Staatliche Hilfen in der Krise: Jetzt umdenken und Pandemie-Erfahrungen nutzen
(Berlin) - Coronapandemie, Ukraine-Krieg und Energiepreissteigerungen - die Liste der Probleme, vor denen die deutschen Unternehmen derzeit stehen ist lang. Die Bundesregierung wird nur teilweise mit Stützungsmaßnahmen darauf reagieren können. Der Berufsverband der Insolvenzverwalter und Sachwalter, VID, setzt sich für ein politisches Umdenken ein. Zur Bewältigung der Krise dürfen Insolvenz- und Restrukturierungsverfahren nicht ausgeschlossen sein. Staatliche Unterstützung und Förderung sollten gezielt Unternehmen zugutekommen, die zukunftsfähig sind. Nicht mehr tragfähige Unternehmen binden wichtige Ressourcen, nicht zuletzt auch Arbeitskräfte, die in überlebensfähigen Einheiten dringend gebraucht werden.
Das moderne deutsche Insolvenzrecht, das jüngst mit der Umsetzung der Restrukturierungsrichtlinie noch sanierungsfreundlicher gestaltet wurde, kann bei der Krisenbewältigung eine große Unterstützung sein. Die Zeiten, in denen Insolvenz immer zur Zerschlagung führt, sind lange vorbei. "Das Insolvenzverfahren kann gesunde Teile des Unternehmens erhalten und kranke wieder tragfähig machen und dabei wichtige Ressourcen wie Arbeitskräfte freigeben. Wir müssen die Krisenbewältigung neu denken", so Dr. Christoph Niering, Insolvenzverwalter und Vorsitzender des Berufsverbandes der Insolvenzverwalter und Sachwalter Deutschlands (VID).
In der Coronapandemie hat die Bundesregierung mit umfangreichen staatlichen Hilfen Unternehmen gestützt, die von den starken Einschränkungen der Lockdowns betroffen waren. Viele Unternehmer hatten die Hoffnung, wieder an ihre alte geschäftliche Tätigkeit anknüpfen zu können. Doch bei der Aneinanderreihung multipler Krisen zeigt sich, dass diese Hoffnung oft trügerisch war. Nicht nur hat der Strukturwandel und der Transformationsprozess der deutschen Wirtschaft nicht Halt gemacht. Auch die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht und die staatlichen Hilfsmaßnahmen haben vielen Unternehmern oft nur eine Atempause gewährt, ohne zur nachhaltigen Sanierung beizutragen.
"Die Coronazeit hat bei vielen Unternehmern zu einer existenzbedrohenden Passivität geführt. Man hätte für den anstehenden Transformationsprozess die Zeit nutzen müssen, um umzudenken und das eigene Geschäftsmodell tragfähiger zu gestalten. Die Auszahlung der Hilfen nach dem Gießkannenprinzip hat vielfach zu einer Lähmung geführt, statt Anreize für eine grundlegende Veränderung zu geben.", erläutert der VID-Vorsitzende.
Aus der Pandemiezeit lernen
Energiepreissteigerungen und Rohstoffknappheit, Inflation und gestiegene Zinsen, und nicht zuletzt der Arbeitskräftemangel, sind nur einige der vielen Herausforderungen, vor denen die Unternehmen derzeit stehen. Staatliche Hilfen werden auf Dauer nicht all diese Probleme abfedern können. Umso mehr müssen sie vor allem solchen Unternehmen zugutekommen, die zukunftsfähige Geschäftskonzepte vorweisen können.
Der VID empfiehlt deshalb der Bundesregierung, aus der Pandemiezeit zu lernen und nicht in bekannte Reaktionsmuster zu verfallen. "Branchen und Unternehmen, die schon vor der aktuellen Krise mit existentiellen Herausforderungen bei Altersnachfolge, verändertem Konsumverhalten und Wettbewerbsfähigkeit zu kämpfen hatten, müssen im Rahmen einer Insolvenz saniert oder geordnet vom Markt genommen werden. Insolvenz ist gerade in Zeiten knapper werdender Ressourcen auch ein wichtiges Instrument der Marktbereinigung", so der VID-Vorsitzende.
Veränderte soziale Perspektive
Die Bundesagentur für Arbeit spricht von 400.000 neuen Arbeitskräften, die jährlich gebraucht werden. Die Zahl der offenen Stellen steigt von Monat zu Monat. Der zunehmende Arbeitskräftemangel bringt bereits erste im Kern gesunde Unternehmen in die wirtschaftliche Schieflage.
Arbeitnehmer müssen in diesen Zeiten keinen dauerhaften Arbeitsplatzverlust befürchten. Die geringe Arbeitslosenquote und der demographische Wandel haben den Arbeitsmarkt trotz der Wirtschaftskrise sehr arbeitnehmerfreundlich gestaltet.
Für den Fall, dass ein Unternehmen doch geordnet vom Markt genommen werden muss, setzt sich Niering für ein sozialverträgliches Verfahren für Mitarbeiter und Unternehmer ein: "Es braucht ein Transformationsgeld nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens für einen Zeitraum von drei Monaten. In dieser Zeit sollen bei nicht fortgeführten Betrieben gemeinsam mit der Bundesagentur für Arbeit die Arbeitnehmer aktiv und damit deutlich schneller in neue Beschäftigungsverhältnisse vermittelt werden. Dies reduziert letztendlich auch die finanziellen Aufwendungen für das Arbeitslosengeld. Sozialverträglichkeit bedeutet aber auch, dass gerade für ältere selbständig tätige Unternehmer ein verbesserter Schutz ihrer Altersabsicherung entwickelt werden muss."
Quelle und Kontaktadresse:
Verband Insolvenzverwalter und Sachwalter Deutschlands e.V. (VID)
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