Städtetagspräsidentin Roth und Vize Schmalstieg legen Finanzdaten vor Kein Ausweg aus der Finanzkrise der Städte in Sicht: Entlastung bei den Sozialausgaben steht nur auf dem Papier
(Berlin) - Für die dramatischen Haushaltsprobleme der Städte ist im vierten Jahr ihrer schweren Finanzkrise immer noch kein Ausweg in Sicht. Die Finanzlage der Kommunen hat sich 2003 weiter verschärft und wird sich trotz langer politischer Diskussionen um die Gemeindefinanzen auch 2004 nicht verbessern. Das belegen aktuelle Daten der kommunalen Spitzenverbände zur Finanzlage der Städte, Gemeinden und Kreise, die der Deutsche Städtetag heute in Berlin vorgelegt hat.
Rekorddefizite, ein Tiefststand der Investitionen und ein starker Anstieg der Sozialausgaben prägen das aktuelle Bild der Stadtfinanzen, sagte die Präsidentin des Deutschen Städtetages, die Frankfurter Oberbürgermeisterin Petra Roth, und nannte folgende Fakten:
- 2002 belief sich das Gesamtdefizit der kommunalen Haushalte die Differenz zwischen Einnahmen und Ausgaben auf 4,66 Milliarden Euro, 2003 waren es 9,7 Milliarden, 2004 ist mit 10 Milliarden Euro zu rechnen.
- Die Investitionen sanken 2003 um weitere 8,3 Prozent und lagen damit im vergangenen Jahr um über 35 Prozent unter dem Stand von 1992.
- Die Sozialausgaben dagegen stiegen um 7,7 Prozent und werden sich 2004 um weitere 4,6 Prozent erhöhen. Sie liegen dann um rund 45 Prozent über dem Niveau von 1992.
Die von den Städten lange ersehnte Gemeindefinanzreform ist im Verhandlungspoker von Bund und Ländern unter den Tisch gefallen. Viele Städte stehen mit dem Rücken an der Wand und sind finanziell handlungsunfähig. Der Patient ist schwer krank, die Diagnose ist bekannt, aber Bund und Länder vertagen immer wieder die Therapie. Wir dringen deshalb darauf, dass eine
Reform der Gemeindefinanzen auf der Tagesordnung bleibt, sagte Frau Roth. Weil die Reform nicht stattgefunden habe, verharre das Defizit der Kommunen 2004 auf Rekordhöhe. Die von Bundestag und Bundesrat beschlossene Senkung der Gewerbesteuerumlage verhindere nur, dass das Minus weiter steige.
Präsidentin Roth pocht auf deutliche Entlastung bei den Sozialausgaben
Als Kernforderung für die nächsten Monate nannte die Städtetagspräsidentin eine deutliche Entlastung der Städte bei den Sozialausgaben: Versprochen ist versprochen. Wir verlangen deshalb, dass Bund und Länder die Städte durch die Zusammenführung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe ab 2005 jährlich um mehrere Milliarden Euro entlasten. Bisher steht eine Entlastung um 2,5 Milliarden Euro nur auf dem Papier. Tatsächlich aber ist dies bisher in keiner Weise gesichert, viele Städte rechnen sogar mit Mehrbelastungen. Wir sind nicht bereit, Luftbuchungen hinzunehmen oder sogar draufzuzahlen. Das Gesetz muss vor Inkrafttreten korrigiert werden. Der alarmierende Anstieg der kommunalen Sozialausgaben belegt, dass unbedingt gehandelt werden muss.
Roth bemängelte, dass den Kommunen ab 2005 die vollen Unterkunftskosten für alle Arbeitslosengeld II-Bezieher und Sozialhilfeempfänger aufgebürdet werden sollen und so die Kostenübernahme des Bundes für die erwerbsfähigen Sozialhilfeempfänger aufgezehrt werde. Außerdem seien die Belastungen der Städte durch Beratungs- und Betreuungsdienstleistungen für 2,5 Millionen Langzeitarbeitslose im Finanztableau des Gesetzes viel zu niedrig angesetzt. Klare Forderungen richten die Städte auch an die Länder: Von den Ländern erwarten wir dringend verbindliche Erklärungen, dass sie ihre Entlastung den Kommunen zur Verfügung stellen. Denn es wäre unhaltbar, wenn die Länder ihre Ersparnisse beim Wohngeld für die Sanierung ihrer Haushalte verwenden. Zudem lehnen wir es ab, dass Länder den Ausgleich von rund einer Milliarde Euro für Belastungen der ostdeutschen Länder durch ihre Kommunen finanzieren lassen.
Vizepräsident Schmalstieg: Kein Ausbau der Kinderbetreuung ohne Finanzierung
Der Vizepräsident des Deutschen Städtetages, Oberbürgermeister Dr. Herbert Schmalstieg aus Hannover, sagte, es sei die richtige Entscheidung gegen die Kommunalisierung der Langzeitarbeitslosigkeit und für ein einheitliches System für alle Langzeitarbeitslosen getroffen worden, in dem die wesentlichen Aufgaben in der Trägerschaft des Bundes liegen. Die Finanzierung sei jedoch völlig inakzeptabel. Schmalstieg erteilte Forderungen nach einem Ausbau der Kinderbetreuung durch die Kommunen ohne fehlende Finanzierung eine Absage: Mehr Kinderbetreuungsplätze sind zweifellos wünschenswert und ein wichtiges politisches Ziel. Es ist jedoch für die Städte unmöglich, angebliche Entlastungen, die gar nicht vorhanden sind, in die Kinderbetreuung zu investieren. Selbst wenn wir erfolgreich sind und am Ende bei den Sozialausgaben um mehrere Milliarden Euro entlastet werden, können wir dieses Geld angesichts unserer Finanznot nicht gleich wieder zweckgebunden ausgeben. Kinderbetreuung ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, an der sich Bund und Länder beteiligen müssen.
Einnahmesituation schlecht 5,75 Milliarden Euro weniger als im Jahr 2000
Der Städtetags-Vizepräsident kritisierte, dass keine Gewerbesteuerreform zustande gekommen sei: Was bei der Reform der Gewerbesteuer auf gutem Weg war, haben die Länder zu Fall gebracht. Die Senkung der Gewerbesteuerumlage gebe den Städten lediglich das zurück, was ihnen Bund und Länder zuvor ungerechtfertigt weggenommen hätten. In der Prognose für 2004 stiegen nur aus diesem Grund die Gesamteinnahmen der Kommunen leicht um 1,1 Prozent. Es ist gut, dass Bund und Länder ihren Anteil an der Gewerbesteuer reduzieren. Dennoch liegen die Gewerbesteuereinnahmen 2004 voraussichtlich um fast sieben Prozent unter dem Niveau des Jahres 2000. Unsere Einnahmesituation bleibt schlecht, 2004 werden die Gesamteinnahmen der Kommunen 5,75 Milliarden Euro niedriger sein als 2000. Hierzu trage auch das Vorziehen der Steuerreform bei.
Schmalstieg warnte davor, in der Debatte um eine große Steuerreform die Gewerbesteuer zur Disposition zu stellen, obwohl bisher kein gleichwertiger Ersatz in Sicht sei. Es liegt bisher kein einziger Vorschlag für eine Alternative zur Gewerbesteuer vor, dessen Auswirkungen für die Städte durchgerechnet sind, der politisch konsensfähig ist und den Städten die vom Grundgesetz garantierte eigene wirtschaftskraftbezogene Steuer mit Hebesatzrecht sichert. Deshalb gibt es für uns zur Zeit keinerlei Grund, an der Gewerbesteuer rütteln zu lassen.
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