Schockierender Beschluss des Potsdamer Verwaltungsgerichts zu Tiertransporten
(Hamburg) - In den vergangenen Wochen wurde das Thema Tiertransporte und die Frage, ob hier regelmäßig gegen geltendes Recht verstoßen wird, viel diskutiert. Anlass waren Recherchen der ARD, des RBB und VIER PFOTEN sowie die von der Tierschutzstiftung gestellten Strafanzeigen in Brandenburg gegen alle Akteure, die in diese rechtswidrig genehmigten Tiertransporte involviert waren. Trotz des jüngsten Erlasses, den Brandenburg herausgegeben hat, hat nun das Verwaltungsgericht Potsdam das zuständige Veterinäramt verpflichtet, den Transport von 330 tragenden Kühen in die Russische Föderation zu genehmigen. Um Tierleid zu verhindern und endlich Klarheit zu schaffen, fordert VIER PFOTEN von der Bundesregierung einen einheitlichen Stopp von Tiertransporten in Drittländer.
"Dass das Verwaltungsgericht Potsdam einen derartigen Beschluss veröffentlicht, kann man nur als absurd bezeichnen. Das Gericht widerspricht damit nicht nur zahlreichen anderen Gerichtsurteilen, sondern auch dem erst kürzlich veröffentlichten Brandenburger Erlass, der Tiertransporte in Drittstaaten reduzieren beziehungsweise verhindern soll. Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Potsdam ist nicht hinnehmbar und darf keinesfalls als Vorlage dienen, Tiertransporte in Drittstaaten wieder abzufertigen oder zu rechtfertigen," sagt Ina Müller-Arnke, Nutztierexpertin bei VIER PFOTEN.
"Diese Transporte sind eine Qual für Millionen von Tieren: Wochenlang werden die Tiere bei extremer Hitze und Kälte um die halbe Welt gekarrt, brutal auf Schiffe verladen, um schließlich in Ländern, in denen Tierschutz keinen Stellenwert hat, grausam getötet zu werden. Transporte in Drittstaaten müssen endlich beendet und Transportzeiten auf maximal acht Stunden verkürzt werden. Anstelle lebender Tiere sollten nur noch Fleisch und genetisches Material transportiert werden. Bundesministerin Klöckner muss sich für klare Regeln und einheitliche Verbote einsetzen. Mit dem Vorsitz der EU-Ratspräsidentschaft kann sie noch bis Ende des Jahres konkrete Handlungsempfehlungen auf EU-Ebene einbringen", so Nutztierexpertin Müller-Arnke.
Laut Stellungnahme der Deutschen Juristischen Gesellschaft für Tierschutzrecht e.V. (DJGT), stellt das Verwaltungsgericht Potsdam die Sachlage in vielen Punkten rechtlich verkehrt dar und widerspricht zahlreichen anderen Gerichtsbeschlüssen. Zudem handelt es sich bei dem Beschluss um eine Eilentscheidung, die nicht verbindlich für andere Fälle ist. VIER PFOTEN warnt davor, den Erlass des Potsdamer Verwaltungsgerichts als vermeintliche Rechtsgrundlage für Genehmigungen weiterer Tiertransporte zu verwenden.
Hintergrund
Das Verwaltungsgericht Potsdam schreibt, die Behörde dürfe keine Wahrheitsprüfung durchführen und sei nicht befugt, Bescheinigungen von Behörden eines Drittstaates anzufordern. Das ist nicht korrekt. Das Gegenteil ist der Fall: Die Wahrheitsprüfung ist geboten und wird nach geltendem Recht ausdrücklich verlangt, um zu prüfen, ob beispielsweise adäquate Versorgungsstationen auf der Route vorhanden sind, auf denen die Tiere wie vorgeschrieben abgeladen und versorgt werden müssen.
Laut einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) müssen die Anforderungen der EU-Tierschutztransportverordnung 1/2005 bis zum Bestimmungsort eingehalten werden. Dies gilt auch, wenn dieser in einem Drittland liegt. Das Verwaltungsgericht Potsdam verdreht die Aussage des EuGH-Urteils in die gegenteilige Richtung. Es nimmt irrigerweise an, dass behördliche Kontrollen erst erfolgen dürften, wenn Regelungen des Drittlandes systemische Probleme hinsichtlich der Einhaltung der Verordnung aufweisen würden. Das EuGH-Urteil besagt jedoch: als Regel gilt, dass der Transport nur abgefertigt werden darf, wenn die Einhaltung aller Bestimmungen der Verordnung auch im Drittland gewährleistet, also nachgewiesen, ist. Nach der Stellungnahme der DJGT interpretiert das Verwaltungsgericht Potsdam das EuGH-Urteil 2015 genau gegenteilig und damit vollkommen falsch.
Quelle und Kontaktadresse:
VIER PFOTEN - Stiftung für Tierschutz
Susanne von Pölnitz, Pressesprecherin
Schomburgstr. 120, 22767 Hamburg
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