Städtetag und Gemeindebund warnen vor Scheitern der Finanzreform
(Berlin) - In der Auseinandersetzung um die Gemeindefinanzreform haben die Städte und Gemeinden eindringlich an Bundeskanzler, Bundestag und die Länder im Bundesrat appelliert, ihre Versprechen einzulösen und zum 1. Januar 2004 die dramatische Finanzlage der Kommunen nachhaltig zu verbessern. Der Deutsche Städtetag und der Deutsche Städte- und Gemeindebund äußerten am 16. September in Berlin im Anschluss an eine Präsidiumssitzung des Städtetages scharfe Kritik am Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Gewerbesteuer wie auch an den Plänen der Union, den Kommunen die Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit aufzubürden.
Gemeinsam kündigten die beiden kommunalen Spitzenverbände eine Aktionskampagne unter dem Titel Reformen statt Kahlschlag an. Damit wollen sie in den nächsten Wochen auf die Folgen eines möglichen Scheiterns der Gemeindefinanzreform aufmerksam machen. Im Mittelpunkt der Kampagne sollen die Auswirkungen für die Bürgerinnen und Bürger stehen.
Die Präsidentin des Deutschen Städtetages, Oberbürgermeisterin Petra Roth aus Frankfurt am Main, berichtete dazu: Erstes Ereignis der Aktionskampagne wird eine außerordentliche Hauptversammlung des Deutschen Städtetages mit mehr als 1000 Teilnehmern am 24. September in Berlin sein. Im Rahmen einer Aktionswoche vom 4. bis 11. November sollen in Berlin, vor allem aber vor Ort in den Städten und Gemeinden Informationen über die Krise der Kommunalfinanzen vermittelt werden und dazu Protestaktionen stattfinden. Dabei ist zum Beispiel an eine Aktion von Oberbürgermeistern und Bürgermeistern im Bereich des Bundestages und des Bundesrates gedacht, an symbolische Protestbeflaggung an deutschen Rathäusern und an Abgeordnetenhearings, zu denen die lokalen Bundestagsabgeordneten eingeladen werden.
Die Städte und ihre Bürgerinnen und Bürger können sich nicht mehr vertrösten lassen. Sie brauchen zum 1. Januar 2004 eine tragfähige Gemeindefinanzreform, damit sie den Menschen ein vertretbares Leistungsangebot sichern, damit sie Defizite in ihren Haushalten abbauen und auch im Interesse unserer Gesamtwirtschaft wieder investieren können. Dazu muss die Stärkung der Gewerbesteuer rechtzeitig in Kraft gesetzt werden, sagte Städtetagspräsidentin Petra Roth.
Und weiter: Bundeskanzler, Bundestag und die Länder im Bundesrat müssen jetzt ihre Versprechen einlösen. Wenn diese Zusage gebrochen wird, übernehmen der Bund und die Länder die volle politische Verantwortung für einen Investitionsstopp in immer mehr Städten und Gemeinden, für einen fortschreitenden Verfall der Infrastruktur, für die Schließung von Einrichtungen, für die Entlassung von Personal und für die Streichung der freiwilligen Leistungen im sozialen, kulturellen und sportlichen Bereich.
Falls die Gemeindefinanzreform scheitern sollte, drohe ein beispielloser Kahlschlag bei den Leistungen für die Bürgerinnen und Bürger, zum Beispiel in der Kultur, im Sport oder in der Sozialarbeit. Deshalb fordern die Städte und Gemeinden: Reformen statt Kahlschlag. Weil Bund und Länder die schwere Finanzkrise der Städte wesentlich mitverursacht haben, dürfen sie sich jetzt nicht zu Lasten der Kommunen als reformunfähig erweisen.
Konkret forderten Städte und Gemeinden Bundestag und Bundesrat auf, den kommunalfreundlichen Gesetzentwurf des Landes Schleswig-Holstein zur Gewerbesteuerreform zu beschließen. Dadurch könne die Gewerbesteuer in der Substanz und im Aufkommen gestärkt werden, so Frau Roth. Der Entwurf der Bundesregierung werde von den Städten eindeutig abgelehnt. Mit Blick auf die Union fügte sie hinzu, Sofortmaßnahmen seien wichtig, führten aber nicht dauerhaft zur notwendigen Finanzausstattung der Städte und Gemeinden.
Zusammenführung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe
Bei der Zusammenführung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe warnten Städtetag und Städte- und Gemeindebund davor, den Bund aus der Verantwortung für die Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit zu entlassen, wie es die Union mit ihrem Hessen-Modell beabsichtigt.
Der Präsident des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Oberbürgermeister Christian Schramm aus Bautzen sagte dazu: Strukturschwache Länder und ihre Städte und Gemeinden beispielsweise in Ostdeutschland stünden dann vor den größten Problemen, weil es ihnen mit ihren Instrumenten überhaupt nicht gelingen kann, die große Zahl der Langzeitarbeitslosen in Beschäftigung zu bringen. Außerdem führt das Unionsmodell zu keinerlei Entlastung der Kommunen bei ihren Sozialausgaben.
Der Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Zusammenführung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe, so Schramm weiter, entspreche dagegen in seinen Zielen weitgehend den Forderungen der Städte und Gemeinden, weil er die Aufgabe der Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit beim Bund ansiedelt. Nach gegenwärtigem Stand würden seine Ziele, die Eingliederungschancen Langzeitarbeitsloser zu verbessern und die Kommunen finanziell zu entlasten, jedoch nicht erreicht. Denn einzelne Regelungen konterkarierten bislang die guten Absichten des Entwurfs. Zum Beispiel könne der Bund auch in Zukunft einen Teil der Langzeitarbeitslosen den Kommunen zuschieben.
Angesichts von Medienberichten, wonach die Bundesregierung im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens bereit sei, den Kommunen die Zuständigkeit für die Langzeitarbeitslosen zu übertragen und so der Union entgegenzukommen, sagte Schramm: Wir erwarten von der Bundesregierung, dass sie bei ihrem Gesetzesvorschlag bleibt und alle Langzeitarbeitslosen in der Trägerschaft des Bundes betreut werden. Städte und Gemeinden haben sich bereit erklärt, ihre Kompetenz in der Beschäftigungsförderung einzubringen, damit Menschen in Arbeit kommen. Die Kommunen werden sich auch organisatorisch in die geplanten Jobcenter einbringen, aber nur auf gleicher Augenhöhe mit dem Bund auf der Grundlage von konkreten Kooperationsvereinbarungen. Es ist jedoch zwingend, dass der Bund Träger der Aufgabe ist. Denn nur er definiert die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und darf dieses Problem nicht bei den Kommunen abladen.
Reform der Gewerbesteuer
Der Vizepräsident des Deutschen Städtetages, Oberbürgermeister Dr. Herbert Schmalstieg aus Hannover, erinnerte daran, dass die Bundesregierung den Kommunen versprochen habe, bei der Gemeindefinanzreform keine Vorschläge gegen das Votum der Kommunen vorzulegen: Der Gesetzentwurf der Regierung ist kein Beitrag zur Reform der Gewerbesteuer. Er schwächt und demontiert im Gegenteil die Gewerbesteuer und führt so wahrscheinlich sogar zu geringeren Einnahmen. Die Behauptung der Bundesregierung, sie greife mit ihrem Vorschlag die Anliegen sowohl der Kommunen als auch der Wirtschaft auf, sei Etikettenschwindel. Zum Beispiel werde das Ziel, die großen Kapitalgesellschaften wieder angemessen an der Finanzierung kommunaler Aufgaben zu beteiligen, mit dem Regierungsentwurf eindeutig verfehlt.
Die Städte und Gemeinden, so Schmalstieg, hielten an ihren Forderungen nach einer überzeugenden Gewerbesteuerreform fest, die angesichts der Lage der öffentlichen Haushalte nicht nur durch Bund und Länder, sondern auch in moderatem Umfang durch die Wirtschaft mitfinanziert werden müsse.
Quelle und Kontaktadresse:
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