Pressemitteilung | Börsenverein des Deutschen Buchhandels e.V.

Strukturkrise der Bibliotheksetats erreicht Höhepunkt

(Berlin) – Die Strukturkrise der Bibliotheksetats erreicht ihren Höhepunkt. Rund 540.000 notwendige Bücher konnten im Jahr 2000 nicht mehr angeschafft werden, Studium und Wissenschaft sind auf das Äußerste behindert. Grund: Die Etats der Bibliotheken sind nicht an die wachsenden Anforderungen der Wissenschaft angepasst worden. Hinzu kamen extreme Ausgabensteigerungen durch den schwachen Eurokurs. Darauf wiesen der Sprecher der Bundesvereinigung Deutscher Bibliotheksverbände, Dr. Georg Ruppelt, und der Vorsitzende des Bibliotheksausschusses im Börsenverein, Bertram Gallus, bei einer Pressekonferenz in der Humboldt-Universität hin.

Mit großer Sorge beobachten die Verbände die verzweifelte Etatlage der Hochschulbibliotheken in Deutschland. Die Verbände fordern daher die Forschungs- und Wissenschaftsministerien des Bundes und der Länder auf,

- mittelfristig die Finanzausstattung der Bibliotheken so zu gestalten, dass der Forschung und Lehre ein dauerhafter Zugang zu allen Publikationsformen wissenschaftlicher Information gesichert wird;

- kurzfristig schnelle Hilfen durch Sonderprogramme zur Verfügung zu stellen, um zumindest die dramatischen Auswirkungen der Euroschwäche auszugleichen.

Hintergrund der zugespitzten Etatproblematik ist die unzureichende finanzielle Grundausstattung der Bibliotheken. Die Hoffnung, dass die Digitalisierung von Zeitschriften Kosten senken würde, hat bislang getrogen. Ganz im Gegenteil: Die Kosten müssen aus den stagnierenden Etats zusätzlich getragen werden. Zudem verschärft die Belastung der elektronischen Versionen von Zeitschriften beziehungsweise elektronischer Lizenzen mit dem vollem Mehrwertsteuersatz von 16 Prozent die Situation.

Gleichzeitig sind die Kosten der Verlage in den vergangenen Jahren durch die gewachsenen Ansprüche der Wissenschaftler und der Bibliotheken ebenfalls überproportional gestiegen. Gründe hierfür sind vor allem erhebliche Zusatzkosten durch die Entwicklung und Aufbereitung neuer digitaler Publikationsformen in Ergänzung zu den Druckausgaben von Zeitschriften sowie die Erhöhung der Redaktionskosten und des Umfangs der Zeitschriften durch bis zu 50 bis 70 Prozent mehr Beiträge von Wissenschaftlern im naturwissenschaftlich-technisch-medizinischen Bereich.

Die durch gewachsene Ansprüche der Wissenschaft und der Bibliotheken erheblich gestiegenen Ausgaben für wichtige vor allem ausländische naturwissenschaftliche, technische und medizinische Zeitschriften wirkt sich katastrophal auf die Leistungsfähigkeit der Bibliotheken aus. Dies hat in vielen Fällen zur Reduzierung der Zeitschriftenabonnements um 30 Prozent geführt. Einige Bibliotheken müssen fast vollständig auf den Erwerb von Monografien verzichten, um wenigstens in strengster Auswahl Zeitschriften anbieten zu können. Von Jahr zu Jahr führt dies zu immer größeren Lücken in den technisch-naturwissenschaftlichen wie in den geisteswissenschaftlichen Beständen.

Es muss damit gerechnet werden, dass bei einem Durchschnittspreis von 80 DM pro Monografie allein durch die Schwäche des Euro für rund 24 Millionen DM weniger Zeitschriften und im Jahr 2000 für 43,2 Millionen DM weniger Bücher gekauft werden konnten als 1999. Dies bedeutet: 540.000 notwendige Bücher konnten von den Bibliotheken nicht erworben werden.

Überproportional betroffen von den durch fehlende Finanzmittel ausgelösten Sparmassnahmen der Bibliotheken ist die in Deutschland verlegte Literatur. Dadurch sinken die Publikationsmöglichkeiten deutscher Autoren und Wissenschaftler ebenso wie die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Verlage. Zudem führt die mangelhafte Budget-Anpassung der Bibliotheken zu einer schwerwiegenden Reduzierung des Ankaufs wissenschaftlicher Literatur auch aus den angelsächsischen Ländern. Dies schränkt den schnellen Forschungstransfer ein und droht, die deutsche Wissenschaft von der internationalen Entwicklung abzukoppeln, die Studienmöglichkeiten in Deutschland zu verschlechtern und die Attraktivität deutscher Hochschulen für ausländische Studierende zu vermindern.

Kurz: Der Wissenschaftsstandort Deutschland ist durch die dramatische Unterfinanzierung der Bibliotheken entscheidend geschwächt!

Dem Appell an die Forschungs- und Wissenschaftsminister des Bundes und der Länder für schnelle Sonder- und Notprogramme für die Bibliotheken haben sich neben der Bundesvereinigung Deutscher Bibliotheksverbände und dem Börsenverein auch die Deutsche Gesellschaft für Informationswissenschaften und Informationspraxis, der Deutsche Hochschulverband, die Deutsche Literaturkonferenz, das Goethe-Institut, die Union der Deutschen Akademien der Wissenschaften und der Verband Deutscher Schriftsteller in der IG Medien angeschlossen.

Quelle und Kontaktadresse:
Börsenverein des Deutschen Buchhandels e.V. Großer Hirschgraben 17-21 60311 Frankfurt Telefon: 069/13060 Telefax: 069/13062 01

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