Städte und Gemeinden halten die Kabinettsbeschlüsse zu den Gemeindefinanzen für absolut unakzeptabel
(Berlin) - Die Städte und Gemeinden halten die Beschlüsse des Bundeskabinetts zur Reform der Gemeindefinanzen für „absolut unakzeptabel“ und werfen vor allem dem Bundesfinanzministerium „Wortbruch“ vor. Der Gesetzentwurf zur Gewerbesteuer sei unbrauchbar und keine geeignete Beratungsgrundlage, und der Entwurf zur Zusammenführung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe müsse deutlich korrigiert werden. Das machten am 13. August die Präsidenten des Deutschen Städtetages und des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Oberbürgermeisterin Petra Roth und Oberbürgermeister Christian Schramm sowie deren Stellvertreter, Oberbürgermeister Christian Ude und Bürgermeister Roland Schäfer in einer gemeinsamen Erklärung deutlich. Sie erinnerten an die Zusage des Bundesfinanzministers, keine Reform gegen die Kommunen zu beschließen.
„Die schwere Finanzkrise der Kommunen lässt sich nur mit einer viel besseren Lösung bewältigen. Wir appellieren deshalb eindringlich an Bundestag und Bundesrat, die Gemeindefinanzreform zu retten. Die Koalitionsfraktionen sollten ihre Anfang Juli beschlossenen Eckpunkte verwirklichen und die Zusagen ihrer beiden Sonderparteitage gegenüber den Kommunen einlösen“, sagten die Präsidenten und Stellvertreter der beiden kommunalen Spitzenverbände. „Die Situation ist im Geflecht zwischen den politischen Ebenen inzwischen so verfahren, dass auch ein Spitzengespräch von Bund, Ländern und Gemeinden Not tut. Denn die Gemeindefinanzreform darf nicht scheitern.“ Die Bürgerinnen und Bürger erwarteten, dass die Kommunen für lebenswerte Städte und Gemeinden wieder mehr investieren könnten, dass genügend soziale und kulturelle Angebote zur Verfügung stehen, dass Schulen und Straßen saniert werden.
Ihre inhaltliche Kritik an den Gesetzentwürfen fassten die Präsidenten und Stellvertreter so zusammen: „Die Gewerbesteuer wird nicht reformiert und gestärkt, sondern demontiert und geschwächt. Wenn dieses Konzept so bleibt, ist die jetzige Gewerbesteuer besser. Die angekündigte Entlastung der Kommunen bei den Sozialausgaben bleibt weit hinter der Zusage von mehreren Milliarden Euro zurück und schmilzt wegen des Vorziehens der Steuerreform zumindest in 2004 dahin. In beiden Bereichen ist außerdem sehr zweifelhaft, ob die genannten Entlastungssummen realistisch sind. Es ist sogar nicht auszuschließen, dass die Kommunen bei der Zusammenführung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe draufzahlen.“
Der Deutsche Städtetag und der Deutsche Städte- und Gemeindebund verlangten als Verhandlungsbasis für eine nachhaltige Entlastung der Kommunen 10 Milliarden Euro. Diese Summe solle sich aus einer Stärkung der Gewerbesteuer, aus Entlastungen bei der Sozialhilfe und aus dem zugesagten Betrag für die Kinderbetreuung zusammensetzen. Die Kommunen hätten Vorschläge auf den Tisch gelegt, wie diese Summe so ausgewogen finanziert werden könne, dass weder Bund und Länder noch die Wirtschaft überfordert würden.
Die einzelnen Einwände der Kommunen zu den Regierungsentwürfen:
1. Zu den Steuergesetzen
Die so genannte Reform der Gewerbesteuer ist in Wirklichkeit zu drei Vierteln nur eine Erhöhung des Anteils der Kommunen an der Umsatzsteuer. Diese Maßnahme macht 1,8 von 2,5 Milliarden Euro aus. Die Städte und Gemeinden verlieren so an Einfluss auf ihre Steuereinnahmen und geraten in stärkere Abhängigkeit von Bund und Ländern.
Die Reform ist mittelstandsfeindlich, weil die Kapitalgesellschaften durch die geplante Absenkung der Steuermesszahlen bei der Gewerbesteuer über-proportional entlastet werden. Die von den Kommunen geforderte Verbreiterung der Bemessungsgrundlage durch die Einbeziehung von Zinsen, Mieten und Pachten könnte dagegen auch die heutige Benachteiligung des Mittelstandes aufheben, indem sie die Steuerschlupflöcher für Großunternehmen schließt.
Der Verzicht auf die bereits bestehenden vom Unternehmensertrag unabhängigen Elemente – vor allem auf die Hinzurechnung der Hälfte der Dauerschuldzinsen zum Gewerbeertrag – greift die Gewerbesteuer in ihrer Substanz an und setzt sie der Gefahr aus, verfassungswidrig zu werden. Dadurch wird die positiv zu beurteilende Einbeziehung der Selbständigen in die Gewerbesteuer konterkariert.
2. Zur Zusammenführung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe
Die Summe von 2,5 Milliarden Euro, die den Kommunen ab 2005 als Entlastung bleiben soll, ist schön gerechnet. Im Ergebnis bleibt dadurch fast keine tatsächliche Entlastung übrig. Begründung: Der Bund rechnet eine Entlastung der Kommunen durch den Wegfall der Sozialhilfe für Erwerbsfähige in Höhe von 11,6 Milliarden Euro vor. Er stellt dem 9,1 Milliarden Euro Ausgaben der Kommunen für die Mitfanzierung des neuen Leistungsrechtes gegenüber und errechnet so eine Nettoentlastung für die Kommunen in Höhe von 2,5 Milliarden Euro. Nach dem Ergebnis der Kommission zur Gemeindefinanzreform beträgt die Entlastung der Kommunen jedoch nicht 11,6 sondern 10,6 Milliarden Euro. Dabei bleibt unberücksichtigt, dass die Sozialhilfe künftig in erheblichem Umfang Bezieher der bisherigen Sozialhilfe und Arbeitslosenhilfe auffangen muss, die künftig nicht mehr als erwerbsfähig eingestuft werden.
Die fiktive Summe von 2,5 Milliarden Euro Entlastung für die Kommunen ist außerdem mit neuen Leistungsverpflichtungen beim Ausbau der Kinderbetreuung befrachtet. Sie ist deshalb viel zu niedrig für eine nachhaltige Entlastung der Kommunen.
Der Bund schafft sich die Möglichkeit, einen neuen Verschiebebahnhof zwischen Arbeitslosengeld II und Sozialhilfe zu eröffnen. So genannte arbeitsmarktferne Arbeitslose könnten dann zu Lasten der Kommunen wieder in der Sozialhilfe landen. Das von Städten und Gemeinden immer unterstützte einheitliche Leistungsrecht für alle Langzeitarbeitslosen würde dadurch wieder teilweise aufgegeben.
- Der Bund ist im Vergleich zu Ländern und Kommunen der finanzielle Gewinner der Zusammenführung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe.
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