Thüringer Oberlandesgericht zu den Voraussetzungen eines Rückführungsanspruchs nach dem Haager Übereinkommen bei internationaler Kindesentführung (HKÜ)
(Stuttgart) - Die zunehmende Globalisierung der Gesellschaft stellt auch die Familiengerichte vor andere (neue) Herausforderungen. So mussten sich z. B. die Familiensenate des Thüringer Oberlandesgerichts in letzter Zeit wiederholt mit Anträgen zur Herausgabe von Kindern zur Rückführung von Kindern ins Ausland nach dem HKÜ befassen; zuletzt der zweite Familiensenat erst vor wenigen Wochen.
In dem Fall, so der Nürnberger Fachanwalt für Familienrecht Martin Weispfenning, Vizepräsident und Geschäftsführer "Familienrecht" der Deutschen Anwalts-, Notar- und Steuerberatervereinigung für Erb- und Familienrecht e. V. (DANSEF) in Stuttgart, unter Hinweis auf den am 28. Juli 2010 veröffentlichten Beschluss des Thüringer Oberlandesgerichts vom 4. Juni 2010, Az.: 2 UF 197/10, stritten die miteinander verheirateten Eltern (eine Deutsche und ein US- Amerikaner) eines kleinen Mädchens um dessen Rückführung in die USA zu dem dort lebenden Vater.
Von seiner Geburt in Deutschland im März 2006 bis zur Entscheidung des zweiten Familiensenats im Juni 2010 - und damit von insgesamt 50 Monaten - war das Kind in mehreren Etappen nur 18 Monate in den USA, davon nie ununterbrochen (an einem Stück) sechs Monate oder länger.
Wegen dieser unstreitigen Tatsache hat der Senat die den Rückführungsantrag des Vaters zurückweisende Entscheidung des Amtsgerichts bestätigt, so Weispfenning.
Die Mutter habe das Kind nicht widerrechtlich mit dem Ziel des dauerhaften Aufenthalts nach Deutschland gebracht, wie es das HKÜ für eine Rückführung in die USA verlange. Sie habe das gemeinsame Sorgerecht (beider Elternteile) mit ihrer Weigerung, die Tochter in die USA zurückzuführen, nicht verletzt. Das Kind werde von ihr nicht widerrechtlich zurückgehalten, denn der Daseinsmittelpunkt in Deutschland beruhe auf einer gemeinsamen Absprache der Eltern. Das Kind habe seit der Geburt seinen weit überwiegenden (gleichbleibenden) Aufenthalt am Wohnort der Mutter in Deutschland gehabt; seit Dezember 2008 sei es nur noch zweimal kurz besuchsweise in den USA gewesen. Bei dieser Sachlage sei von einer einvernehmlichen Entscheidung der Eltern zum dauerhaften Aufenthalt des Kindes in Deutschland auszugehen, von der sich der Vater nicht nachträglich einseitig lösen könne.
Zum Hintergrund:
Das Haager Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung (HKÜ) findet in den Vereinigten Staaten von Amerika seit dem 1. Juli 1988 und in der Bundesrepublik Deutschland seit dem 1. Dezember 1990 Anwendung.
Das Übereinkommen sieht vor, dass die sofortige Rückgabe eines Kindes anzuordnen ist, wenn es widerrechtlich verbracht oder zurückgehalten wird. Die Gerichte haben also zu entscheiden, ob durch das Verbringen oder Zurückhalten des Kindes das nach dem Recht des Staates seines gewöhnlichen Aufenthalts bestehende und tatsächlich ausgeübte Sorgerecht verletzt wird (und deshalb ein widerrechtliches Handeln - eine Kindesentführung - vorliegt).
Hier waren die Eltern (nach deutschem wie us- amerikanischem Recht) gemeinsam sorgeberechtigt, weshalb der Senat geprüft hat, ob sich die Eltern auf den dauerhaften Aufenthalt des Kindes in Deutschland geeinigt und dieses Vorhaben auch in die Tat umgesetzt haben.
Weispfenning empfahl, dies zu beachten und in Zweifelsfällen Rechtsrat einzuholen, wobei er u. a. auch auf die auf Familienrecht spezialisierten Anwältinnen und Anwälte in der DANSEF Deutsche Anwalts-, Notar- und Steuerberatervereinigung für Erb- und Familienrecht e. V - www.dansef.de - verwies.
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