Stärker aus der Ertragskrise: Stiftungen entdecken alte und neue Wege für mehr Wirkung
(Berlin) - Niedrigzinsphase lässt Erträge von Stiftungen schmelzen / Nur gut die Hälfte der kleinen Stiftungen erwartet 2017 Renditen oberhalb des Inflationsniveaus / Gleichzeitig: Stiftungswachstum setzt sich fort / Kapital sucht neue Wege für Wirkung / Bundesverband fordert Reform des Stiftungsrechtes
Deutschlands Stiftungen stehen in Zeiten anhaltender Niedrigzinsen zunehmend unter Druck. Wie der Bundesverband Deutscher Stiftungen auf seiner Jahrespressekonferenz bekannt gab, erwarten laut einer Befragung seines StiftungsPanels nur noch zwei Drittel der Stiftungen Renditen oberhalb der prognostizierten Jahresinflationsrate. Dabei trifft die Ertragskrise kleine Stiftungen mit einem Vermögen von unter 1 Million Euro besonders hart: Hier rechnen nur noch ein Drittel der befragten Stiftungen mit Renditen über dem diesjährigen zu erwartenden Inflationsniveau.
"Die Lage ist ernst - aber Stiftungen sind in ihrer Wirkung nicht vom Kapitalmarkt abhängig.", betont Felix Oldenburg, Generalsekretär des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen. "Die anhaltende Niedrigzinsphase führt den deutschen Stiftungssektor in eine neue Phase des Stiftungswirkens. Ich bin optimistisch, dass wir gestärkt daraus hervorgehen werden. Die Vorbilder für ertragreiche, nachhaltige und wirkungsorientierte Investitionen sind da. Damit mehr Stiftungen diesen Beispielen folgen können, muss die Bundesregierung jetzt aber die Reform des Stiftungsrechts zügig umsetzen."
Stiftungswachstum ungebremst
Trotz der verschärften Ertragssituation setzt sich das Stiftungswachstum weiter fort. Allein 582 rechtsfähige Stiftungen bürgerlichen Rechts sind 2016 neu errichtet worden und lassen die Zahl der Stiftungen in Deutschland auf 21.806 steigen. Das Wachstum ist damit stabil und auf Vorjahresniveau (583 Neugründungen in 2015).
Die Wachstumsquote liegt bundesweit bei 2,4 Prozent. Besonders die östlichen Bundesländer zeigen sich dynamisch: In Brandenburg (5,5 Prozent), Sachsen (3,7 Prozent) und Thüringen (2,9 Prozent) liegt die Wachstumsquote über dem Durchschnitt.
"Stiften bleibt beliebt. Die hohe Zahl an Neugründungen, jede Woche sind es im Durchschnitt 11 neue Stiftungen, die in Deutschland gegründet werden, zeigen: Bürgerinnen und Bürger setzen sich weiterhin aktiv für die Weiterentwicklung und Mitgestaltung der Gesellschaft ein. 582 Stiftungsneugründungen: Das sind gute Nachrichten aus der Zivilgesellschaft in anspruchsvollen Zeiten.", so Prof. Dr. Michael Göring, Vorstandsvorsitzender des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen.
Stiftungen in Niedrigzinszeiten
Im Rahmen des StiftungsPanels, einer deutschlandweit einzigartigen Befragung unter Stiftungen, wurden Zahlen zur Vermögenssituation von Stiftungen in Niedrigzinszeiten im Zeitraum zwischen Januar und Februar 2017 ermittelt. 255 Stiftungen beteiligten sich an der Befragung. Die Umfrage zeigt die wachsenden Schwierigkeiten für Stiftungen, ausreichend Erträge zu erzielen. Während 2015 noch 75 Prozent der befragten Stiftungen Renditen oberhalb des Inflationsniveaus erzielten, waren es 2016 nur noch 70 Prozent. Für 2017 erwarten nur noch rund zwei Drittel der befragten Stiftungen, dass sie Renditen oberhalb des prognostizierten Inflationsniveaus von 1,5 Prozent erreichen werden. Unter kleinen Stiftungen mit einem Vermögen von unter 1 Million Euro, sie machen rund 70 Prozent der deutschen Stiftungen aus, ist die Lage noch schwieriger. Hier rechnen 2017 nur 56 Prozent der befragten Stiftungen damit, dass die Renditen über dem Inflationsniveau liegen werden. "Das Stiftungsmodel wird an seine Grenzen geführt.", analysiert Prof. Ann-Kristin Achleitner, Wirtschaftsprofessorin an der TU München. "Stiftungen sind vom Gesetzgeber angehalten, ihr Stiftungskapital zu erhalten und gleichzeitig mit den erwirtschafteten Erträgen ihren Stiftungszweck zu verfolgen. Beiden Zielen nachzukommen wird insbesondere für kleinere Stiftungen immer schwieriger. Stiftungen werden sich neuen und auch unbequemen Fragen stellen müssen."
Stiftungssektor vor dem Aufbruch in eine nächste Phase
Der Bundesverband erkennt eine Chance zum Wandel und zur Weiterentwicklung des Stiftungssektors. Verkörpert wird dieser Wandel zum einen durch den neuen Generalsekretär Felix Oldenburg, der neben einer inhaltlichen Neuausrichtung, auch einen Generationenwechsel im Verband einläutet. Zum anderen geht der Bundesverband mit dem Ausbau seiner Aktivitäten im Bereich der regionalen Vernetzung, mit neuen Partnern im Bereich der nachhaltigen Vermögensanlage (u.a. oekom research, CSSP), einer verstärkten juristischen Beratung und Kommunikation deutlich intensiver als bisher auf die Herausforderungen im Vermögensmanagement ein.
So werden Stiftungen in der Entwicklung eines zeitgemäßen Vermögensmanagements bestärkt. Sahen Stiftungen bisher oftmals das Mittel ihrer Zweckverfolgung primär im Einsatz ihrer Erträge, so wird heute verstärkt auch die Vermögensseite in den Blick genommen. Konkret heißt das: Förderung und Investition, Kapital und Wirkung verstärkt zusammenzudenken.
Reformbedarf beim Stiftungsrecht
Der Verband sieht Handlungsbedarf insbesondere in drei Bereichen, um das Stiftungswesen in Deutschland zu fördern. Erstens sollen die Rechte von Stifterinnen und Stiftern gestärkt werden, indem das Gesetz erlaubt, den Stiftungszweck auch zu Lebzeiten des Stiftenden nachträglich anzupassen. Zweitens wird gefordert, dass die Zu- und Zusammenlegung von Stiftungen sowie die Möglichkeit der Umwandlung in eine Verbrauchsstiftung erleichtert werden. Drittens spricht sich der Verband für die Etablierung und Optimierung rechtlicher Rahmendbedingungen auf Bundesebene aus und unterstützt Bestrebungen nach mehr Transparenz im Stiftungssektor durch die Schaffung eines öffentlich einsehbaren Stiftungsregisters.
Blick auf die Bundesländer
Den größten Zuwachs an Stiftungen in absoluten Zahlen erreichte erneut das bevölkerungsreichste Bundesland Nordrhein-Westfalen mit 134 Neugründungen.
In absoluten Zahlen liegt NRW weiter an der Spitze: 4.258 rechtsfähige Stiftungen bürgerlichen Rechts haben hier ihren Sitz. An zweiter Stelle liegt Bayern (3.938 Stiftungen), gefolgt von Baden-Württemberg mit 3.255 Stiftungen. Sachsen ist stiftungsreichstes ostdeutsches Bundesland mit 528 Stiftungen.
Gemessen an der Einwohnerzahl haben bei den Bundesländern die Stadtstaaten Hamburg (78 Stiftungen pro 100.000 Einwohner) und Bremen (50) sowie die Flächenländer Hessen (32), Bayern (31) und Baden-Württemberg (30) in der Stiftungsdichte die Nase vorn.
Hauptstadt der Stiftungen in Bezug auf ihre Einwohnerzahl bleibt Würzburg. Pro 100.000 Einwohner gibt es hier 92 Stiftungen, dahinter kommen Oldenburg mit 80, Hamburg mit 78 und Frankfurt mit 78 Stiftungen.
Quelle und Kontaktadresse:
Bundesverband Deutscher Stiftungen e.V., Haus Deutscher Stiftungen
Martin Speer, Pressesprecher
Mauerstr. 93, 10117 Berlin
Telefon: (030) 8979470, Fax: (030) 89794711