Tarifkonflikt Gebäudereinigung / IG BAU erhöht Druck für faire Löhne und die Tarifeinheit
(Frankfurt am Main) - In ganz Deutschland könnte in wenigen Tagen ein Putz-Notstand ausbrechen: Die Streik-Wahrscheinlichkeit wächst von Tag zu Tag, sagte ein Sprecher der IG Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) am Freitag (9. Oktober 2009) zum Ende der ersten Warnstreikwoche im Gebäudereiniger-Handwerk. Seit dem 1. Oktober ist die Friedenspflicht vorbei. Seitdem haben mehrere Tausend Beschäftigte in über 600 Reinigungs-Objekten bis zu vier Stunden die Arbeit niedergelegt und an der laufenden Urabstimmung teilgenommen, teilte der IG BAU-Sprecher mit. Bis zum 14. Oktober stimmen die Gewerkschaftsmitglieder in der Branche über einen unbefristeten Arbeitskampf ab es wäre der erste dieser Art. Am kommenden Donnerstag (15. Oktober 2009) wird das Ergebnis auf einer Pressekonferenz in Frankfurt am Main bekannt gegeben.
Bis dahin, so der Gewerkschaftssprecher, werde es weiter zu kontrollierten und kurzfristigen Warnstreikaktionen kommen: Wir laufen uns gerade erst warm. Die Beteiligung an den Aktionen ist jedoch hervorragend. Trotz teilweise starkem Druck und Drohungen durch nervöse Vorgesetzte und Sicherheitskräfte gehen ganze Schichten raus und folgen unserem Aufruf zum Warnstreik, erklärt der IG BAU-Sprecher. Von der wachsenden Streikbereitschaft seien nicht nur die Arbeitgeber beeindruckt. Trotzdem habe sich die Gegenseite noch keinen Millimeter bewegt.
Der Gewerkschaftssprecher warnte die Arbeitgeberseite davor, den Protest auf die leichte Schulter zu nehmen: Bisher handelt es sich nur um Warnstreiks, das kann sich schnell zu einem Flächenbrand auswachsen. Bei den Beschäftigten habe sich viel Frust angestaut: Umsätze und Gewinne in der Branche seien in den vergangenen Jahren geradezu explodiert, während die Beschäftigten immer mehr arbeiten müssen, für immer weniger Geld. Von Wirtschaftskrise könne in der Branche keine Rede sein. Das Beschäftigungsniveau sei im ersten Halbjahr 2009 so hoch wie nie zuvor. Die meisten Unternehmen können sogar auf zweistellige Ergebnisse blicken. Übernahmedeals wie der Verkauf von ThyssenKrupp Industrieservice an den Branchenriesen WISAG würden aus der Portokasse finanziert, so der Gewerkschaftssprecher: Aus allzu durchsichtigen Gründen heult die Branche zwar mit den Wölfen, aber von Wirtschaftskrise ist hier weit und breit keine Spur zu sehen.
Die IG BAU habe daher kein Verständnis für die Verweigerungshaltung der Arbeitgeber bei den Löhnen und der längst fälligen Angleichung Ost an West: Sie fordert ein Einkommensplus von 8,7 Prozent, ein Ende des tariflosen Zustandes für die Angestellten und einen neuen Mindestlohntarifvertrag im Anschluss an die seit dem 30. September ausgelaufene Rechtsverordnung. Über 70 Prozent der 860 000 Frauen und Männer der Branche arbeiten nach Schätzung von Experten im Bereich der Innen- und Unterhaltsreinigung zu den bisherigen Mindestlohnbedingungen von 8,15 Euro im Westen und 6,58 Euro im Osten. Außerdem will die Gewerkschaft tariflich erreichen, dass eine branchenweite, von den Arbeitgebern zu finanzierende betriebliche Altersvorsorge eingerichtet wird.
Vor genau 20 Jahren, am 9. Oktober 1989, sind die Menschen in Leipzig nicht auf die Straße gegangen, um heute immer noch zu unwürdigen Bedingungen und bei mieser Bezahlung den Mächtigen den Dreck weg zu machen, sagte der Gewerkschaftssprecher.
Zur Freiheit gehört auch die Freiheit Nein zu sagen das tun die Kolleginnen und Kollegen der Gebäudereinigung jetzt so lange, bis die Arbeitgeber wieder an den Verhandlungstisch zurückkommen und ein akzeptables Angebot mitbringen.
Quelle und Kontaktadresse:
Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU), Bundesvorstand
Sigrun Heil, Pressesprecherin
Olof-Palme-Str. 19, 60439 Frankfurt am Main
Telefon: (069) 95737-0, Telefax: (069) 95737-800
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