Stärkung der Pharmaindustrie: Politik und Wirtschaft fordern neue Impulse
(Berlin) - Der Pharmastandort Deutschland muss gestärkt werden. Dafür bedarf es neuer Impulse, damit die pharmazeutische Branche ihr Potenzial als Schlüsselindustrie noch stärker nutzen kann. Angesichts der Wirtschaftskrise ist die Pharmaindustrie durch ihre hohe Innovationskraft, Wertschöpfung und Produktivität von großer Bedeutung. Darin waren sich Gäste aus Politik und Industrie beim gestrigen Live-Event „Stark am Standort“ des vfa in Berlin einig.
Kanzleramtsminister Wolfgang Schmidt (SPD) unterstrich in einem Gespräch mit vfa-Präsident Han Steutel die Bedeutung der Pharmastrategie als wirtschaftspolitisches Instrument. „Die Pharmastrategie ist ein gutes Beispiel dafür, wie es gehen kann.“ Gemeinsam habe man Probleme analysiert und Lösungen entwickelt. Die Pharmaunternehmen hätten mit Investitionen in neue Standorte ihr „Vertrauen in den Standort Deutschland gezeigt“. Die Pharmastrategie sei ein „Erfolgsmodell, das man auf andere Branchen übertragen kann“. Steutel betonte: „Die Bundesregierung hat ein klares Signal in Richtung der globalen Pharmaindustrie abgegeben. Die nächste Bundesregierung muss darauf aufbauen. Wenn wir das nicht tun, werden wir viel verlieren.“
Franziska Brantner, Bundesvorsitzende der Grünen, erklärte, dass man einerseits etablierte Industriezweige wie Automobil und Chemie bei der wirtschaftlichen Transformation begleiten müsse und andererseits neue Sektoren wie die Pharmaindustrie aufbauen und stärken sollte. Sie sah Potenzial in der Zusammenarbeit von Wissenschaft und Unternehmen, insbesondere bei Neugründungen. „Wir haben in Deutschland einzelne Regionen, in denen das bereits vorbildlich funktioniert, wo Forschungseinrichtungen und Start-ups sehr gut zusammenarbeiten.“
„Die Stärke Europas ist eine ökonomische“, erklärte Dr. Paula Piechotta (Grüne). „Eine starke, innovative und idealerweise international erfolgreiche Pharmaindustrie spielt dabei eine große Rolle.“
Tino Sorge, gesundheitspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, forderte, dass zur nachhaltigen Finanzierung der Gesundheitsversorgung „versicherungsfremde Leistungen aus dem System herausgenommen“ werden müssten. Er betonte die Notwendigkeit einer Weiterentwicklung des AMNOG: „Bei der Preisbildung müssen wir beim AMNOG nachjustieren. Wir sollten überlegen, wie wir hochrisikobehaftete Innovationen, bevor sie in die Versorgung kommen, besser für Unternehmen kalkulierbar machen.“
Matthias Mieves (SPD) und Thomas Jarzombek (CDU) waren sich einig, dass es bei der Datennutzung für die Forschung großen Nachholbedarf gibt. „Wir haben in Deutschland einen riesigen Rückstand, was die Nutzung von Gesundheitsdaten betrifft“, sagte Mieves. Jarzombek ergänzte: „Man braucht Forschungsdaten, um besser forschen zu können.“
Otto Fricke, haushaltspolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, hält einen neuen Ansatz beim Fachkräftebedarf für notwendig, um Menschen auch für andere Berufe zu begeistern: „Neugier ist essenziell. Ich fördere Neugier, indem ich den Menschen sage, dass sie neugierig sein dürfen und dass es sich lohnt, neugierig zu sein.“
Klaus Holetschek (CSU) betonte den Wert der Digitalisierung und die Nutzung von Daten für bessere Forschungsbedingungen: „Die Digitalisierung muss vorangetrieben werden. Der Datenschutz darf die Nutzung der Daten nicht dominieren.“ Weiter sagte er: „Wir müssen Bürokratie und Regulierung zurückdrängen. Denn wir sind in der Forschung zurückgefallen, weil wir zu kompliziert geworden sind.“
Bettina Stark-Watzinger (FDP), ehemalige Bundesbildungs- und Forschungsministerin, sieht die Vernetzung von Forschung und Wirtschaft als dringliches Ziel: „Die Pharmaindustrie ist eine der Schlüsselindustrien, die Innovationen nach Deutschland bringen.“ Dafür gelte es, beide Bereiche enger miteinander zu verzahnen: „Wir müssen privates Kapital mobilisieren, damit Ideen finanziert werden und wachsen können.“
Unzufriedenheit mit der politischen Debattenkultur
Ähnlich wie die Vertreter:innen aus Politik und Unternehmen sah laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey im Auftrag des vfa eine große Mehrheit (69 Prozent) den Abbau der Bürokratie als eine der größten Herausforderungen für den Wirtschaftsstandort Deutschland. Ebenso wichtig: dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken (37 Prozent) und die Industrie zukunftsfest zu machen (33 Prozent).
Um das Gesundheitssystem zukunftsfähig zu gestalten, solle die Politik für eine bessere Organisation der Patient:innen (53 Prozent) und eine effizientere Krankenversicherung (44 Prozent) sorgen. Zusätzlich erachten viele Befragte eine verstärkte Digitalisierung (34 Prozent) und die Versorgung mit den neuesten Arzneimitteln (21 Prozent) als wichtig.
Für die Lösung dieser Probleme fordert eine große Mehrheit der Bevölkerung mehr Sachorientierung (72 Prozent). Bislang sei dies nicht der Fall: 79 Prozent gaben an, mit der politischen Debattenkultur eher oder eindeutig unzufrieden zu sein.
Quelle und Kontaktadresse:
Verband Forschender Arzneimittelhersteller e.V. (VFA), Henrik Jeimke-Karge, Pressesprecher(in) Wirtschaftspolitik, Hausvogteiplatz 13, 10117 Berlin, Telefon: 030 206040