Schröder-Rücktritt / Falsche Entscheidung
(Berlin) - Wenn das Pferd tot ist, so sagt eine uralte Empfehlung der Dakota-Indianer, dann sollte man besser absteigen.
Wenige Tage erst sind vergangen, seit sich Gerhard Schröder aus dem SPD-Vorsitz entlassen hat, und es ist immer weniger auszumachen, wer da am Freitag wirklich abgestiegen ist - das Pferd oder der Reiter. Kaum jemand, der akzeptieren will, Schröder sei von selbst darauf gekommen, vom Parteivorsitz zurückzutreten. Mag es auch zehnmal zutreffen, dass ein SPD-Chef S. von Anfang an ein Missverständnis war und schon deswegen gar nicht auf Dauer haltbar, weil ihm immer und unablässig jene Authentizität fehlte, ohne die SPD-Führung nicht geht. (Nebenbei: Das Vakuum, das der Vorsitzende Oskar L. anno damals mit so abrupter Brutalität aufgerissen hatte, dauerte, streng genommen, fünf Jahre, erst jetzt bekommt die Partei mit Müntefering wieder einen Vorsitzenden.)
Während mithin die Partei, die den Kanzler trägt, den Kanzler eigentlich vor sich herzieht, machen der und der neue, der designierte SPD-Chef uns glauben, es gehe alles weiter wie bisher, hübsch geordnet und - na, wohin denn sonst? - nach vorne, nur dass der Bundeskanzler jetzt etwas mehr Zeit hat fürs Regieren und die Reformen, und dass noch zusätzlich einer an Bord ist, der den Job hat, die Parteiseele zu streicheln.
Es wäre Zeitverschwendung, wollte man mit klugen Analysen an die Frage herangehen, ob nun ein Schröderscher Machtverlust vorliege oder nicht. Natürlich ist es ein Machtverlust. Und ebenso natürlich ist Schröder nun ein Kanzler unter Müntefering, und der ist ein starker Mann; seine Stärke ist Schröders Schwäche. Sollte es einmal zwischen beiden ein Gerangel um Positionen geben, dann wird der Sieger Müntefering heißen. Loyal ist er, ohne Zweifel, und der zurückgetretene Parteichef mag zunächst ruhig schlafen können, aber Müntefering wäre nicht Müntefering, gehörte seine Loyalität nicht zuerst der Partei.
Die wiederum hat gerade erlebt, was sie bislang allenfalls insgeheim zu träumen gewagt hatte: dass nämlich Austritte, Unzufriedenheiten, das zunehmende Grummeln an der Basis und in Serie verlorene Wahlen Wirkung zeigen. Zum Machterhalt eines Kanzlers, dem die weit überwiegende Mehrheit der Wähler Reformerfolge nicht mehr zutraut, trägt so etwas nicht besonders nachhaltig bei. Wie soll das denn wohl der SPD in den kommenden vierzehn Wahlen gehen? Mit Parolen wie: Den Kanzler wählen - jetzt noch stärker ohne SPD oder: SPD forte - noch besser ohne Schröder? Man kann sich vorstellen, mit welchem Tempo die SPD von Wahl zu Wahl der 18-Prozent-Marke näher kommt, wenn sie sich auf einen solchen Kurs einlässt.
Summa summarum: Schröder hat die falsche Entscheidung getroffen. Die Partei auch. Sich aus Angst vor der Fehlgeburt für nur ein bisschen schwanger zu erklären - es geht nicht. Schon wenige Tage nach Ultimo wird klarer: Schröder hätte ganz bleiben müssen oder ganz gehen; dass er nun wieder einen eigenen dritten Weg ausprobiert, bestätigt sein Image, führt aber zum Exitus.
Als ob die Krise der SPD nur eine personelle wäre... Sie ist eine inhaltliche. Als ob einem Kanzler, der von seiner Reformpolitik überzeugt ist, etwas anderes übrig bleiben dürfte als jene Unbeirrbarkeit, die zusätzlich zu den Argumenten als Haltung überzeugen könnte.
Irgendwie gehts nicht zusammen. Ein Franz Müntefering, der von der Parteizentrale aus ein bisschen soften Gegenkurs zu Schröders Reformpolitik fährt, um gleich anschließend vom gegenüberliegenden Ufer aus die Reformpolitik mannhaft gegen sich selbst zu verteidigen... Nein, die Regierung kann nicht gestützt werden, indem man sie schwächt.
Aber was bleibt sonst übrig? Immerhin ist der SPD wie der Reformpolitik jene Sozialdemokratie abhanden gekommen, die ein - in den goldenen Zeiten des Wachstums der siebziger Jahre unangefochtenes - Geflecht aus Solidarität, Gleichberechtigung, Gerechtigkeit und ähnlichen Erfreulichkeiten entstehen ließ. Den rauhen Stürmen hat das alles nicht standgehalten: Beim dauernden Hineinlangen in den Fleischtopf kommt man am Schluss schon mal auf den Boden. Da schämt sich die Basis, hat an den Infoständen einiges auszuhalten und vermag dem vorbeikommenden Otto Normalwähler die SPD-Politik(en) nicht mehr zu erläutern.
Es bleibt dabei. Schröders Rückzug vom Partei-Job war die falsche Entscheidung. Soll die Reformpolitik des SPD-Kanzlers vorangetrieben werden, dann geht das nur mit voller Kraft. Soll sie korrigiert und SPD-kompatibel gemacht werden, geht das ebenfalls nur ungebremst. Wer sich anheischig macht, die Probleme des Landes in den Griff zu nehmen, sollte das nicht mit dem gequälten Aufruf machen: Hier stehe ich, ich kann, wenn gewünscht, auch anders.
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