Stellungnahme zu einer zivilrechtlichen Antidiskriminierungsgesetzgebung
(Berlin) - Anläßlich eines Fachgespräch zwischen Wissenschaftlern, Vertretern gesellschaftlicher Gruppen und Betroffenen auf Einladung der SPD-Bundestagsfraktion am 2. Februar 2004 in Berlin nimmt der Deutsche Juristinnenbund (djb) wie folgt Stellung:
1. Aufnahme aller Diskriminierungsmerkmale aus dem EG-Vertrag und der Grundrechtecharta in das Antidiskriminierungsgesetz
Bei der Umsetzung der sogenannten Antidiskriminierungsrichtlinie (RL 2000/43/EG) in das Zivilrechtsollten die übrigen in Art. 13 EGV und Art. 21 Grundrechtecharta genannten Diskriminierungsmerkmale, insbesondere das Merkmal Geschlecht, Berücksichtigung finden. Der entsprechende Richtlinienvorschlag der EU-Kommission zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Frauen und Männern beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen liegt inzwischen vor (KOM (2003) 657 endgültig). Er zeigt deutlich auf, in welchen Bereichen Frauen bei dem Zugang zu Dienstleistungen und Gütern diskriminiert werden: Kreditvergabe und Versicherungsverträge (Kranken- und Rentenversicherungen) werden an erster Stelle genannt. Der insoweit von der EU-Kommission eingehend begründete Handlungsbedarf des europäischen Gesetzgebers begründet einen ebensolchen für den bundesdeutschen Gesetzgeber.
2. Klarheit schaffen durch ein umfassendes Gesetz mit einheitlicher Definition zentraler Begriffe
Diese Erkenntnis lag auch dem Antrag 352 der ASJ zugrunde, mit dem die SPD-Bundestagsfraktion und die Bundesregierung aufgefordert wurden, ein umfassendes Antidiskriminierungsgesetz einzubringen. Nur ein auf alle Diskriminierungsmerkmale bezogenes Gesetz gewährleistet die notwendige Konsistenz durch klare und in den verschiedenen Gebieten des Zivilrechts übereinstimmende Definitionen zu zentralen 2
Begriffen. Nur so kann auch die Problematik der Mehrfachdiskriminierung sachgerecht geregelt werden.
Auch das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit wird bei der Umsetzung der drei Antidiskriminierungsrichtlinien für den Bereich Beruf und Beschäftigung alle in den Richtlinien genannten Diskriminierungsmerkmale in ein einheitliches Gesetz aufnehmen.
3. Gleichartige Diskriminierungsmerkmale erfordern gleiches Schutzniveau
Darüber hinaus bestehen verfassungsrechtliche Bedenken gegen eine nationale Regelung nur des Diskriminierungsverbots aus rassistischen oder ethnizistischen Gründen. Art. 3 Abs. 3 GG enthält wie die europarechtlichen Regelungen eine Aufzählung verbotener Diskriminierungsmerkmale. Das Merkmal Geschlecht wird dabei an erster Stelle genannt und ist Gegenstand einer weiteren, eigenständigen Regelung in Art. 3 Abs. 2 GG. Im übrigen geht die deutsche Verfassungswissenschaft davon aus, dass alle in Art. 3 Abs. 3 GG genannten Merkmale nach gleich strengen Maßstäben zu behandeln sind. Deshalb steht es dem bundesdeutschen Gesetzgeber nicht frei, einfachgesetzlich nur bestimmte, ausgewählte Diskriminierungsverbote und daran anknüpfende Sanktionen zu regeln, ohne gewichtige Gründe für ein unterschiedliches Schutzniveau anführen zu können. Während der zivilrechtliche Diskriminierungsschutz eine sinnvolle und von den Betroffenen für notwendig erachtete Ergänzung der Freiheitsrechte in Bezug auf Religion, Weltanschauung oder auch sexuelle Orientierung ist, sind andere Merkmale wie rassische oder ethnische Herkunft, Geschlecht oder Behinderung von der Person selbst nicht beeinflussbar, sie kann sich auch nicht durch Verschweigen Diskriminierungen entziehen. Der Diskriminierungsschutz gewinnt hier eine eigenständige Qualität, die es dem Gesetzgeber verwehrt, einzelne Merkmale herauszugreifen, bei anderen Merkmalen den ebenso erforderlichen gesetzlichen Schutz jedoch zu versagen.
Quelle und Kontaktadresse:
Deutscher Juristinnenbund (Vereinigung der Juristinnen, Volkswirtinnen und Betriebswirtinnen) e.V. (djb)
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