Schulsystem gibt Hauptschulabgängern wenig Chancen / Bildungsbericht 2008: BLLV-Präsident Klaus Wenzel fordert Ehrlichkeit in der Diskussion um die Zukunft der Hauptschule
(München) - Die Hauptschule wurde zulange schön geredet, aber schlecht behandelt. Faktum ist, dass diese Schulart bei vielen Eltern keine Akzeptanz mehr hat und auch zunehmend bei den Unternehmen auf Skepsis stößt. Zu viele Hauptschüler sind Bildungsverlierer. Es ist höchste Zeit über unser Schulsystem neu und kreativ nachzudenken. Unsere Schule muss den Kindern dienen und nicht die Kinder dem Schulsystem. Deshalb muss auch die Hauptschule grundsätzlich auf den Prüfstand. Es müssen pragmatische Lösungen wie die Regionale Schulentwicklung (RSE) mit schulartübergreifenden Angeboten zugelassen werden. Es ist Zeit für neue Antworten! Mit diesen Worten kommentierte der BLLV-Präsident Klaus Wenzel die gerade veröffentlichten Ergebnisse der Studie Bildung in Deutschland 2008.
Im Expertenbericht Bildung in Deutschland 2008 werden zentrale Problemstellen des Bildungswesens benannt. Der Schwerpunkt des diesjährigen Berichts liegt auf dem Thema Übergänge von Schule in Berufsausbildung und Beruf. Hierbei wird ein besonderes Augenmerk auf die Hauptschüler gelegt. Die Ergebnisse sind alarmierend auch für Bayern.
Mehr als 500.000 Jugendliche in Deutschland (40 Prozent) besuchen nach der allgemeinbildenden Schule Übergangsmaßnahmen, die zu keinem anerkannten Ausbildungsberuf führen. Von den Schülern ohne Hauptschulabschluss landen 79 Prozent und von jenen mit Hauptschulabschluss 51 Prozent in solchen Maßnahmen. 40 Prozent von ihnen haben zudem zweieinhalb Jahre nach Schulabschluss immer noch keine Ausbildungsstelle gefunden. Dies ist kein Ruhmesblatt für die Bildungspolitik. Wir machen junge Menschen zu sozialen Verlierern, wir gefährden den sozialen Zusammenhalt in unserer Gesellschaft und wir vergeuden wertvolle menschliche Ressourcen, urteilt Wenzel. Dies gilt auch für Bayern, obwohl hier noch ein Drittel der Schüler die Hauptschulen besucht und der Anteil der Schüler in Übergangsmaßnahmen mit 26 Prozent etwas geringer ausfällt. Es ist unverantwortlich ein Viertel aller Schüler in Warteschleifen mit ungewissen Zukunftsperspektiven zu schicken wovon die meisten aus der Hauptschule kommen, erklärte Wenzel.
Eltern beurteilen eine Schulart vor allem nach den beruflichen Möglichkeiten, die sie ihrem Kind eröffnet oder verschließt. Mit der Einführung der sechsstufigen Realschule hat sich zudem die Zahl der Leistungsträger an den Hauptschulen deutlich verringert. Ansehen und Akzeptanz einer Schulart und ihrer Schüler hängen vor allem von solchen Gesichtspunkten ab. Das Sozialprestige der Hauptschule ist mit bloßen Marketingstrategien nicht zu verbessern. Es ist logische Konsequenz, dass in den letzten Jahren eine Flucht vor der Hauptschule eingesetzt hat.
Angesichts solcher Informationen über die unzureichende Funktionsfähigkeit des Bildungssystems bröckelt auch die Front der Hauptschulbefürworter auf Seiten der Wirtschaft. Namhafte Vertreter von großen Wirtschaftsunternehmen machen jetzt deutlich, dass nicht mehr allen Schülern das vermittelt werden kann, was an grundlegenden Kompetenzen erforderlich ist, um mit den steigenden Qualifikationsanforderungen der neuen Technologien zu recht zu kommen.
Es kommen auch bei ihnen Zweifel auf, ob die notwendige individuelle Förderung gerade der schwächeren und benachteiligten Schüler effektiv und effizient gestaltet werden kann, wenn sie nach früher Auslese ausschließlich unter sich bleiben. Es rächt sich heute, dass die Hauptschule und ihre Schüler von der bayerischen Schulpolitik über Jahrzehnte nur schön geredet wurden.
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