Statement: Kabinett beschließt Hinweisgeberschutz-Gesetzentwurf
(Berlin) - Das Bundeskabinett hat heute den Regierungsentwurf für das Hinweisgeberschutz-Gesetz beschlossen. Dazu erklärt Dr. Sebastian Oelrich, Co-Leiter der Arbeitsgruppe Hinweisgeberschutz von Transparency Deutschland:
"Wir freuen uns, dass das Kabinett endlich einen Regierungsentwurf zum Hinweisgeberschutz beschlossen hat, schließlich läuft in dieser Sache seit Januar ein EU-Vertragsverletzungsverfahren. Der Regierungsentwurf ist leider nur geringfügig besser als der erste Referentenentwurf von April. Der Bundestag wird hier noch einiges zu tun haben, damit das Gesetz am Ende tatsächlich seinem Anspruch gerecht wird, Whistleblower:innen umfassend zu schützen.
Eine große Baustelle für die Beratungen im Bundestag sind anonyme Meldungen. Alle Unternehmen und Behörden müssten verpflichtet werden, anonymen Meldungen nachzugehen. Größere Unternehmen und externe Meldebehörden müssten darüber hinaus verpflichtet werden, anonyme Meldemöglichkeiten einzurichten. Dies ist im Gesetzentwurf nicht vorgesehen. Seltsam mutet an, dass im Entwurf nicht-anonyme Meldungen gegenüber anonymen Meldungen Vorrang genießen sollen, unabhängig von der Dringlichkeit.
Die Bundesregierung bleibt damit hinter der bereits bewährten Praxis in der Wirtschaft zurück: 63 Prozent der befragten Unternehmen in Deutschland haben in einer Studie von 2019 angegeben, anonyme Meldewege zu nutzen. Dass anonyme Meldewege wichtig sind, zeigt eine weitere Studie: 46 Prozent der befragten Mitarbeitenden einer deutschlandweiten Unternehmensbefragung sagen, dass Bedenken bezüglich der Anonymität und Vertraulichkeit ein Hauptgrund sind, Missstände nicht zu melden.
Die Parlamentarier:innen müssen außerdem den sachlichen Anwendungsbereich des Gesetzes noch deutlich ausweiten. Welche Meldungen geschützt sind und welche nicht, ist weder für potentielle Hinweisgebende noch Unternehmen verständlich oder plausibel. Das Gesetz muss daher sämtliche Rechtsverstöße sowie sonstiges Fehlverhalten, dessen Meldung bzw. Offenlegung im öffentlichen Interesse liegt, erfassen.
Ein neuralgischer Punkt sind Verschlusssachen, die vom Whistleblower-Schutz vollständig ausgenommen sind. Möglich ist nur eine Meldung an eine interne Meldestelle, hier hat die Bundesregierung gegenüber dem ursprünglichen Entwurf ein klein wenig nachgebessert. Aber das reicht nicht, denn Whistleblower:innen brauchen gerade in diesem Bereich besonderen Schutz. Das zeigen prominente Beispiele wie Edward Snowden.
Ohne weitere Verbesserungen drohen neue Unsicherheiten für Hinweisgebenden und Unternehmen. Am Ende schadet ein lückenhafter Hinweisgeberschutz allen Bürger:innen, wenn Missstände nicht frühzeitig aufgedeckt und abgestellt werden und zu Skandalen heranwachsen können."
Hintergrund
Im Oktober 2019 hat die Europäische Union die Richtlinie zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden (Richtlinie (EU) 2019/1937), verabschiedet. Die Mitgliedstaaten waren verpflichtet, innerhalb von zwei Jahren gesetzliche Regelungen zu schaffen, die Hinweisgeber:innen vor Repressalien schützen.
Deutschland sowie viele weitere Mitgliedstaaten haben die Richtlinie jedoch nicht wie erforderlich bis zum 17. Dezember 2021 umgesetzt. Gegen 23 Mitgliedstaaten hat die EU-Kommission daher im Januar 2022 Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet.
Quelle und Kontaktadresse:
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