lösungen arbeiten, aus denen sich neue Geschäftsmodelle ergeben“, sagte Kawlath. Unter dem Dach der Förderinitiative Manufacturing-X sind eine Vielzahl von branchenspezifischen X-Projekten bereits erfolgreich gestartet worden.

Praxisbeispiel: Live-Messung des CO2-Fußabdrucks

Im Leuchtturmprojekt Manufacturing-X wird die gemeinsame technologische Basis entwickelt und implementiert, in allen dieser Projekte entsprechende branchenspezifische Use Cases umgesetzt. Der VDMA ist in den X-Projekten Factory-X, RoX, Wind-X, Fluid4.0 Projektpartner, in Semiconductor-X assoziiert und in der übergeordneten Transferinitiative SCALE-MX Konsortialleiter. Ein Praxisbeispiel für Manufacturing-X zeigt der VDMA zusammen mit seinem Partner T-Systems anhand eines Demonstrators in Halle 8 am Umati-Stand. Der Demonstrator zeigt den CO2-Fußabdruck von verschiedenen Produkten in einem Datenraum. Werke in Asien, Brasilien, Deutschland, Spanien und den USA teilen Live-Daten aus dem Produktionsprozess und für Manufacturing-X einsatzbereiten Geräten. Die Lösung berechnet live den „Product Carbon Footprint“ und dokumentiert ihn in einem digitalen Produktpass. Die Teilnehmer behalten dabei stets die Souveränität über ihre Maschinen- und Produktionsprozessdaten.

Quelle und Kontaktadresse:
Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e.V. (VDMA), Holger Paul, Leiter(in) Kommunikation, Lyoner Str. 18, 60528 Frankfurt am Main, Telefon: 069 66030

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