Telekom beantragt noch mehr Geld für altes Kupfernetz - Hemmschuh für die Digitalisierung Deutschlands
(Bonn/Köln) - Alle paar Jahre wieder muss sich die Telekom von der Bundesnetzagentur (BNetzA) die Preise für ihr kupferbasiertes VDSL-Netz genehmigen lassen, genauer gesagt für die Nutzung, die sie millionenfach den großen, im VATM organisierten Nachfragern für Breitband-Vorleistungen in Rechnung stellt. Bis zum Ausbau der Glasfasernetze werden die Nachfrager wie zum Beispiel 1&1, Vodafone und Telefónica, die etwa die Hälfte aller Kundinnen und Kunden in Deutschland bedienen, genau auf diese Nutzung angewiesen sein. Und wie bei einem Déjà-vu sind die verlangten Aufschläge der Telekom bei jedem neuen Antrag deftig. Der Clou: Das Kupfernetz der Telekom ist längst abgeschrieben, die Technik ist überholt und der Glasfaserausbau durch die Wettbewerber in vollem Gang. Dennoch hat die Telekom etwa bei der Teilnehmeranschlussleitung (TAL) vom grauen Kasten am Straßenrand, dem Kabelverzweiger (KVz), bis zum Kunden eine Steigerung von 7,05 Euro (2019) auf 8,25 Euro pro Monat beantragt. Wie lassen sich also Preissteigerungen in Höhe von mehr als 15 Prozent erklären?
Die Antwort: Die Deutsche Telekom zockt. "Während sich die Branche weitestgehend darauf geeinigt hat, dass zur Bewältigung der Anstrengungen beim Glasfaserausbau im Bereich der alten Kupfernetze ein stabiler Regulierungsrahmen mit ebensolchen Entgelten die beste Lösung ist, setzt die Telekom mit ihrem neuerlichen Antrag auf ein behördliches Preissetzungsmodell, das es ihr bis heute erlaubt, extreme Überrenditen zu erwirtschaften. Wieder werden Kosten geltend gemacht, die seit Langem gar nicht mehr anfallen", kritisiert VATM-Geschäftsführer Jürgen Grützner. Wieder werden Vorleistungsprodukte auf Basis ihres größtenteils abgeschriebenen Kupfernetzes zu Preisen eines vollständig neu errichteten Netzes abgerechnet. Und wieder liegen die Entgelte aufgrund des gewählten Regulierungsansatzes fiktiver Wiederbeschaffungswerte zirka 50 bis 75 Prozent über den tatsächlichen Kosten allein bei den VDSL-Vorleistungen.
Der VATM hat diese Zahlen jetzt in einem wissenschaftlichen Gutachten von Prof. Dr. Peter Winzer von der Hochschule RheinMain errechnen lassen[1]. So auch, welche Bedeutung diese Berechnungsmethodik für den jetzt anlaufenden Glasfaserausbau der Deutschen Telekom hat. Das frappierende Ergebnis: Im Zeitraum 2011 bis 2025 werden die Wettberber entsprechende Entgelte an die Deutsche Telekom bezahlt haben, die die tatsächlichen Kosten um 8,2 Milliarden Euro übersteigen und wodurch sogar der bis 2025 angekündigte FTTH/B-Ausbau der Deutschen Telekom zu zirka 57 Prozent mitfinanziert wird.[2] "Die Wettbewerbsvorteile, die die Deutsche Telekom dadurch erlangt, gehen zu Lasten der Nachfrager, die auf Wettbewerberseite das ganz überwiegende Gros der Breitband-Anschlüsse in Deutschland versorgen, am Ende aber auch zu Lasten eines forcierten Glasfaserausbaus hierzulande", betont Grützner. Denn deutlich zu hohe Entgelte ermöglichen eine sehr aggressive gezielte Preispolitik der Telekom auf der kupferbasierten VDSL-Infrastruktur.
Damit einhergehende Marktanteilsgewinne der Deutschen Telekom bremsen eine die Rentabilität verbessernde Auslastung der vielen alternativen Infrastrukturausbauer, von denen die meisten der größeren im VATM organisiert sind. Dabei sind es gerade die alternativen Anbieter, die in den vergangenen Jahren für die anziehende Dynamik beim Gigabit-Ausbau sorgen und den überwiegenden Teil der insgesamt 7,5 Millionen Glasfaseranschlüsse gebaut haben. "Die Deutsche Telekom profitiert durch ein völlig überkommenes Preismodell als einziges Unternehmen im Markt von einer starken Subventionierung ihres Ausbaus durch die eigenen Wettbewerber", kritisiert der VATM-Geschäftsführer.
Verschärfend kommt in dieser Situation hinzu, dass die Bundesnetzagentur den Zeitpunkt für eine "Rückführung der Regulierung" und einen "Paradigmenwechsel" hin zur "Regulierung light" gekommen sieht."[3] Die Anzeichen von Wettbewerb, die einen solchen Paradigmenwechsel rechtfertigen könnten, sind jedenfalls ausweislich der neuerlichen Entgeltrunde, nicht ersichtlich. Grützner: "Wer bei jeder Gelegenheit versucht Mondpreise durchzusetzen, verhält sich eben nicht wie ein Wettbewerber, sondern wie ein Unternehmen, das den Markt beherrscht. Von selbsttragendem Wettbewerb im TK-Markt sind wir jedenfalls weit entfernt."
Bei der nun wichtigen Fokussierung auf das Vorantreiben des Glasfaserausbaus dürfen Regulierung und Politik nicht die Rolle der großen Nachfrager wie 1&1, Vodafone und Telefónica vergessen, die Millionen von Kunden versorgen und den Dienstewettbewerb erst möglich gemacht haben. "Mit ihren starken Marken werden sie auch beim Glasfaserausbau eine zentrale Rolle spielen und für die dringend notwendige Auslastung der neuen Gigabit-Netze und damit den Erfolg der Digitalisierung sorgen. Ungerechtfertigt hohe Vorleistungspreise schädigen den Dienstewettbewerb, den wir aber auch in Zukunft dringend brauchen", stellt der VATM-Geschäftsführer klar.
Quelle und Kontaktadresse:
Verband der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten e.V. (VATM)
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