Selbstbestimmt dement
(Köln) - Was macht einen Menschen aus, wenn er seine kognitiven Fähigkeiten verliert? Sind Demenz und Autonomie per se ein Widerspruch? Und sind Illusion und Täuschung zu entschuldigen, wenn es darum geht, das Leben mit Demenz lebenswerter zu machen? Dies sind nur einige der Fragen, mit denen sich Sozialethiker und Gerontopsychiater, aber auch demenzkranke Menschen und ihre Angehörigen im Schwerpunkt der Septemberausgabe von ProAlter beschäftigen.
Bei schwierigen ethischen Entscheidungen sollten vor allem die Menschen mit Demenz selbst in den Blick genommen werden, sagt der Wuppertaler Gerontopsychiater Nikolaus Michael. Nie dürfe dabei zu einer Entscheidung gedrängt werden, Ängste könnten die Entscheidungsfreiheit enorm einengen, weiß Nikolaus Michael. Das empathische Herangehen an ethische Konflikte bedeute auch das Einbringen eigener Empfindungen wie Bedauern oder Mitleiden. Gerade dies werde von Betroffenen oft als entlastend empfunden.
Eine kritische Auseinandersetzung mit dem Menschenbild in der Leistungsgesellschaft mit Blick auf das Leben mit Demenz fordert der Wiener Sozialethiker Ulrich H. J. Körtner. Viel zu häufig noch erlaubten wir uns ein Urteil über die Bedürfnisse von demenzkranken Menschen und schaffen für sie eine Umwelt, die aus Täuschungsmanövern besteht - alles dem (vermeintlichen) Wohlbefinden zuliebe.
Dies kritisiert auch der Philosoph Klaus Peter Rippe. Der Einsatz fiktiver Bushaltestellen oder von Pflegerobotern habe durchaus Einfluss auf die Zufriedenheit, deshalb seien solche Maßnahmen aber nicht notwendigerweise auch moralisch akzeptabel. Täuschungen und Technik seien vor allem dann entwürdigend, wenn damit ein menschlich fürsorgliches Umfeld ersetzt werden solle, sagt der Pflegewissenschaftler Hartmut Remmers. Und auch Christine Sowinski, KDA-Mitarbeiterin und Diplom-Psychologin, erklärt: "Gerade beim Einsatz von Systemen zur Personenortung ist der schmale Grat zwischen Selbstständigkeit und dem Eingriff in die Persönlichkeitsrechte nur allzu schnell überschritten." Dass sich die Selbstständigkeit im Alltag mit einem offensiven Umgang mit der Krankheit aufrechterhalten lässt, davon erzählen zwei Menschen, die selbst von Demenz betroffen sind, als Erkrankte und als Ehemann.
Männer müssen sich stärker in der Pflege engagieren, sagt der Reutlinger Gerontologe Eckart Hammer. Denn Pflegebedürftigkeit und Altersdemenz werden künftig zum biografischen Regelfall. Mehr als ein Drittel Männer sind bereits in der Pflege von Angehörigen aktiv. Doch ihr Engagement wird oft unterschätzt und bleibt im Verborgenen, kritisiert Eckart Hammer in seinem Interview mit ProAlter. Weitere Informationen zu Themen und Texte sind unter www.kda.de/proalter.html zu finden.
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