Pressemitteilung | Bund der Steuerzahler Deutschland e.V. (BdSt)

Steuerzahler-Gedenktag 2002 / BDSt verlangt Belastungsabbau

(Berlin) - Statement von Dr. Karl Heinz Däke, Präsident des Bundes der Steuerzahler, anlässlich der Pressekonferenz am 23. Juli 2002 in Berlin zum Steuerzahler-Gedenktag 2002.



Es ist geschafft, heute ist Steuerzahler-Gedenktag. Heute haben die Steuerzahler ihr Soll erfüllt. In wenigen Minuten, nämlich um 9.36 Uhr, werden wir alle für unser eigenes Portemonnaie arbeiten. Zuvor ging unser Einkommen in Form von Steuern und Sozialabgaben rein rechnerisch an den Staat. Das ist die Realität: 56 Prozent des Jahres arbeiten wir ausschließlich, um den Staat mit Steuern und Abgaben zu versorgen.

Aus Sicht des Bundes der Steuerzahler ist der Steuerzahler-Gedenktag deshalb kein Feiertag, an dem die Champagnerkorken knallen. Um den geplagten Steuerzahlern das Ausmaß der Abgabenlast zu veranschaulichen, haben wir den Steuerzahler-Gedenktag-Schein entworfen. Wer sich diesen Schein in sein Portemonnaie legt, weiß Bescheid: Von hundert Euro gehen 56 Euro zunächst einmal an den Staat. Damit kein Zweifel aufkommen kann, wie hoch der Anteil des Staates an jedem sauer verdienten Euro ist, haben wir den Schein gleich an der richtigen Stelle perforiert. Wir verkennen selbstverständlich nicht, dass die Bürger für die erhobenen Zwangsabgaben auch Leistungen von Bund, Ländern, Gemeinden und Sozialversicherungssystemen in Anspruch nehmen. Aber die Tatsache, dass in Deutschland weit mehr als die Hälfte der erzielten Einkommen durch staatliche Kassen fließen, stellt einen krassen Belastungszugriff dar. So schwächt man das Wachstum und verhindert die Schaffung neuer Arbeitsplätze.

Zur Entwicklung des Gedenktages
Entsprechend der Entwicklung der volkswirtschaftlichen Einkommensbelastungsquote sind wir in diesem Jahr mit dem Steuerzahler-Gedenktag in Negativrekord-Regionen vorgestoßen. Schlechter geht es fast nicht mehr. Seit 1960 gab es nur zwei Jahre, in denen wir den Steuerzahler-Gedenktag später ausgerufen haben. Das waren die Jahre 1999 und 2000 mit Einkommensbelastungsquoten von 56,8 bzw. 57 Prozent. 1960 war der Staat keineswegs untätiger Zuschauer. Damals war gerade der Wiederaufbau nach dem Krieg zu einem guten Stück geschafft und das sprichwörtliche Wirtschaftswunder nahm seinen Lauf. Dies war eine Zeit, in der – auch und gerade vom Staat – große Aufgaben zu bewältigen waren. Dennoch betrug die Einkommensbelastungsquote 1960 nur 41,5 Prozent. Der Steuerzahler-Gedenktag wäre also der 31. Mai gewesen. Besorgnis erregend ist die langfristige Betrachtung. Seit den 60er Jahren steigt die Einkommensbelastungsquote im Trend permanent an. Ich habe allerdings den Eindruck, dass die Politik dieses Problem unterschätzt hat und weiterhin unterschätzt. Das ist fahrlässig. Auch die Politik muss erkennen, wie sich die Belastung entwickelt hat, wie sie sich entwickeln wird und vor allem muss sie entscheiden, was getan wird, um den Trend umzukehren. Denn wenn weitergemacht wird wie bisher, wird sich der Belastungszugriff immer weiter verschärfen und Wachstum und Beschäftigung werden abgewürgt. Ein wichtiger Schritt für die Zukunft wäre die Einführung von automatischen Bremsen, die die Ausweitung der Belastung verhindern. Das ist eine Maßnahme, die – wie ich meine - selbstverständlich sein sollte. Denn wie ist zu begründen, dass der Staat uns von Jahr zu Jahr ohne an der Steuerschraube zu drehen einen größeren Anteil aus dem Portemonnaie zieht und für sich beansprucht? Ein entscheidender Treibsatz für die permanenten Belastungsverschärfungen sind die heimlichen Steuererhöhungen bei der Lohn- und Einkommensteuer. Hier muss angesetzt werden. Der Bund der Steuerzahler und sein Karl-Bräuer-Institut werden daher in Kürze einen konkreten Vorschlag vorlegen. Er wird zeigen, wie die automatische Belastungsverschärfung, zu der es bei steigenden Einkommen im Zusammenwirken mit dem progressiven Lohn- und Einkommensteuertarif kommt, dauerhaft verhindert werden kann. Die Einkommen sind am besten da aufgehoben, wo sie hingehören, in den Taschen der Steuerzahler. Gerade die Entwicklung der jüngsten Vergangenheit ist aber ernüchternd. Denn es zeigt sich, dass die „Steuerreform 2000“ keine nachhaltige Rückführung der Belastung gebracht hat. Nach einem Rückgang um 2,1 Prozentpunkte im Jahr 2001 steigt nämlich die Einkommensbelastung im laufenden Jahr bereits wieder um 1,1 Prozentpunkte an, und sie wird bis 2004 voraussichtlich um weitere 0,4 Prozentpunkte zulegen. Selbst im Jahr 2005, wenn die letzte Stufe der „Steuerreform 2000“ in Kraft tritt, wird die Einkommensbelastung mit dann 55,8 Prozent um 0,7 Prozentpunkte über dem Wert von 1998 liegen, dem letzten Jahr vor den laut Bundesregierung „umfassendsten Steuersenkungen in der Geschichte der Bundesrepublik“.

Für 2006 ist ein erneuter Anstieg um 0,5 Prozentpunkte bereits wieder vorgezeichnet. Ein Hauptgrund liegt darin, dass seit 1998 nicht nur Steuerentlastungen beschlossen wurden, sondern auch Steuererhöhungen. Denn zusätzlich zu den heimlichen Steuererhöhungen gab es offene Erhöhungen bei der so genannten Ökosteuer, der Versicherungssteuer und der Tabaksteuer. Entgegen der erklärten Absicht der Bundesregierung ist auch bei den Beiträgen zur Sozialversicherung keine spürbare Entlastung in Sicht. Im Gegenteil, hier wird die Belastung - nicht zuletzt auf Grund der negativen demographischen Entwicklungen verbunden mit fehlenden Systemreformen - weiter steigen. Die BfA geht ja mittlerweile von einem Anstieg des Beitragssatzes zur Rentenversicherung von 19,1 auf 19,3 Prozent im Jahr 2003 aus. Der Krankenversicherungsbeitrag legt bereits in diesem Jahr deutlich zu. Die Entwicklung zeigt: Im Grunde ist mit der Rückführung des Staatsanteils noch gar nicht angefangen worden. Der längerfristige Rückblick zeigt aber auch: Mit beherzten Reformen wie der Steuerreform in den Jahren 86, 88 und 90 ist es möglich, die Einkommensbelastung zu reduzieren.

Zur Berechnung des Gedenktages
Wir berechnen den genauen Zeitpunkt des Steuerzahler-Gedenktages auf Basis der Volkswirtschaftlichen Einkommensbelastungsquote. Diese Quote hat unser Karl-
Bräuer-Institut entwickelt. Sie wird ermittelt, indem die Steuern und Abgaben ins Verhältnis gesetzt werden zum Volkseinkommen. Die Quote gibt also an, wie viel Prozent des Volkeinkommens über Steuern und Abgaben an den Staat fließen. Die Quote ist der ideale Indikator, wenn man ermitteln will, wie stark die Einkommen der Bürger und Betriebe belastet werden. Wir ermitteln die Quote seit nunmehr drei Jahren und haben sie bis 1960 zurückgerechnet. Anfangs wurde die damals neue Quote von der Politik ignoriert. In Fachkreisen dagegen ist sie schnell auf Zustimmung gestoßen. Mittlerweile stellen wir fest, dass sich die Kennziffer immer mehr durchsetzt. So musste sich der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, Karl Diller, im Deutschen Bundestag zur Einkommensbelastungsquote äußern. Das Bundesfinanzministerium sah sich genötigt, die Quote von sich aus auf seiner Homepage zu kommentieren. Ich freue mich über diese Entwicklung. Denn der Belastungszugriff findet zum großen Teil im Verborgenen statt. Viele Steuerzahler wissen gar nicht, wie stark sie insgesamt belastet werden. Die Höhe der Lohnsteuer sieht man an der Lohnabrechnung. Indirekte Steuern oder die Sozialabgaben des Arbeitgebers dagegen werden weniger stark wahrgenommen. Den Steuerzahlern sollte aber bewusst sein, wie hoch der gesamte Belastungszugriff des Staates tatsächlich ist. Die Einkommensbelastungsquote ist daher ein idealer Indikator.

Übrigens wurden die Ergebnisse unserer Berechnungen bisher von niemandem angezweifelt. Ich möchte an dieser Stelle den einen oder anderen vermeintlichen Einwand gegen die Aussagefähigkeit der Quote vorweg nehmen: Die Bundesregierung argumentiert, dass wir das Volkseinkommen als Bezugsgröße benutzen und nicht, wie international üblich, das Bruttoinlandsprodukt (BIP). Damit falle unsere Quote zu hoch aus. Es stimmt. Wir nehmen das Volkseinkommen als Bezugsgröße. Das haben wir nie verschwiegen, sondern darauf weisen wir regelmäßig hin. Grund dafür ist, dass wir ermitteln wollen, wie hoch die Einkommen der Bürger belastet werden. Nimmt man als ezugsgröße das BIP, dann wird die Einkommensbelastung unterzeichnet. Denn das BIP umfasst erheblich mehr als die gesamtwirtschaftlich erzielten Einkommen. Das BIP drückt den Bruttowert aller im Inland produzierten Güter und Dienstleistungen aus. Dazu gehören auch die Abschreibungen. Steuern und Abgaben werden aber aus den Einkommen bestritten.

Die Bundesregierung verweist auch darauf, dass gesamtwirtschaftliche Quoten nur einen geringen Aussagewert hinsichtlich der individuellen Belastung haben. Das gilt natürlich für jede Globalzahl. Mit dieser Argumentation kann man auch zu der Aussage gelangen, eine Arbeitslosenquote von 9,5 Prozent lasse keinen Rückschluss auf die individuelle Arbeitssituation der Haushalte zu und sei daher als Indikator zur Messung der Arbeitslosigkeit abzulehnen. Globalzahlen haben aber den unbestreitbaren Vorteil, dass sie einen Sachverhalt aggregiert abbilden. Daher ist die Einkommensbelastungsquote hinsichtlich der durchschnittlichen Belastung der gesamtwirtschaftlich erzielten Einkommen sehr aussagefähig. Der Einwand des Bundesfinanzministeriums, „Ergebnisse wie z.B. die des Karl-Bräuer-Instituts basieren nicht auf international üblichen Standards und sind daher nicht vergleichbar“, hat uns erstaunt. Denn wir haben bisher nur nationale Zeitvergleiche angestellt und keine internationalen Vergleiche. Aus meiner Sicht führt das Argument auch nicht sehr weit, denn wenn die Steuerzahler in Deutschland über Gebühr belastet werden, hilft es gar nichts, wenn die Belastung in anderen Ländern überhöht ist. Augenwischerei führt zu nichts.

Der Steuerzahler-Gedenktag im internationalen Vergleich
Wir haben dennoch einmal versucht einzuordnen, wie Deutschland im internationalen Vergleich da steht. Einen Hinweis liefert das Bundesfinanzministerium selbst. In seinem Monatsbericht 10/2001 hinsichtlich der „Belastung von Arbeitnehmern durch Einkommen-/Lohnsteuer und Sozialabgaben 2000“ wird für Deutschland ausgeführt: „Die effektive Abgabenbelastung durch Steuern und Sozialabgaben liegt im internationalen Vergleich für einen Alleinstehenden ohne Kinder im oberen Bereich (sie wird nur noch von Dänemark und Belgien übertroffen),
- Verheiratete mit zwei Kindern (ein Alleinverdiener) ebenfalls im oberen Bereich (nur die skandinavischen Staaten, Belgien und die Niederlande weisen eine höhere effektive Abgabenbelastung als Deutschland auf, alle anderen Staaten eine niedrigere); das gleiche Bild ergibt sich für

- Verheiratete mit zwei Kindern (ein volles Durchschnittseinkommen, ein weiteres in Höhe von 33 %), auch im oberen Bereich.“ Die Zahlen beziehen sich auf das Jahr 2000. Da seitdem aber die Einkommensbelastungsquote nur marginal gesunken ist und mir nichts darüber bekannt ist, dass in den angesprochenen Ländern seitdem die Steuern erhöht wurden, kann man davon ausgehen, dass die Grundtendenz auch heute noch so stimmt.

Aktuellere Zahlen liefert die OECD, sicherlich eine unverdächtige Quelle. Die OECD vergleicht, wie die Brutto-Arbeitskosten eines ledigen Durchschnittsverdieners mit Lohnsteuer und Sozialbeiträgen belastet werden. Dabei muss man wissen, dass Ledige in Deutschland die größte Gruppe unter den Steuerzahlern ausmachen. Im Jahr 2001 ergab sich folgendes Bild: Japan: 24,2 Prozent, Schweiz: 29,5 Prozent, Großbritannien: 29,7 Prozent, USA: 30 Prozent, Kanada: 30,2 Prozent, Niederlande: 42,3 Prozent, Österreich: 44,7 Prozent, Italien: 46,2 Prozent, Frankreich: 48,3 Prozent und Deutschland: 50,7 Prozent. Dies sind zwei Hinweise darauf, dass Deutschland auch im internationalen Vergleich schlecht da steht. Und diese Hinweise kommen von offizieller Seite.

Fazit
Ernüchterndes Fazit also: Was die Steuer- und Abgabenbelastung angeht, steht Deutschland schlecht da, und eine grundlegende Besserung ist nicht in Sicht. Die bisherigen Entlastungen reichen per saldo offenbar bei weitem nicht. Der Belastungstrend weist weiterhin nach oben und dies von einem Niveau ausgehend, bei dem Vielen der Spaß an Leistung längst vergangen ist. Wird die Politik auf die Entwicklung reagieren? Ich meine, es bleibt uns nichts anderes übrig. Denn jeder Tag nach dem Motto „Weiter wie bisher“ verschärft die Probleme. Wenn wir Reformen auf die lange Bank schieben, wenn wir das Anspruchsdenken nicht zurückschrauben, wenn wir den Staat nicht in seine Schranken verweisen, dann werden wir in jedem Jahr den Steuerzahler-Gedenktag immer deutlicher nach der Jahresmitte ausrufen können.

Quelle und Kontaktadresse:
Bund der Steuerzahler e.V. (BDSt) Adolfsallee 22 65185 Wiesbaden Telefon: 0611/991330 Telefax: 0611/9913314

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