Studie des Roman Herzog Instituts: Deutschland landet bei der Lebensarbeitszeit im europäischen Vergleich auf dem vorletzten Platz
(München) - Als "Silver Worker" werden Erwerbstätige definiert, die auch über die Regelaltersgrenze hinaus ihrer Erwerbstätigkeit nachgehen. Professor Randolf Rodenstock, Vorstandvorsitzender des RHI, erklärt zur Studie: "Der demografische Wandel ist eine der zentralen Herausforderungen für unsere Volkswirtschaft. Wenn wir seine Folgen wirksam abmildern wollen, müssen wir beim Thema Lebensarbeitszeit über den deutschen Tellerrand hinausblicken. Viele Länderbeispiele wie Island, die Schweiz oder Schweden zeigen, dass ein höheres Arbeitsvolumen keinesfalls einen hohen Lebensstandard und eine große Lebenszufriedenheit ausschließt."
Die Studie "Lebensarbeitszeit im internationalen Vergleich - Die Bedeutung der Silver Worker für die Fachkräftesicherung" errechnet für Deutschland ein Volumen von rund 53.000 Lebensarbeitsstunden je Erwerbstätigem, während der Durschnitt der EU-27 bei rund 57.000 Arbeitsstunden liegt. Auf die meisten Arbeitsstunden kommen Estland (rund 71.000), Island (rund 66.000) und Irland (rund 65.000). Weniger Lebensarbeitsstunden als Deutschland weist dagegen nur Luxemburg auf (rund 51.000). Die Gründe für die deutlichen Unterschiede zwischen einzelnen Ländern sind erhebliche Differenzen bei der Erwerbsbeteiligung, den Teilzeitquoten und den Jahren im Ruhestand.
"Schon heute beträgt die Fachkräftelücke in Deutschland 630.000 offene Stellen. Bis zum Jahr 2030 werden 9 Millionen Menschen in Rente gehen, aber nur 6 Millionen Personen als Ersatz für die Babyboomer in den Arbeitsmarkt eintreten", so Rodenstock. Allein über eine gesteigerte Arbeitsproduktivität und qualifizierte Zuwanderung lässt sich der Fach- und Arbeitskräftemangel nicht auffangen. Zusätzlich müssen Potenziale bei den überwiegend weiblichen Teilzeitkräften und vor allem den älteren Menschen gehoben werden.
"Von den 65- bis 69-Jährigen sind in Deutschland knapp 18 Prozent erwerbstätig, in Schweden sind es fast 26 und in Norwegen fast 29 Prozent. In Japan ist sogar die Hälfte der Menschen in dieser Altersgruppe erwerbstätig. Der Vergleich zeigt, dass eine längere Erwerbstätigkeit oder die Weiterarbeit trotz Rentenbezug entscheidende Stellschrauben sind, an denen wir hierzulande drehen können", so Rodenstock.
Um die durchschnittliche Lebensarbeitszeit in Deutschland zu verlängern, empfiehlt die Studie in der Rentenpolitik eine höhere Regelaltersgrenze, höhere Abschläge bei vorzeitigem Renteneintritt sowie eine Härtefallregelung, die mehr an den Gesundheitszustand als an die Zahl der Beitragsjahre gekoppelt ist.
Rodenstock stellt klar: "Natürlich kann nicht jede berufliche Tätigkeit beliebig lange ausgeübt werden. Aber wer am vermeintlichen Ende seines Berufslebens steht, kann auf einen breiten Erfahrungsschatz zurückblicken und ist oftmals noch gesund, fit und motiviert. Dieses Potenzial dürfen wir nicht verschenken. Wir müssen es älteren Menschen möglichst einfach machen, als 'Silver Worker' weiterzuarbeiten. Dafür müssen wir freiwillige Weiterarbeit finanziell, aber auch inhaltlich attraktiv gestalten. Hier sind Staat und Unternehmen gleichermaßen gefordert."
Das Roman Herzog Institut
Das RHI setzt sich als Think Tank mit den Gegenständen Werte, Führung und Zukunft auseinander. Gegenwärtige Schwerpunkte sind das Verhältnis von "Demokratie und Autokratie" sowie "gute Führung" auf strategischer Ebene. Dazu lädt das Institut Expert*innen verschiedenster Disziplinen nach München ein. Neben der Herausgabe eigener Publikationen und der Ausrichtung wissenschaftlicher Veranstaltungen geht das Institut in seinen YouTube- und Podcast-Formaten mit bekannten Wissenschaftler*innen in die Tiefe der Themen und ihrer Forschung.
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