Stockholmer Erklärung: Europäische Landnutzer fordern ein Umdenken beim EU Green Deal
(Berlin) - Im Rahmen der Generalversammlung der European Landowners´ Organization (ELO) haben am 30. November in Stockholm die Vertreter europäischer Landeigentümer und Bewirtschafter aus verschiedenen EU-Ländern die gemeinsame "Stockholmer Erklärung" zu den aktuellen EU-Vorhaben zur Naturwiederherstellung (Nature Restoration Law) sowie zur Verringerung des Pflanzenschutzmitteleinsatzes (Sustainable Use Regulation) verabschiedet und unterzeichnet. In der Erklärung fordern sie ein Umdenken beim EU Green Deal, um den Herausforderungen des Klimawandels besser zu begegnen und ein besseres Gleichgewicht zwischen nachhaltiger Produktion und dem Schutz der biologischen Vielfalt herzustellen, wobei unbeabsichtigte negative Folgen gut durchdacht sein sollten.
"Wir Landeigentümer und Bewirtschafter von Ackerland und Wäldern in ganz Europa sind an vorderster Front von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen und bekennen uns uneingeschränkt zu den Zielen der Klimaneutralität und des Schutzes der Ökosysteme. Die aktuellen Verordnungs-Entwürfe der EU-Kommission zahlen darauf jedoch nicht ein. Sie sind in ihrer jetzigen Form unpraktikabel und schwer nachvollziehbar. Wir fordern die Europäische Kommission, den Europäischen Rat und das Europäische Parlament auf, hier schnellstmöglich nachzusteuern", so Max v. Elverfeldt, der als Vorsitzender der Familienbetriebe Land und Forst für den deutschen Verband unterzeichnet hat.
Die europäischen Landnutzer identifizieren in ihrer "Stockholmer Erklärung" folgende sieben Kritikpunkte an der Verordnung über die Wiederherstellung der Natur und an der Verordnung über die nachhaltige Verwendung von Pflanzenschutzmitteln:
1. Die Verordnungen bieten keine angemessenen Lösungen für die unumkehrbaren Veränderungen durch den Klimawandel.
Der Klimawandel verändert unsere Ökosysteme und stellt die Art und Weise, wie wir unsere natürlichen Ressourcen verwalten, in Frage. Wenn wir nur die Situation von vor Jahrzehnten wiederherstellen, zumindest die der letzten 70 Jahre, wie im Kommissionsvorschlag erwähnt, werden wir aktiv zum Verlust der biologischen Vielfalt beitragen. Resiliente Ökosysteme setzen voraus, dass wir uns an die neue Normalität anpassen: an die häufigeren extremen Wetterereignisse, die Unsicherheiten und Schwierigkeiten mit sich bringen und die wir noch nicht vollständig erfassen können. Wenn es uns mit gesunden Ökosystemen ernst ist, müssen wir über den Schutz und die Wiederherstellung hinausgehen und uns auf Anpassung und Widerstandsfähigkeit konzentrieren.
2. Sie gefährden die ländlichen Unternehmen und schwächen die Wettbewerbsfähigkeit.
Landeigentümer und -bewirtschafter sind wichtige Arbeitgeber in ländlichen Gebieten. In Europa gibt es 9,2 Millionen Arbeitsplätze in der Landwirtschaft, und eine halbe Million Menschen sind in der Forstwirtschaft und im Holzeinschlag beschäftigt (2018)[1]. Ebenso hängen viele regionale Versorgungsketten von unserer Fähigkeit ab, unser Land für eine nachhaltige Produktion zu bewirtschaften. Die Verordnung über die Wiederherstellung der Natur und die Verordnung über die nachhaltige Verwendung von Pflanzenschutzmitteln bedrohen durch ihre Einschränkungen unsere Unternehmen und damit Millionen von Arbeitsplätzen in ländlichen Gebieten.
3. Sie lassen ungelöste Finanzierungsfragen offen.
Der Vorschlag zur Renaturierung lässt vor allem die Frage der Finanzierung offen. Ohne angemessene Ausgleichszahlungen und Anreize werden sich die Maßnahmen unmittelbar negativ auf die Landbewirtschafter auswirken, da die tatsächlichen Kosten den potenziellen Nutzen übersteigen. Um langfristig einen fairen finanziellen Ausgleich zu gewährleisten, sind freiwillige, vertragsbasierte Systeme sowie eine angemessene Bewertung der Ökosystemleistungen erforderlich.
4. Die Verordnungen vernachlässigen die vielfältigen Landschaften Europas.
In Anbetracht der Heterogenität der europäischen Landschaften brauchen wir mehr Bottom-up-Ansätze anstelle einer europäischen "Einheitslösung". Beide Dossiers geben vor, einen Masterplan für die Natur in Europa zu erstellen, wo es keinen gibt. Es ist wichtig, dass die Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit beachtet werden.
5. Sie gefährden die Lebensmittel- und Energiesicherheit.
Unserer Ansicht nach ist es ein grundlegender Fehler, die europäische Produktion von Lebensmitteln und nachwachsenden Rohstoffen einfach einzuschränken. Wir müssen hingegen die Lebensmittelverschwendung und die Emissionsintensität der produzierten Lebensmittel reduzieren und uns auch mit Fragen der Ernährung auseinandersetzen. Produktionsbeschränkungen allein gefährden die europäische Versorgungssicherheit in einer Zeit schwerwiegender Marktstörungen und unberechenbarer globaler Lieferketten. Sie schwächen auch unsere Fähigkeit, einen Beitrag zur Erschwinglichkeit von Lebensmitteln und Energie zu leisten. Während die Verfügbarkeit von Lebensmitteln in der EU derzeit nicht auf dem Spiel steht, wird die Erschwinglichkeit von Lebensmitteln für einkommensschwache Haushalte zunehmend zum Problem. Darüber hinaus wird die landwirtschaftliche Produktion in der EU durch die strategische Abhängigkeit der EU von einer Reihe wichtiger Produktionsfaktoren beeinträchtigt.
6. Negative Auswirkungen auf die biologische Vielfalt und die Verlagerung des ökologischen Fußabdrucks der EU können die Folge sein.
Während einige Tier- und Pflanzenarten Schutzgebiete benötigen, um sich zu entfalten, gibt es viele Arten, deren bevorzugte Lebensräume vom Menschen geschaffene und bewirtschaftete Lebensräume sind, wie beispielsweise nachhaltig bewirtschaftete Wälder. Die Einschränkung der Produktion führt, wenn sie nicht mit einer effizienteren Nutzung einhergeht, unweigerlich zu Produktionsverlagerungen in Teile der Welt, in denen nicht dieselben Umweltstandards gelten. Es kommt so zu einer Verlagerung von Kohlenstoff und zu einem Export von Umweltproblemen. Darüber hinaus führen Einschränkungen bei der Produktion von erneuerbaren Rohstoffen zu einer Substitution durch energieintensivere Materialien mit einem größeren ökologischen Fußabdruck. In diesem Zusammenhang weisen wir darauf hin, dass es noch kein Europäisches CO2-Grenzausgleichssystem gibt.
7. Beide Vorhaben untergraben das Vertrauen der Praktiker.
Ein Top-Down-Ansatz wird voraussichtlich die Kooperationsbereitschaft der Landeigentümer negativ beeinflussen. Landeigentümer und Bewirtschafter von landwirtschaftlichen Flächen und Wäldern in ganz Europa haben ihre Unterstützung für die Umsetzung des Natura-2000-Netzes unter der Voraussetzung bekundet, dass soziale und wirtschaftliche Aktivitäten mit ökologischen Zielen kombiniert werden können. In den letzten 30 Jahren wurde bzw. wird die soziale und wirtschaftliche Komponente dieser Vereinbarung systematisch ausgehöhlt. Die Verordnung über die Wiederherstellung der Natur wird dieses negative Gefühl noch verstärken und wahrscheinlich die in der EU-Naturschutzpolitik festgelegten Ziele zunichtemachen.
Quelle und Kontaktadresse:
Familienbetriebe Land und Forst e.V. (FaBLF)
Juliane Ahrens, Leiterin Kommunikation
Claire-Walldoff-Str. 7, 10117 Berlin
Telefon: (030) 2463046-0, Fax: (030) 2463046-23
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