StPO-Reform: Licht und Schatten
(Berlin) - Mit einem umfassenden Reformpaket will das Bundesjustizministerium (BMJ) die Strafprozessordnung (StPO) modernisieren. Der Deutsche Anwaltverein begrüßt wichtige Schritte wie die überfällige Ausweitung der Pflichtverteidigung und die Stärkung von Rechten der Beschuldigten und ihrer Verteidigung. An anderen Stellen ist der Gesetzentwurf jedoch noch nicht ausgereift.
„Pflichtverteidigung ab der ersten Stunde – der neue Gesetzentwurf setzt endlich um, was wir schon lange fordern“, so Rechtsanwalt Prof. Dr. Ali B. Norouzi, Stellvertretender Vorsitzender des DAV-Ausschusses Strafrecht. Auch aus europäischem Recht ließe sich die Notwendigkeit dieser Regelung ableiten. Bisher wird eine Pflichtverteidiger:in nur auf Antrag der Beschuldigten beigeordnet.
Starke Beschuldigtenrechte und Hinweispflicht des Gerichts
„Mit dem Wegfall des Antragserfordernisses werden Beschuldigte vor suggestiven Einflüssen geschützt, auf eine Verteidigung zu verzichten“, erklärt Norouzi. Die Rechtslage dürfe nicht darauf ausgerichtet sein, möglichst schnelle Geständnisse zu erreichen. Das sei vielleicht im Interesse der Ermittelnden, nicht aber des Rechtsstaats.
Insgesamt befürworte der Deutsche Anwaltverein die Maßnahmen, die der Stärkung von Beschuldigtenrechten dienten. „Die frühzeitige und umfassende Gewährung auf Rechtsschutz gegen Versagung der Akteneinsicht ist ein richtiger Schritt, ebenso wie das Überwachungsverbot für Kommunikation bei der Mandatsanbahnung.“
Auch die Erweiterung des Rechts auf Eröffnungserklärung begrüßt der Anwalt. Solche Opening Statements zu Beginn der Hauptverhandlung setzten dem einseitigen Narrativ der Anklage ein Gegengewicht und haben sich in der Praxis bewährt.
Besonders wichtig sei jedoch die angedachte Hinweispflicht, nach der das Gericht darauf aufmerksam machen muss, wenn seine vorläufige Bewertung der Rechtslage deutlich von der erklärten Einschätzung eines Verfahrensbeteiligten abweicht.
„Die Hinweispflicht sorgt dafür, dass Missverständnisse vermieden und Verfahren gerechter und transparenter werden und erleichtert so eine zielführende und konstruktive Verteidigung“, lobt Rechtsanwalt Norouzi.
Die angedachten Änderungen im Revisionsverfahren seien sinnvoll. Wünschenswert wäre zudem, wie vom DAV bereits in der Vergangenheit gefordert, endlich vor der Revisionshauptverhandlung eine Pflicht des Revisionsgerichts zu verankern, auf die Rechtsfragen hinzuweisen, die im Termin erörtert werden sollen.
Verfahren nicht weiter verzögern
Kritisch sieht Norouzi die vorgesehene Ausdehnung der Unterbrechungsfristen und Unterbrechungstatbestände von Verfahren. „Der Gesetzgeber hat hier bereits in der jüngsten Vergangenheit zahlreiche Änderungen geschaffen, die mehr Flexibilität gewährleisten. Ein noch weiter gestreckter Prozess ist nur dann noch transparent und nachvollziehbar, wenn endlich auch die Dokumentation der Hauptverhandlung eingeführt wird“, bemängelt der Rechtsanwalt. Das Hauptverhandlungsdokumentationsgesetz (DokHVG), durch das ein genaues Protokoll der Aussagen vor Gericht ermöglicht werden soll, hängt seit Anfang des Jahres im Vermittlungsausschuss fest. „Ohne das DokHVG kann bei langen Verfahren mit Unterbrechungen am Ende kaum wirksam rekonstruiert werden, was genau eigentlich im Vorfeld vorgetragen wurde“, so Norouzi.
Änderungen im Jugendstrafrecht sind sinnvoll
Die Reformen im Jugendgerichtsgesetz bewertet der Rechtsanwalt positiv. „Bei Jugendlichen muss Prävention und Erziehung im Vordergrund stehen. Die kompromisslose Anwendung der Vermögenseinziehung bei ihnen lief dem bislang entgegen“, so Prof. Dr. Norouzi. Deswegen sei es richtig, Härtefälle zu berücksichtigen, wenn den Betroffenen ansonsten negative Folgen durch eine starke finanzielle Belastung drohen.
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