"Tabakwerbeverbot richtet nur Schäden an"
(Berlin) - Die Europäische Kommission versucht mit allen Finessen des juristischen Handwerks den Einstieg in die verbindlich von Brüssel zu gestaltende Gesundheitspolitik zu finden. "Aus allen Knopflöchern des neuen Richtlinienvorschlags zum Verbot der Tabakwerbung lugt diese Absicht hervor, obwohl der EU nach dem Willen des Europäischen Gemeinschaftsvertrags diese Kompetenz eindeutig verwehrt und den Mitgliedsländern überlassen ist."
Zu diesem Ergebnis kommt ein Rechtsgutachten von Prof. Dr. Thomas Oppermann, Universität Tübingen, im Auftrag des Zentralverbands der deutschen Werbewirtschaft (ZAW), das der Experte für internationales Recht anlässlich einer Veranstaltung mit Politikern und Journalisten auf Einladung mehrerer Spitzenorganisationen von Wirtschaft und Medien in Berlin am 16. Oktober 2001 vorstellte.
Der neue Richtlinienvorschlag Brüssels will Werbung für Tabakerzeugnisse in sämtlichen Pressemedien, im Hörfunk sowie im Internet vollständig verbieten, weil - angeblich - ein "beträchtliches Risiko" für den freien Verkehr der Medien bestehe.
Den ersten Anlauf der EU für ein totales Tabakwerbeverbot hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) für nichtig insbesondere mit der Begründung erklärt, die Europäische Union dürfe lediglich im Handelsbereich Rechtsangleichungen vornehmen, die für das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes erforderlich sind. Dafür müssten die Gemeinschaftsorgane drei Voraussetzungen erfüllen. Der Eingriff in den Binnenmarkt müsste dessen Funktionieren tatsächlich verbessern (Effektivitätsprinzip), den Binnenmarkt fördern oder unterstützen (Günstigkeitsprinzip) - ihn also nicht in Teilen, wie mit dem Tabakwerbeverbot beabsichtigt, beseitigen - und drittens geeignet sein, eine spürbare Verzerrung des Wettbewerbs zu beseitigen (Relevanzprinzip).
Laut Oppermann-Gutachten werden die vom EuGH vorgegebenen Kriterien nicht erfüllt. Es gebe keine grenzüberschreitenden Probleme mit Presseerzeugnissen, die Einbeziehung auch der regionalen und lokalen Presse widerspreche dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und verletze das in der Europäischen Menschenrechtskonvention und auch vom Europäischen Gerichtshof garantierte Grundrecht auch für werbende Informationen.
Auch Prof. Dr. Hans-Peter Schneider, Staatsrechtler und Richter am Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen, kommt zu ähnlichen Ergebnissen und warnt vor einem Verfall der Rechtskultur in der Europäischen Union. Die EU-Institutionen Kommission, Parlament und Rat würden den Europäischen Gerichtshof "zum Narren halten". Es offenbare sich ein Maß an "Rechtsvergessenheit", das mit dem Anspruch der Gemeinschaft nur schwer vereinbar sei, nach rechtsstaatlichen Prinzipien zu handeln und Vertragstreue zu üben.
ZAW-Präsident Dr. Hans-Henning Wiegmann warnte vor Kommunikationsverboten auch für andere Branchen in ihren Märkten, wenn den EU-Institutionen mit Hilfe des Tabakwerbeverbots widerspruchslos der Einstieg in die Regelungskompetenz für Gesundheitsfragen gelinge.
"Das Tabakwerbeverbot richtet nur Schäden an." Über die gesundheitspolitische Wirkungslosigkeit von Werbeverboten werde seit Jahrzehnten gestritten. Den Werbegegnern sei es bisher in keinem Fall gelungen, den Zusammenhang von Werbung, Konsumanstieg und Produktmissbrauch seriös nachzuweisen. Geradezu unerträglich sei es, dass insbesondere die Produzenten von Tabakprodukten und alkoholischen Getränken in die Nähe so genannter 'Drogenbarone' gerückt würden. Den Herstellern legaler Erzeugnisse, die wie immer geartete Verwendung ihrer Produkte durch die Konsumenten anzulasten, sei ein Trend, der gegen die Eigenverantwortung von Bürgern gerichtet sei. Im Kern handele es sich bei Werbeverboten um ttacken auf die Marktwirtschaft und auf die Lebenskompetenz der Bürger.Franz-Peter Falke, Vorstandsmitglied des Markenverbands, verwies darauf, dass durch Werbung Produktneuheiten, "auch Verbesserungen in Bezug auf gesundheitliche Verträglichkeit" kommuniziert würden.
Werbung als wichtiger Impulsgeber für das Wachstum der Volkswirtschaft würde durch Arbeitsverbote die Existenz nicht nur von Medien, sondern auch vieler Produzenten mit ihren Firmen in Frage stellen.
Prof. Dr. Robert Schweizer, Vorstandsmitglied des Verbands Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ), unterstrich, dass freie Medien auf einen funktionierenden Werbemarkt angewiesen seien. Eingriffe würden der medienpolitisch unerwünschten Konzentration auf dem Medienmarkt Vorschub leisten. "Einschränkungen der wirtschaftlichen Grundlage der Medienbetreiber hätten letztlich Auswirkungen auf die finanziellen Möglichkeiten für umfassende Berichterstattung - auch über gesundheitspolitische Themen."
Die Organisationen der betroffenen Wirtschaftskreise appellieren darüber hinaus in einem Positionspapier an die EU-Institutionen sowie an Bundesregierung und Bundestag, die Tabakrichtlinie als "untauglich für die Förderung des Binnenmarkts abzulehnen und die unzulässige Kompetenz-Anmaßung Brüssels zurückzuweisen".
Quelle und Kontaktadresse:
Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft ZAW e.V.
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