Schulbuchverleger protestieren: Neuer Entwurf des Urheberrechtsgesetzes kommt Enteignung gleich
(Frankfurt am Main) - Die Bildungsverleger in Deutschland sind entsetzt und empört zugleich: Nach den Plänen der Bundesregierung soll es künftig Schulen wie Universitäten erlaubt sein, ganze Bücher oder Teile davon, Lernsoftware, Unterrichtsmaterialien wie auch pädagogische Fachliteratur für den täglichen Unterrichtsgebrauch einfach in die Rechner einzuscannen und zu vervielfältigen - ohne Genehmigung, ohne Kontrolle und ohne effektive Beschränkung. Dieses sieht die aktuelle Urheberrechtsnovelle in § 52 a vor, die nach erhitzter erster Debatte im Plenum des Bundestages nunmehr im Rechtsausschuss behandelt wird. "Wenn dieses Gesetz Realität wird, dann können die Bildungsverlage in Deutschland ihren Betrieb einstellen", kritisierte der Branchenverband VdS Bildungsmedien e.V. das Vorhaben der Regierung, "denn mit einer solchen 'carte blanche' für Schulen und Universitäten wird der Primärmarkt der Schulbuch- und Wissenschaftsverlage wie der Hersteller von Lernsoftware kaputt gemacht". Auch die Verleger sind nicht bereit, sich gesetzlich in den "ökonomischen Freitod" zwingen zu lassen: Massiv protestieren sie derzeit schriftlich bei der neuen Justizministerin Zypries gegen das Gesetzesvorhaben und fordern unisono die ersatzlose Streichung des "Killerparagraphen" 52 a.
Bereits Mitte Oktober hatten die Bildungsverleger in einer Anhörung des Bundesjustizministeriums auf die gravierenden Folgen hingewiesen, die sich aus dieser - völlig überraschend in die Gesetzesnovellierung eingeschlichenen - Vorschrift ergibt. Wenn es Schulen und Universitäten erlaubt ist, ohne Nachfrage bei den Verlagen und weitgehend schrankenlos Bücher, Unterrichtsmaterialien oder Software einfach einzuscannen und abzuspeichern, anschließend zu kopieren und zu nutzen - dann bricht die bereits jetzt schon schwache Nachfrage nach Lehrwerken zusammen. "Innerhalb kurzer Zeit würde in den Schulnetzen, realistischerweise auch bei den Bildungsservern der Länder, ein umfangreiches Sortiment an Unterrichtsinhalten, Unterrichtsmodellen und -vorlagen, Bildungssoftware etc. aus den Beständen der Verlage vorrätig sein", konkretisiert der VdS die Lage, "das dann problemlos für die verschiedensten Unterrichtssituationen an allen Schulen genutzt werden kann, in dem es punktgenau über das Internet bezogen wird." Dann bräuchte die Schule oder das Land nur noch ein einziges Exemplar zu erwerben - um es einzuscannen und zu kopieren. Klassensätze oder der Erwerb von Schullizenzen wären überflüssig - der Markt für Bildungsmedien wäre zerstört.
Die nachgeschobene Idee des Justizministeriums, mit einer nicht definierten Vergütungsregelung ließe sich diese de facto Enteignung der Autoren und Verlage ausgleichen, bezeichnete der VdS Bildungsmedien als "absurd und unrealistisch": "Pauschale Vergütungen, dies ist aus anderen Urheberrechtsbereichen bekannt, gleichen die erheblichen Umsatzeinbußen noch nicht einmal ansatzweise aus", erklärt der VdS. Zudem befinden sich derzeit über 680.000 Computer in den Schulen. Tendenz bei der Ausstattung mit Computern, Scannern und Brennern: dauerhaft steigend. "Wer sollte diese sich ständig vergrößernde Menge an Rechnern, Scannern u.a.m. prüfen, um ein einigermaßen realistisches Bild über den Umfang der Nutzungshandlungen zu erzielen?", fragt der Branchenverband, und betont: "Auch nach welchen Maßstäben eine solche Vergütung praxisnah erfolgen sollte, bleibt jeder mit der Materie befassten Person verschlossen."
Der VdS sieht einen klaren Zusammenhang zwischen immer weiter zusammengestrichenen Lernmitteletats der Schulträger (Länder und Kommunen) und der Einführung eines § 52 a UrhGE: Die öffentlichen Schulbuchausgaben sind von 1991 noch ca. 398 Mio. EUR auf im Jahr 2001 ca. 274 Mio. EUR, d.h. um 30 Prozent, zurückgegangen. Folglich werden Schulbücher immer länger ausgeliehen, Schätzungen gehen von durchschnittlich 9 Jahren aus. Lern- und Unterrichtssoftware kann derzeit von den Schulträgern kaum beschafft werden, da hierfür - wenn überhaupt - nur minimale Budgets bereit stehen. Das Ergebnis ist eine mangelhafte Ausstattung der Schulen mit aktuellen Bildungsmedien. "Die Länder wie die Schulträger erhoffen sich offensichtlich durch die neue Vorschrift, die Ausstattungsmisere an den Schulen wie Universitäten zu beheben, in dem massenweise elektronisch aus neuen Werken kopiert werden soll", erklärt der VdS. Dieser Ansatz sei verfassungsrechtlich nicht haltbar und bedeutete ein nicht legitimiertes Sonderopfer der Urheber, indem Aufgaben der öffentlichen Hand wegen leerer Kassen auf diese abgewälzt werden.
Der VdS Bildungsmedien fordert von den Schulträgern, zur Verbesserung der Medienausstattung besonders die Bildungs- , insbesondere der Schulbuchetats der Schulträger deutlich zu erhöhen. Vom Rechtsausschuss wie auch vom Bundesjustizministerium erwartet er, dass die rechtlichen wie wirtschaftlichen Argumente der Branche endlich Ernst genommen werden und im Ergebnis die "Sondervorschrift" des § 52 a gestrichen wird. Die Bildungsverlage behalten sich im Zweifelsfall vor, dem Bundesverfassungsgericht oder auch dem Europäischen Gerichtshof ihre erheblichen Bedenken vorzutragen. Denn mit dem europäischen Recht, so die Verlage, würde diese Regelung auch kollidieren.
Quelle und Kontaktadresse:
VdS Bildungsmedien e.V. (ehem. Verband der Schulbuchverlage)
Zeppelinallee 33
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