Senat gefährdet Standortbedingungen / Wasserpreise drohen zu explodieren
(Berlin) - Der Senat hat die von Wirtschaftssenator Wolf vorgeschlagene neue Tarifstruktur für die Wasserpreise in Berlin zurückgewiesen. Damit droht sich der lineare Anstieg der Wasserpreise in Berlin ungebremst weiter fortzusetzen. Bereits heute gehören die für Wasserver- und -entsorgung zu den höchsten in Deutschland. Die Standortbedingungen für die Wirtschaft in Berlin werden hausgemacht verschlechtert und das Vertrauen der Wirtschaft in Zusagen des Senats wird enttäuscht.
UVB-Präsident Gerd v. Brandenstein sagte dazu: "Die UVB kann und wird es nicht hinnehmen, dass eine getroffene Vereinbarung einfach "vom Tisch gewischt" wird. Auch wenn es sich dabei "nur" um einen Kompromiss handelte, so stimmte doch die Richtung. Denn uns geht es vor allem um eins: Gebührengerechtigkeit!
Lassen Sie mich dies an einem Beispiel deutlich machen: Ein Großabnehmer, der im Jahr 20.000 m³ Wasser verbraucht, benötigt nur einen Bruchteil des Leitungsnetzes, das für die Versorgung von 170 Haushalten mit lediglich 120 m³ Wasser verlegt werden muss. Ein verbrauchsgerechter Preis sollte nach unserer Überzeugung also möglichst degressiv gestaffelt sein, d.h. vom Verbrauch abhängig gemacht werden.
Unsere Verabredung mit dem Wirtschaftssenator hatte zwar keine Preisstaffel bei den Arbeitspreisen enthalten. Aber immerhin ein Gebührenmodell, in dem sich Grund- und Arbeitspreis auf ähnliche Weise gerecht ergänzt hätten, wie beispielsweise bei einer Telefon- oder Gasabrechnung. Die Einführung eines solchen Modells auch für die Wasserabrechnung darf nicht weiter blockiert werden. Es muss vielmehr endlich per Senatsbeschluss umgesetzt werden!
Bei der Gestaltung der Wasserpreise geht es jedoch nicht nur um eine gerechtere Verteilung der Kosten auf die Verbraucher. Sondern es geht auch um den Standort: Der Wasserpreise ist eine der wenigen Stellschrauben, die direkt vom Land beeinflussbar ist. Und sie muss endlich in die richtige Richtung gedreht werden.
Der Senat hat es also in der Hand, unmittelbar über die Wirtschaftsfreundlichkeit Berlins zu entscheiden. Ohne die Einführung von Grund- und Arbeitspreisen, bliebe es dabei: Eine Vielzahl mittelständischer Betriebe hätte jährliche Mehrkosten in fünfstelliger Höhe. Einzelne Großabnehmer müssten sogar mit einer dauerhaften Kostenbelastung bis zu 300.000 Euro rechnen. Und das in einer Zeit, in der sich Berlin ohnehin schon in der Top-10 der Standorte mit den höchsten Wasserpreisen in Deutschland befindet. Zusätzliche Mehrkosten können in der gegenwärtigen schwierigen Wirtschaftslage nicht weitergegeben werden. Sie bedeuten also immer eine erhebliche Gefährdung zahlreicher Arbeitsplätze. Denn notwendige Kosteneinsparungen können dann nur im Personalbereich erfolgen.
Der Senat ist aufgefordert, hier unverzüglich zu handeln. Es muss dringend ein Beschluss gefasst werden, der dieser akuten Gefährdung wasserintensiver Branchen entgegentritt."
Zum Hintergrund:
1. Bereits Anfang 2004 wurden die hohen Berliner Wasserpreise um erneut 15 Prozent drastisch angehoben. Seit 1990 ist der Preis für die Wasserver- und -entsorgung in Berlin um mehr als das Doppelte (plus 132 Prozent) gestiegen. Wir müssen befürchten, dass sich die Preisspirale auch in Zukunft ungebremst weiter drehen wird. Ursa-che sind unter anderem schwerwiegende Fehler, die bei der Teilprivatisierung des Unternehmens BWB gemacht wurden. Um damals einen möglichst hohen Verkaufspreis zu erlösen, wurde den Investoren eine bestimmte Verzinsung des eingesetzten Kapitals garantiert. Gleichzeitig wurde das teilprivatisierte Unternehmen wirtschaftlich kastriert, in dem z.B. betriebsbedingte Kündigungen auf die Dauer von 15 Jahren ausgeschlossen wurden. Die Zeche für die Bargeldspritze an den Landeshaushalt im Jahre 1999 zahlen die Wasserkunden heute und in Zukunft. Zusätzlich verteuert das Land Berlin den Wasserpreis durch ein Grundwasserentnahmeentgelt in Höhe von 31 Cent pro Kubikmeter - auch damit liegt Berlin einsam an der Spitze in Deutschland. Insgesamt werden damit die Standortbedingungen für alle Berliner Unternehmen weiter verschlechtert. Besonders hart werden die Unternehmen getroffen, für die Wasser ein entscheidender Produktions- oder Dienstleistungsfaktor ist.
2. Der Wasserpreis ist ein relevanter Standortfaktor. Er gehört zu den Faktoren, die durch die Politik vor Ort gesteuert werden können. Die Berliner Wasserpreise gehören zu den höchsten in Deutschland. Auf einer Liste des Bundesverbandes der Energie-Abnehmer (VEA) über 64 Städte in den alten Bundesländern, nimmt der Berliner Wasserpreis bereits jetzt Rang 54 ein. Bei einer in den Prognosen zu Grunde gelegten Eigenkapitalverzinsung von 6 bis 6,5 Prozent würde der Wasserpreis von derzeit 4,44 Euro (Gesamtpreis für Ver- und Entsorgung) allein bis zum Jahr 2008 auf ungefähr 5,50 Euro steigen. Es dürfte also nicht mehr lange dauern, bis sich Berlin den höchsten Wasserpreis in Deutschland erlaubt.
3. Dennoch war der Protest der Berliner Wirtschaft und ihrer Organisationen gegen die letzte Preiserhöhung sehr moderat. Nachdem ihr signalisiert wurde, dass es eine Entlastung für diejenigen Unternehmen geben würde, die vom Anstieg der Wasserpreise besonders hart betroffen sind, hat sie sich auf eine Strategie der Gespräche eingelassen. Insbesondere hat die Wirtschaft darauf vertraut, dass der mit der Novelle zum Teilprivatisierungsgesetz in Aussicht gestellte Weg zu einem neuen Preissystem von der Politik mitgegangen wird. In zahlreichen Gesprächen zwischen allen Organisationen der Wirtschaft einerseits, den Berliner Wasserbetrieben und der Senatsverwaltung für Wirtschaft unter ständiger Einbeziehung des Wirtschaftssenators andererseits wurde ein Preissystem mit Grund- und Arbeitspreisen entwickelt.
Der gefundene Kompromiss hat keineswegs die Erwartungen der Unternehmen erfüllt. Der Grundpreis, der für alle Verbraucher eingeführt werden sollte, ist ausgesprochen moderat ausgefallen. Für die Wirtschaft war das Modell deshalb tragbar, weil damit der Weg eröffnet wurde, in Zukunft den steilen linearen Anstieg der Preise zu dämpfen. Ein Preissystem mit Grund- und Arbeitspreisen ist aus Sicht der Wirtschaft auch fair und gerecht. Der allergrößte Kostenblock für die Berliner Wasserbetriebe entsteht durch den Bau und die Vorhaltung der Infrastruktur für die Wasserver- und -entsorgung. Jeder Verbraucher verursacht Grundkosten, unabhängig davon, ob er 100 oder 100.000 Kubikmeter im Jahr verbraucht. Die BWB gehen von 80 bis 90 Prozent Fixkostenanteil aus. Daher ist es fair, wenn pro Wasseranschluss auch ein moderater Grundpreis fällig wird. Die Verbraucher sind dies auch gewohnt. Die Grundpreise bei Strom- oder Telefonanschlüssen folgen der gleichen Logik und werden vom Verbraucher akzeptiert.
4. Die SPD-Seite im Senat hat den mühsam gefundenen Kompromiss vom Tisch gefegt. Aus reiner Klientelpolitik scheut man sich den Weg zu einem neuen gerechteren Preissystem zu gehen. Das Vertrauen der Wirtschaft in Zusagen des Senats wird enttäuscht. Damit beeinflusst der Senat Standortbedingungen negativ, wo er es in der Hand hätte, sie positiv zu gestalten. Gleichzeitig verstößt der Senat gegen die kürzlich verabredete Wachstumsinitiative mit den Organisationen der Wirtschaft. Diese Rücksichtnahme ist aber auch extrem kurzsichtig. Sie verfehlt ihr Ziel. Die Zeche werden nämlich alle Wasserkunden zahlen. Was wird passieren?
Angesichts steigender Wasserpreise haben die Unternehmen nur drei Möglichkeiten: Erstens werden sie weiter am Verbrauch sparen. Zweitens werden sie wo immer möglich eigene Brunnen bohren, um ihr Wasser selbst zu fördern. Im dritten und schlimmsten Fall prüfen sie unter Abwägung aller Standortfaktoren, ob sie mit ihrem Unternehmen an einem anderen Ort bessere Bedingungen finden. Da der allergrößte Teil des Wasserpreises durch verbrauchsunabhängige Fixkosten entsteht gibt es durch dieses Verbraucherverhalten nur ein denkbares Ergebnis: Der Wasserpreis wird für diejenigen, die nicht mehr sparen, keine eigenen Brunnen bohren und die Stadt nicht verlassen können noch stärker steigen. Das sind genau diejenigen, an die Teile des Senats heute zu denken glauben. Im übrigen wären durch das neue System auch Mieter von Mehrfamilienhäusern begünstigt worden. Genauso wenig sind die negativen ökologischen und ökonomischen Folgen bedacht, die ein weiter sinkender Wasserverbrauch in Berlin verursacht. Als Stichwort seien nur trockene Rohre und nasse Keller auf Grund des steigenden Grundwasserspiegels genannt.
Wir fordern deshalb den Senat auf, das Vertrauen der Wirtschaft nicht leichtfertig aufs Spiel zu setzen und den mühsam mit dem Wirtschaftssenator gefundenen Kompromiss beim Preissystem doch noch zu beschließen.
Quelle und Kontaktadresse:
Verband der Metall- und Elektroindustrie in Berlin und Brandenburg e.V. (VME)
Am Schillertheater 2, 10625 Berlin
Telefon: 030/310050, Telefax: 030/31005120
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