Stuttgart-Ermittlungen: DAV warnt vor unnötigem Tunnelblick durch ethnischen Fokus / Statement von Rechtsanwalt Dr. Eren Basar, Mitglied des Ausschusses Gefahrenabwehrrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV)
(Berlin) - Im Zuge der Ermittlungen zu den Ausschreitungen in Stuttgart vor einigen Wochen kündigte der Stuttgarter Polizeipräsident bei einer Gemeinderatssitzung an, bundesweite Recherchen bei Standesämtern zu etwaigen Migrationshintergründen deutscher Tatverdächtiger durchführen zu lassen. Die vieldiskutierte Frage, ob dabei der Begriff "Stammbaumrecherche" gefallen ist oder nicht, lenkt von der berechtigten Kritik an dieser Vorgehensweise ab. Der DAV warnt:
"Da bereits Tatverdächtige identifiziert sind, die aufgrund eines bestehenden Tatverdachts sogar in Untersuchungshaft sitzen, steht den Ermittlungsbehörden das gesamte strafprozessuale Eingriffsarsenal zur Verfügung. Bei den Beschuldigten können die Ermittler Handys, Tablets, Notebooks, E-Mails und Social-Media-Konten sicherstellen und forensisch auf Verbindungen zu anderen möglichen Verdächtigen auswerten. Sie können den Antrag auf Wohnungsdurchsuchungen stellen und Zeugen befragen. Mit diesen Maßnahmen lassen sich in aller Regel die Verbindungen zu anderen Personen - egal welcher Herkunft - sehr gut aufklären. Gerade der Zugriff auf die digitalen Beweismittel legt oft Verbindungen offen, die ansonsten verborgen bleiben können.
Der Zugriff auf andere Personen über eine Abfrage der Herkunft ist dagegen ein ermittlungstaktisch vorurteilsbeladener Ansatz, der zudem als erster Ermittlungsansatz zu einer Verengung des Ermittlungsblicks auf bestimmte Personen führt. Das ist klassisches Racial Profiling, das mit dem neutralen Aufklärungsgrundsatz zu einem so früheren Zeitpunkt von Ermittlungen kaum zu vereinbaren ist. Der Verweis auf die (mögliche) Strafzumessung überzeugt jedenfalls nicht. Mit dem Täter und seinen Lebensumständen beschäftigen wir uns erst im Rahmen der Strafzumessung vor Gericht - und das ist dann auch nicht Aufgabe der Polizei.
Auch aus datenschutzrechtlicher Sicht ist die geplante Vorgehensweise kritikwürdig. Denn die ethnische Herkunft von Personen gehört zu den besonderen personenbezogenen Daten, die nur verarbeitet werden dürfen, wenn dies 'unbedingt erforderlich' ist. Dies kann hier angesichts der vielfältigen Möglichkeiten der StPO nun wirklich nicht angenommen werden."
Quelle und Kontaktadresse:
Deutscher AnwaltVerein e.V. (DAV)
Pressestelle
Littenstr. 11, 10179 Berlin
Telefon: (030) 7261520, Fax: (030) 726152190