Supersommer, aber zu kurze Hochsaison im Deutschlandtourismus
(Bonn) - Der hervorragende Sommer hat die Urlaubsbilanz der deutschen Destinationen nur zum Teil gerettet - das ergab eine Umfrage des Deutschen Tourismusverbandes (DTV) unter seinen Mitgliedern. Das Jahr 2003 begann zunächst verhalten. Die verkürzte Sommerferienregelung sorgte in den Monaten Juni und Juli vielerorts für eine unbefriedigende Auslastung. Demgegenüber konnte der auf den August konzentrierte Bettenbedarf in vielen Fällen nicht zufrieden stellend gedeckt werden, so DTV-Vizepräsident Staatssekretär Tilo Braune. Die überwiegende Mehrheit der Landestourismusorganisationen schätzt, dass der Ausnahmesommer die Umsatzeinbußen aufgrund der rückläufigen Konjunktur und der unglücklichen Sommerferienregelung nur partiell kompensieren wird.
Von Januar bis Juli 2003 ist mit 189,4 Millionen Gästeübernachtungen in Beherbergungsstätten mit neun und mehr Betten sowie im Touristikcamping ein leichter Rückgang von zwei Prozent zu verzeichnen. In den klassischen Ferienregionen Baden-Württembergs, Bayerns, Niedersachsens und Schleswig-Holsteins machte sich vor allem an den Julizahlen bemerkbar, dass - aufgrund der Sommerferienregelung - die drei bevölkerungsreichsten Bundesländer Nordrhein-Westfalen, Bayern und Baden-Württemberg erst Ende Juli fast gleichzeitig in die Sommerferien starteten. In diesen Ländern und sogar in Mecklenburg-Vorpommern waren im Monat Juli gegenüber dem Vorjahr zum Teil deutliche Verluste bei den Übernachtungen festzustellen. Die Kultusministerkonferenz (KMK) der Länder ist für die längerfristige Festlegung der Sommerferien verantwortlich. Der Deutsche Tourismusverband wünscht sich, dass die extrem negativen Auswirkungen von zu großen Überschneidungen und sehr kurzem Hauptferienzeitraum künftig vermieden werden. Nach Ansicht des DTV sollte dieses Thema auch nicht erst wieder ab 2011 auf die Tagesordnung der KMK. Eine wirklich koordinierte Ferienregelung mit einem Gesamtferienzeitraum von ca. 90 Tagen würde dem Deutschlandtourismus und nicht zuletzt dem touristischen Arbeitsmarkt den notwendigen Aufschwung geben.
Sachsen ist es im ersten Halbjahr 2003 gelungen, sich leicht von den flutbedingten Rückgängen des vergangen Jahres zu erholen. Das Land kann somit optimistisch in die Zukunft blicken. Mecklenburg-Vorpommern rechnet zum Ende dieses Jahres mit Zuwächsen von rund vier Prozent für das Gesamtjahr. Bei heißem Wetter lockten Open Air Veranstaltungen und regionale Events wie die IGA in Rostock und die Radsportereignisse im Saarland unzählige Tagesausflügler und Übernachtungsgäste an. Alle Küsteregionen sowie die Binnengewässer waren stark nachgefragt. Auch kurzfristig wurde über Internet versucht, noch ein Quartier zu bekommen. An der Nordseeküste Niedersachsens konnte die Nachfrage nach Quartieren aller Art im August leider nicht befriedigt werden. Auch Hochlagen wie die des Schwarzwaldes waren gut besucht. In Museen und Kulturstätten führten die heißen Temperaturen zu Besucherrückgängen. Einzelne organisierte Radwanderungen wurden sogar abgesagt.
In diesem Jahr erfolgten die Reisebuchungen im Vergleich zum Vorjahr noch kurzfristiger. Buchungen werden immer stärker Wetter- und Ereignisabhängig. Viele Besucher griffen spontan zum Hörer oder starten die schönste Zeit des Jahres mit einem Klick ins Internet. Der Deutsche Reisebüro- und Reiseveranstalterverband rechnet mit leichten Zuwächsen der Buchungen des Reiselands Deutschland über die Reisebüros. Besonders das Bundesland Bremen konnte aufgrund gezielter Mailingaktionen an Reisebüros diesen Vertriebskanal stark ausbauen.
Für die Sommermonate verzeichneten die Ferienregionen wie etwa die Lüneburger Heide und die Eifel eine verstärkte Nachfrage nach Ferienwohnungen für Familien mit Kindern. Bei ihnen besonders beliebt waren preiswertere Unterkünfte, wie zum Beispiel auf Bauernhöfen. Die Gäste legten besonderen Wert darauf, dass das Preis-Leistungsverhältnis stimmte. Bei aller Preissensibilität erfreuten sich aber auch hochpreisige Angebote einer regen Nachfrage. Für die qualifizierten Wellness-Angebote Gesund-Harz gab es gar eine Steigerungsrate von über 50 Prozent.
Die angespannte konjunkturelle Lage in Deutschland spiegelt sich auch im Ausgabeverhalten im Urlaub wider. Vielerorts haben Gastronomiebetriebe mit einem zurückhaltenden Konsumverhalten ihrer Gäste zu kämpfen. Jüngst veröffentlichte Zahlen des Statischen Bundesamtes belegen, dass das Gastgewerbe im ersten Halbjahr Einbußen von real 6,1 Prozent hinnehmen musste. Betriebe mit Aussengastronomie konnten diese Verluste in der heißen Wetterperiode nur teilweise ausgleichen.
Seit einigen Jahren verzeichnen die Landestourismusorganisationen bei Reisen nach und innerhalb Deutschlands einen zunehmenden Trend zum naturnahen und sportlich orientierten Urlaub. Dabei erfreuen sich vor allem der Fahrradtourismus sowie Aktivitäten rund ums Wasser einer immer größeren Beliebtheit. Besonders positiv hat sich zum Beispiel in Brandenburg die Möglichkeit des Charterns von Hausbooten ohne amtlichen Führerschein ausgewirkt. Vor allem aber das Wandern erlebt eine Renaissance. Klassische Wanderziele wie der Rennsteig im Thüringer Wald und der Harzer Hexenstieg hoffen bei stabiler Wetterlage auf steigende Nachfrage im Herbst. Ebenso ist der Herbst Hochsaison für Tagungen, Seminare und Geschäftsreisen, welche sicherlich Bundesländern wie Hessen und Städte wie München stärken wird. Verstärkt wird auch das Segment Events nachgefragt, was zu hohen Besucherzahlen in der Musicalstadt Hamburg führt.
Angesichts schleppender Konjunktur bleibt die Reiselaune gedämpft. Die Prognosen für das zweite Halbjahr 2003 sind insgesamt verhalten. Dennoch kann der Jahrhundertsommer das Interesse an deutschen Reisezielen ankurbeln. Immer mehr Deutsche zeigen sich begeistert von der Vielfalt und Schönheit des eigenen Landes, das kann dem Deutschlandtourismus für 2004 neue, nachhaltige Impulse geben, so DTV-Vizepräsident Tilo Braune. Um das Reiseland Deutschland bei diesen guten Voraussetzungen auch in Zukunft erfolgreich touristisch zu vermarkten, müssen Qualität der Anbieter und der touristischen Infrastruktur stimmen und durch Qualitätsoffensiven weiter ausgebaut werden.
Quelle und Kontaktadresse:
Deutscher Tourismusverband e.V.
Bertha-von-Suttner-Platz 13, 53111 Bonn
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