Städtetag begrüßt Anerkennung kommunaler Rechte / Europäisches Parlament fasst grundlegenden Beschluss für öffentliche Dienstleistungen
(Berlin) - Der Deutsche Städtetag begrüßt in einer ersten Bewertung die Anerkennung kommunaler Rechte durch das Europäische Parlament bei der Erbringung von Grundversorgungsdienstleistungen für ihre Bevölkerung. „Den Städten geht es darum, für ihre Bürgerinnen und Bürger und die private Wirtschaft Dienstleistungen von hoher Qualität mit möglichst geringen Kosten zu niedrigen Preisen anzubieten. Das Europäische Parlament hat sich mit seinem Beschluss zur Beibehaltung des städtischen Gestaltungsspielraumes in Richtung der lokalen Demokratie bewegt“, hob der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, Dr. Stephan Articus, positiv hervor. Er hofft, dass mit diesem Beschluss die drohende Verlagerung von Kompetenzen von der kommunalen auf die europäische Ebene bei der Erbringung einer Vielzahl lokaler öffentlicher Dienstleistungen aufgehalten werden kann.
„Nur wenn der Gestaltungsspielraum der Städte für kommunale Dienstleistungen erhalten bleibt“, so der Hauptgeschäftsführer, „können die vielfältigen lokalen Gegebenheiten und die Interessen der Bürger vor Ort berücksichtigt werden. Dieser Gestaltungsspielraum der Städte muss auch erhalten bleiben, wenn der vom Europäischen Parlament geforderte rechtliche Rahmen für öffentliche Dienstleistungen ausgestaltet wird“. Der Deutsche Städtetag ist erleichtert, dass sich das EP gegen eine Liberalisierung der Wasser- und Abfalldienste im Rahmen sektorieller Richtlinien des Binnenmarktes ausgesprochen hat, da nur vor diesem Hintergrund die Qualität der Wasserversorgung sichergestellt werden kann.
Das Europäische Parlament hat am 14. Januar 2004 in Straßburg den Bericht zum Grünbuch über Dienstleistungen von allgemeinem Interesse angenommen. In der Abstimmung im Plenum votierte die Mehrheit der europäischen Volksvertreter für eine Berichtsfassung, die das Recht der kommunalen Gebietskörperschaften, Dienstleistungen selbst zu erbringen, hervorhebt. Damit wird eine zentrale Forderung des Deutschen Städtetages in der europäischen Debatte aufgegriffen. Das Parlament hebt diesbezüglich hervor, dass lokale Körperschaften ein Recht auf Eigenproduktion haben, soweit Leistungen im Rahmen des jeweiligen lokalen Gebiets angeboten werden.
Vor diesem Hintergrund wäre es auch in Zukunft möglich, wichtige lokale Dienste - wie z. B. Kinderbetreuung oder kulturelle Angebote aber auch wirtschaftliche Dienstleistungen in Eigenproduktion - weiterhin ohne wettbewerbliche Beschränkungen anzubieten. Das EP unterstreicht ferner die hohe Bedeutung der Dienstleistungen als Teil des „europäischen Sozialmodells“ und fordert zugleich eine hohe Qualität der Dienstleistungen, erschwingliche Preise und gleichen Zugang für alle Bürger. Schließlich weist das EP darauf hin, dass Dienstleistungen nicht dem EU-Wettbewerbsrecht unterfallen, wenn sie wesentliche Funktionen der öffentlichen Hand darstellen. Dies sei beispielsweise in den Bereichen Bildung und öffentliche Gesundheitsvorsorge der Fall.
Für die Städte muss allerdings dringend eine bessere Rechts- und Planungssicherheit für die Erbringung der Dienstleistungen geschaffen werden. Viele der Dienstleistungen, die auf kommunaler Ebene angeboten werden, sind nicht wirtschaftlicher Art und unterliegen schon deswegen nicht den Binnenmarktregeln. Dies gilt insbesondere für viele Dienstleistungen an die Bürger im sozialen, gesundheitlichen und kulturellen Bereich. Der Deutsche Städtetag begrüßt daher die Überlegungen des Parlaments, Kriterien zu entwickeln, die die Abgrenzung von wirtschaftlichen und nichtwirtschaftlichen Leistungen ermöglichen.
Mit Besorgnis beobachtet der Deutsche Städtetag Strömungen in Teilen des EP, Dienstleistungen prinzipiell unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu sehen und eine überbordende europäische Zuständigkeit für deren Regulierung anzunehmen. „Wir wünschen uns, dass das Europäische Parlament ein zuverlässiger Partner der Bürger und der Städte bleibt, der die Gestaltung der Dienstleistungen von allgemeinem Interesse mit Augenmaß und einem differenzierten Blick für die jeweils zuständige Ebene vorantreibt“, so Dr. Articus.
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