Sommervollversammlung der Handwerkskammer Reutlingen: Christiane Nowottny wird zur neuen Hauptgeschäftsführerin gewählt
(Reutlingen) - Die Vollversammlung der Handwerkskammer Reutlingen hat die bisherige stellvertretende Hauptgeschäftsführerin und Geschäftsbereichsleiterin Berufs-ausbildung, Prüfungs- und Sachverständigenwesen, Christiane Nowottny, im ersten Wahlgang zur Hauptgeschäftsführerin gewählt. Die 55-jährige Dipl.-Betriebswirtin (FH) wird zum 1. April 2024 die Nachfolge des altersbedingt ausscheidenden Dr. Joachim Eisert antreten. Mit Nowottny bekleidet erstmalig seit 123 Jahren eine Frau das hauptamtliche Spitzenamt der Handwerkskammer Reutlingen auf.
Handwerkskammerpräsident Harald Herrmann gratulierte Nowottny zur Wahl: "Christiane Nowottny hat uns durch ihre Erfahrung, ihrem Enthusiasmus, Neues anzustoßen und ihrem Bekenntnis zum Handwerk überzeugt. Wir freuen uns auf eine vertrauensvolle und langjährige Zusammenarbeit. Bei Joachim Eisert möchte ich mich schon jetzt sehr herzlich für seinen Einsatz in den letzten 17 Jahren im Namen der Kammer und der Kammermitglieder bedanken und wünsche ihm alles Gute für die im nächsten Jahr anstehende neue Lebensphase." Nowottny blickt ihren neuen Herausforderungen zuversichtlich entgegen: "Ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit Ihnen allen und darauf, gemeinsam die Zukunft des Handwerks in der Region zu gestalten. Auch möchte ich meinem Vorgänger danken, der hervorragende Arbeit geleistet und eine solide Grundlage für mich geschaffen hat. Ich verspreche Ihnen, diese Arbeit fortzusetzen."
Kammerpräsident Harald Herrmann ging in seinem Bericht an die Vollversammlung unter anderem auf die Konjunkturentwicklung und die Energiewende ein. Hauptgeschäftsführer Joachim Eisert informierte über Ausbildungszahlen und wichtige Gesetze. Die Vollversammlung stellte anschließend den Jahresabschluss 2022 mit Erfolgs- und Finanzrechnung sowie der Schlussbilanz fest, beschloss den insbesondere für Investitionen nach den Vorgaben der Rechtsprechung ermittelten Rücklagenbedarf und erteilte Vorstand sowie Geschäftsführung die Entlastung. Im Anschluss folgten die Delegierten zahlreichen Empfehlungen zur Aktualisierung der Überbetrieblichen Ausbildungslehrgänge in mehreren Ausbildungsberufen.
Sorgen trotz Frühjahrsbelebung
"Das Frühjahr hat die Erwartungen der Handwerksbetriebe in der Region erfüllt. Zwei Drittel waren mit ihrer Geschäftslage rundum zufrieden. Die Prognose fällt allerdings verhalten aus. Vor allem der Einbruch beim Wohnungsneubau bereitet zunehmend Sorgen", kommentierte Präsident Herrmann die Ergebnisse der jüngsten Konjunkturumfrage der Handwerkskammer Reutlingen. Die Geschäftslage habe sich saisonal typisch verbessert, wenn auch nur in geringem Umfang. Denn die Herausforderungen durch Inflation und steigende Zinsen seien aber nicht kleiner geworden. Im Baubereich geradezu dramatisch. "Innerhalb eines Jahres ist die Zahl der Baugenehmigungen im Wohnungsbau landesweit um 20 Prozent gesunken", so Herrmann weiter. Das Bauhauptgewerbe liege, was Auftragspolster und Auslastung betrifft, nach wie vor über dem Branchendurchschnitt. Allerdings mache sich die abgekühlte Baukonjunktur bemerkbar. Wurden vor einem Jahr noch rund 35 Prozent der Umsätze im Wohnungsneubau erzielt, habe sich dieser Anteil nunmehr auf 17,9 Prozent halbiert, erklärte Herrmann. "Verbraucher brauchen Planungssicherheit. Dazu zählt eine verlässliche Förderpolitik. Das Durcheinander zum Thema Heizungstechnik, das wir in den vergangenen Monaten erlebt haben, ist das Gegenteil davon."
Keine Gesetze mit der Brechstange
Ob Mobilität, energetische Gebäudesanierung, Energiegewinnung oder Energie-infrastruktur - Herrmann sprach sich für eine nachhaltige Energiewende aus, die sich aber nicht mit der Brechstande herbeizwingen ließe. Gerade das anfänglich verkorkste Heizungsgesetz zeige deutlich, dass Gesetze nicht im luftleeren Raum entstehen können, sondern immer die gesellschaftlichen Strömungen und Grenzen der Belastbarkeit berücksichtigen sollten. Die Bürger müssten Partner und nicht nur Politik- und Rechtsunterworfene werden, so Herrmann. "Unsere Betriebe, unsere Mitarbeiter aber auch die Verbraucher brauchen verbindliche Strukturen und Planungs- und Rechtssicherheit. Zu viele Themenbereiche sind nicht zu Ende gedacht: Verbrenner-Verbot, Heizungsdiskussionen, die unkoordinierte Flüchtlingspolitik, die viele Kommunen nicht mehr schultern können und nicht zuletzt die anhaltende Abhängigkeit von Rohstoffen und halbfertigen Produkten aus den asiatischen Ländern. Diese Faktoren, spielen radikalen Parteien in die Karten, auch wenn sie keine schlüssigen Lösungen für die großen Herausforderungen unserer Zeit parat hat. Im Gegenteil, sie plädiert für einen Austritt aus der EU, obwohl der europäische Binnenmarkt das Fundament unserer wirtschaftlichen Stärke darstellt."
Mehr Jugendliche im Handwerk
Hauptgeschäftsführer Eisert zeigte sich anschließend in seinem Bericht sehr erfreut über die diesjährige Ausbildungsbilanz: "Immer mehr Jugendliche beginnen eine Ausbildung im Handwerk. Vielfältige zukunftssichere Beschäftigungs- und Karriere-möglichkeiten, eine praxisorientierte Ausbildung, attraktive Verdienstmöglichkeiten, innovative Technologien, kreatives Arbeiten, Stolz und Wertschätzung tragen dazu bei, dass immer mehr Jugendliche eine Handwerksausbildung beginnen. Vor allem die so genannten Klimaberufe erfahren einen regen Zulauf, denn Klimaschutz und Nachhaltigkeit sind langfristige Herausforderungen, die auch in Zukunft an Bedeutung gewinnen werden." Bisher hätten 972 junge Frauen und Männer einen Ausbildungsvertrag unterschrieben - ein Plus von 3,96 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Noch könne man aber nicht an die Vor-Corona-Zeiten anknüpfen, berichtete Eisert. "Im Bezirk der Handwerkskammer Reutlingen suchen noch 500 Betriebe Auszubildende für das Ausbildungsjahr 2023. Der Bedarf nach gut ausgebildeten Handwerkerinnen und Handwerkern wird in Zukunft weiter steigen, da diese durch Digitalisierung keineswegs ersetzt werden. Die Chancen, einen Ausbildungsplatz in den über 130 Handwerksberufen zu finden, stehen so gut wie noch nie."
Nachweis von Lieferketten nicht auf Kosten kleinerer Zulieferer
Auch das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, das am 1. Januar 2023 in Kraft getreten ist, war Thema des Berichts des Hauptgeschäftsführers. Dieses verpflichtet momentan Unternehmen mit mehr als 3.000 Beschäftigten - ab dem Jahr 2024 mit mehr als 1.000 Beschäftigten - zum Nachweis, dass im Rahmen der Lieferketten der von ihnen hergestellten Produkte keine menschenrechts- und umweltwidrigen Produktionsmethoden stattfinden: keine Kinderarbeit, keine Ausbeutung durch überlange Arbeitszeiten, kein Verstoß gegen Mindestlöhne, keine Diskriminierung von Minderheiten durch Zwangsarbeit, keine Umweltzerstörungen etc. Die Unternehmen müssen dafür ein Risikomanagement mit entsprechenden Dokumentationspflichten einrichten. "Für unsere Mitgliedsbetriebe gilt das Gesetz größenbedingt nicht direkt. Aber es gibt erste Fälle, in denen genau das eingetreten ist, was wir immer befürchtet haben: Großunternehmen, die unter dieses Gesetz fallen, lassen sich von ihren kleineren Zulieferern, zu denen auch Handwerksbetriebe gehören, vertraglich zusichern, dass die von ihnen zugelieferten Komponenten ebenfalls unbedenkliche Lieferketten aufweisen. Sollte das nachweislich nicht der Fall sein und das Großunternehmen wegen Verstoßes gegen das Lieferkettengesetz mit einem Bußgeld sanktioniert werden, will man vom Zuliefererbetrieb Schadensersatz", beklagte Eisert. Die Handwerksorganisationen hingegen hätten hiervor gewarnt, so Eisert. Zurzeit werde geprüft, ob solche Vereinbarungen, die die Verantwortung für ein Gesetz, unter das ein Unternehmen fällt, mehr oder weniger komplett auf ein anderes, kleines zu verlagern, überhaupt zulässig oder vielmehr sittenwidrig seien.
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